Bremen. Zwölf Jahre Streit und kein Ende in Sicht. Oder vielleicht doch? In Huchting treffen sich Politik, Verwaltung und Stadtteilbewohner nächsten Montag zum dritten und wohl letzten Bürgerforum, um über die Verlängerung der Straßenbahnlinien 1 und 8 zu sprechen. Die Fronten sind verhärtet, auf den vorangegangenen Foren ging es teils hoch her. Beide Seiten hoffen nun, dass die Vernunft zurückkehrt.
Es geht um Grundstücke, um Bäume, um seltene Fledermausarten. Und es geht um die Nachtruhe von Menschen, aber auch um viel Geld. Seit zwölf Jahren schwelt der Streit um die Verlängerung der Straßenbahnlinien 1 und 8. Ab 2018 sollen sie über das Einkaufszentrum Roland-Center hinaus weiterfahren Richtung Mittelshuchting (Linie 1) und über die niedersächsische Grenze bis Stuhr/Weyhe (Linie 8). Rund 6000 Autofahrten weniger pro Tag versprechen sich die Planer dadurch – und im Gegenzug 7000 Bahnfahrten mehr.
Doch noch immer gibt es Streit über die Streckenführung. Die Verkehrsbehörde möchte die Linien über die Trasse der Bremen-Thedinghauser-Eisenbahn (BTE) führen. Diese würde teilweise über privaten Grund verlaufen – ein Unding in den Augen der Anwohner, die von mehr als 60 betroffenen Grundstücken sprechen. Sie favorisieren eine Strecke entlang der Kirchhuchtinger Landstraße (KHL). Zu teuer, sagt wiederum die Behörde, diese Variante würde bis zu 23 Millionen Euro mehr verschlingen als die BTE-Lösung.
Beim ersten Bürgerforum in Huchting war dem zuständigen Senator Joachim Lohse (Grüne) und Wilfried Eisenberg, Vorstandssprecher der Bremer Straßenbahn AG, die Kritik um die Ohren gehauen worden. Es werde an den Bedürfnissen der Bürger und dem Huchtinger Beirat vorbeigeplant, hieß es. Dieser hat sich einstimmig für die KHL-Variante ausgesprochen.
Man müsse zwischen Politik und Verwaltung unterscheiden, sagt Lohse. Verwaltungsbeamte könnten einen Planungsauftrag der zuständigen Deputation nicht einfach zurückweisen. "Pöbeleien haben die Mitarbeiter der Verwaltung nicht verdient." Denn auch beim zweiten Bürgerforum Mitte Juni gab es Zoff – obwohl oder gerade, weil seit dem ersten Treffen in Arbeitsgruppen konkrete Vorschläge erarbeitet werden sollten. Dabei ging es besonders um die Fragen: Wie genau soll die Trasse verlaufen? Was könnte daran verbessert werden? Wie soll das Netz aus Bus und Straßenbahn in Huchting künftig aussehen? Und wie soll der Platz vor dem Roland-Center gestaltet werden?
Nun trifft man sich ein drittes Mal. Beim wohl letzten Bürgerforum am 9. Juli soll sachlich diskutiert werden. "Natürlich hoffen wir, dass die KHL-Trasse endlich ins Bürgerbeteiligungsverfahren aufgenommen wird", sagt Rolf Berger, Sprecher der "Huchting-Initiative".
Für Mittwoch hat Lohse Vertreter von Beirat und Bürgerinitiative zur Vorbesprechung eingeladen, "damit wir nicht erst beim Bürgerforum diskutieren, über welche Fragen wir eigentlich reden wollen". Auch Berger wird zu diesem Treffen gehen, "mit kritischer Distanz", wie er sagt. "Bislang hatten wir bei den Bürgerforen eher den Eindruck, dass es sich um eine Infoveranstaltung von BSAG und Ämtern handelt. Wir wurden mit Daten zugeschüttet und kamen kaum zu Wort." Andererseits müssten sich die Bürger auch selbstkritisch fragen, warum es bislang so emotional zuging, "mit persönlichen Angriffen auf beiden Seiten".
150 Beiträge im Internet
Seit einer Woche und noch bis morgen können Bürger ihre Fragen rund um den Linienausbau im Netz unter www.bauumwelt.bremen.de stellen. Mehr als 150 Beiträge sind schon zusammengekommen, Mitarbeiter des Senators beantworten die Fragen. Das Internetforum ist für jedermann einsehbar. Laut Lohse soll es helfen, offene Fragen endgültig zu klären. "Noch herrscht ein zu großes Ringen um die Definitionsmacht, wann solche offenen Fragen abschließend beantwortet sind."
Beide Seiten tun alles dafür: Die Bürgerinitiative lässt sich neuerdings von einem Sachverständigen beraten: Professor Jürgen Deiters vom Institut für Geographie der Universität Osnabrück. Und Joachim Lohse hat mit Menschen in Huchting gesprochen, sagt er. "Natürlich gibt es Bürger, die durch den Ausbau Verschlechterungen befürchten. Viele aber sehen den Stadtteil dadurch deutlich aufgewertet." Die "lautstarke Ablehnung" in den Bürgerforen sei nicht repräsentativ für Huchting".
Rolf Berger von der Bürgerinitiative hingegen behauptet, dass die meisten Huchtinger die "Null-Lösung" – also überhaupt keinen Ausbau – bevorzugen. Trotzdem gingen fast alle davon aus, dass die Verlängerung kommen wird, im Sinne eines zukunftsorientierten Personennahverkehrs wohl auch kommen muss. "Die Nullvariante ist planungsrechtlich gar nicht möglich", sagt Lohse und verweist auf bestehende Verträge mit Niedersachsen.
Wenn man realistisch sei, sagt Berger, so dürfte vor der Sommerpause keine Entscheidung mehr fallen. "Wir hoffen, dass bei der Behörde die Einsicht reift, dass das Ganze mehr Zeit braucht." Auch Lohse will die Entscheidung "nicht auf Teufel komm raus vor der Sommerpause durchpeitschen".