Es ist ein Stück Stoff mit hohem Konfliktpotenzial: Für die einen ist das muslimische Kopftuch ein persönliches Zeichen der religiösen Überzeugung, für andere symbolisiert es Unterdrückung. Manche wollen es daher verbieten, anderen sehen keinen Grund zu Sorge. Auch außerhalb von Talkshows und Wahlkampfveranstaltungen polarisiert das Kopftuch. In der Wirtschaft sorgt es immer wieder für Verunsicherungen: Dürfen Arbeitnehmer religiöse Bekleidung in ihrem Job tragen? Und darf der Arbeitgeber das verbieten? Bremer Unternehmen verfolgen ganz unterschiedliche Ansätze.
Für den Klinik-Betreiber Gesundheit Nord sei es grundsätzlich kein Problem, wenn Mitarbeiterinnen Kopftuch tragen würden, sagt Sprecherin Karen Matiszick. Wichtig sei, dass es nicht im Widerspruch zu den Hygienevorgaben im Krankenhaus stehe. In der Krankenpflege sei ein Kopftuch keine Seltenheit, im OP ist es allerdings nicht erlaubt. Da müssen alle Mitarbeiter Haube und Mundschutz anlegen. Ihres Wissens nach habe es damit aber noch nie Probleme gegeben.
Auch im Bremer Mercedes-Werk schränke nur der Arbeitsschutz die Kleiderwahl ein. „Ein generelles Kopftuchverbot gibt es bei uns nicht, wir halten uns aber strikt an die Regelungen, die das Arbeitsschutzgesetz vorschreibt“, sagt ein Sprecher. Diese Regelungen hätten nichts mit Religion, Weltanschauung oder Modetrends zu tun. Anders wird dies dagegen in den Hotels der Bremer Atlantic-Kette gesehen: Hier ist es Angestellten im Kundenkontakt verboten, religiöse Symbole offen zu tragen, sagt Sprecher Holger Römer.
Das Verbot betreffe daher nicht nur Kopftücher, sondern auch Kreuze oder Kippas. „Wir haben von Beginn an festgelegt, in Sachen Weltanschauung und Religion Neutralität zu wahren.“ Wer nicht direkt mit Kunden arbeitet, sei von der Regelung ausgenommen. Durch einen Leitfaden würden alle Mitarbeiter von dem Verbot wissen, bevor sie einen Arbeitsvertrag unterzeichnen, sagt Römer. Bisher habe es in der Sache noch keine Probleme gegeben.
Uneinheitliche Rechtsprechung
Ganz anders geht hingegen Bremens einziges Fünf-Sterne-Hotel damit um. Im Park Hotel gebe es keine Regelungen oder Verbote, da die Religion der Angestellten für die Arbeit nicht relevant sei. „Insofern ist ein Kopftuch selbstverständlich kein Problem“, sagt Direktor Karsten Kanneweg. „Tatsächlich haben wir bisher noch keine Mitarbeiterin in unserem Hause gehabt, die ein Kopftuch trägt.“ Die Sparkasse Bremen beschäftigt zurzeit zwei langjährige Mitarbeiterinnen, die während der Arbeitszeit ein Kopftuch tragen, sagt Sprecherin Nicola Oppermann. Für die rund 1300 Angestellten gebe es in der Hinsicht keinerlei Anweisungen oder Verbote.
Doch woher kommt der unterschiedliche Umgang mit religiöser Bekleidung? Ein Grund dürfte auch die uneinheitliche Rechtsprechung sein. Mehrfach schon haben sich deutsche Gerichte mit dem Kopftuch am Arbeitsplatz auseinandergesetzt – und unterschiedlich geurteilt. So hat das Bundesverfassungsgericht 2015 entschieden, dass ein generelles Kopftuchverbot für Lehrerinnen nicht mit der Religionsfreiheit vereinbar sei. Dazu müssten Lehrerinnen an öffentlichen Schulen ein konkretes Risiko für den Schulfrieden darstellen. Die Beweislast liegt also beim Arbeitgeber. Das Berliner Arbeitsgericht hat hingegen im Mai bekräftigt, dass eine muslimische Lehrerin nicht mit Kopftuch an einer Grundschule unterrichten darf. Das in der Hauptstadt geltende Neutralitätsgesetz verbiete es Angestellten im öffentlichen Dienst, während der Arbeit religiöse Kleidungsstücke zu tragen. Es gelte auch für Lehrer, Polizisten und Justizbeamte.
Was im öffentlichen Dienst verboten sein kann, muss aber nicht auf die Privatwirtschaft zutreffen. So muss die Drogeriekette Müller einer Verkäuferin erlauben, ein Kopftuch zu tragen. Das hat das Landesarbeitsgesetz Nürnberg im April festgelegt. Ihr Arbeitgeber hatte sich bei seinem Verbot auf betriebliche Richtlinien zur Neutralität berufen. Der Europäische Gerichtshof hat hingegen eine andere Ansicht. Er hat Anfang 2017 entschieden, dass betriebsinterne Verbote religiöser oder weltanschaulicher Kleidung nicht zwingend Diskriminierung sind.
Kopftuchverbote können also gerechtfertigt sein, müssen aber individuell abgewogen werden. Dass sich Konflikte aber nicht immer nur ums Kopftuch drehen, zeigt der Fall einer evangelischen Lehrerin aus Berlin: Im Mai 2017 ist ihr per Dienstanweisung verboten worden, ein Kreuz an einer Halskette zu tragen. Die evangelische Landeskirche machte den Fall öffentlich. Vor Gericht landete der Streit nicht, da die Lehrerin das Kreuz von sich aus ablegte. Stattdessen trug sie fortan ein anderes christliches Symbol um den Hals: einen Fisch. Bisher hat es keine Beschwerde gegeben.