Wenn am Sonntag um acht Uhr die Wahllokale öffnen, liegt hinter den Druckern der Firma Berlin Druck im Gewerbegebiet Bremer Kreuz ein hartes Stück Arbeit: Mehr als anderthalb Million Stimmzettel haben sie in den letzten drei Wochen gedruckt. Rund um die Uhr, sieben Tage die Woche liefen ihre Druck- und Falzmaschinen auf Hochtouren. Vom Ende der Regierung Scholz, das mit der Vertrauensfrage im Bundestag Mitte Dezember feststand, bis zu den Neuwahlen vergingen nur gut zwei Monate – nicht viel Zeit, um eine Wahl mit fast 60 Millionen Stimmberechtigten zu organisieren.
Druckereichef Frank Rüter ist ein umtriebiger Mann, das Telefon liegt immer griffbereit. Als nach dem Ampel-Aus in Berlin Anfang November das Wort "Neuwahlen" erstmals die Runde machte, wartete er die formellen Beschlüsse gar nicht ab, sondern bestellte schon mal Papier. Nicht irgendeines natürlich, sondern das für Stimmzettel vorgeschriebene: Recyclingpapier, weiß oder weißlich, 80 bis 90 Gramm pro Quadratmeter schwer, nicht durchscheinend – das Wahlgeheimnis soll schließlich gewahrt bleiben. "Es gibt nicht viele Papierfabriken, die das herstellen", sagt Rüter. An der Papierfrage sahen manche eine kurzfristig anberaumte Bundestagswahl schon scheitern: Würde es überhaupt genug davon geben – so auf die Schnelle?
"Papier ist nicht das Thema", winkt Rüter ab. Am Ende hatte er sogar zu viel davon bestellt und konnte einen Teil seiner Vorräte weitergeben. Die Frage lautet vielmehr: Wer kann in kurzer Zeit Millionen von Stimmzetteln drucken? Und noch wichtiger: Wer schafft es, diese Stimmzettel zu verpacken, zu etikettieren, zu lagern und zur richtigen Zeit in den richtigen Wahlkreis zu liefern? "Die Logistik dahinter – das ist das Entscheidende", erklärt Rüter.
Erfahrung mit dem Drucken von Wahlzetteln
Mit Wahlzetteln kennen sie sich aus in der Druckerei am Bremer Kreuz, die haben sie auch bei vergangenen Wahlen schon gedruckt. Also bekamen sie Anfragen, schrieben Angebote, verschoben vorsichtshalber schon mal andere Aufträge. Normalerweise müssen die Druckaufträge für die Stimmzettel vor einer Wahl ausgeschrieben werden. Weil diesmal alles ganz schnell gehen musste, durften sich die Wahlleiter jedoch bei "fachlich geeigneten Druckereien" Angebote einholen und dann kurzerhand entscheiden.
Berlin Druck bekam gleich mehrere Aufträge. Von welchen Städten und Gemeinden – darüber dürfen sie nicht reden, alles vertraulich. Nicht einmal die Tatsache, dass in ihrer Druckerei Stimmzettel für die Bundestagswahl gedruckt werden, durfte in den vergangenen Wochen offiziell nach außen gelangen – es könnte ja jemand auf die Idee kommen, die Wahl zu sabotieren.
"Wir haben natürlich hauptsächlich für Wahlkreise in Norddeutschland gedruckt", sagt Rüter, "aber auch bundesweit." Es gibt immer weniger Druckereien in Deutschland, weil immer weniger Prospekte und Kataloge auf Papier gedruckt werden. Mehr als die Hälfte der Druckereien in Deutschland musste in den vergangenen 25 Jahren aufgeben. Nur die Wahlzettel – die gibt es weiterhin ausschließlich auf Papier und nicht digital. Und dafür werden die verbliebenen Drucker gebraucht.
700.000 Stimmzettel für das Land Bremen
Allein der Landeswahlleiter für Bremen hat für seine Wahlkreise 54 und 55 rund 700.000 Stimmzettel drucken lassen – mehr als das Land Wahlberechtigte hat. Der Grund: Die Ausgabestellen für die Briefwahl in Bremen und Bremerhaven müssen ausreichend Stimmzettel vorhalten – parallel müssen aber auch genügend Stimmzettel für die Wahllokale verpackt werden. Die Stimmzettel für den Wahlkreis 55 sind 410 Millimeter lang, für den Wahlkreis 54 sind sie etwas länger: 430 Millimeter, weil mehr Wahlkreisbewerber draufstehen.
Welche Namen und Parteien auf die Wahlzettel gedruckt werden, stand allerdings erst am 30. Januar endgültig fest – so lange lief die Einspruchsfrist gegen die Kandidatenaufstellung. Seine beiden Druckmaschinen konnte Rüter also erst am 31. Januar losrattern lassen – kaum drei Wochen vor der Wahl. 18.000 Bögen in der Stunde zieht eine Heidelberg Speedmaster durch ihre Farbwerke und Zylinder. Und das war auch nötig, denn die ersten Stimmzettel mussten bereits fünf Tage später in den Briefwahlzentren liegen – geschnitten, gefalzt und mit einer abgetrennten Ecke oben rechts, damit sehbehinderte Wähler ihre Stimmzettelschablone richtig herum anlegen können.
"Der Terminplan war schon sportlich", resümiert Rüter. Zumal man sich keinerlei Fehler leisten darf: Falsche Stimmzettel an der Urne können eine Wahl – das höchste Ritual einer Demokratie – ruinieren. Berichte über Fehldrucke gab es auch dieses Mal so einige aus dem ganzen Land: Falsch geschriebene Namen, Buchstabendreher im Parteikürzel – schon muss alles noch mal neu gedruckt werden. Aufatmen können sie bei Berlin Druck erst, wenn die letzten Stimmzettel an die Wahlkreise ausgeliefert sind.