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Made in Bremen "Custom Climax" will Sexspielzeug für Frauen revolutionieren

Mit "Custom Climax" möchte Helena Flindt die Welt des Sexspielzeugs revolutionieren. Ihr Team setzt auf individuell zugeschnittene Produkte und will damit weibliche Sexualität entstigmatisieren.
16.03.2025, 08:02 Uhr
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Von Raffael Hackmann

Meistens hinter vorgehaltener Hand oder laut am Stammtisch, umringt von den Kumpels, die sich auf die Schenkel klopfen, wird über das Thema Selbstbefriedigung geredet. Stigmatisiert sei besonders die weibliche Sexualität, weiß Helena Flindt. Und das möchte sie ändern: "Raus aus der Schmuddelecke und hin zu Self-Care." So drückt sie das Ziel ihres Start-ups Custom Climax aus, zu dem sich auch ehemaliges Personal der Bremer Fun Factory gesellt hat. Flindt und ihr fünfköpfiges Team haben sich spezialisiert auf das, was im Volksmund als Sexspielzeug bezeichnet wird.

Diese Bezeichnung passt der 25 Jahre alten Bremerin eigentlich überhaupt nicht. Bei Custom Climax bevorzugten sie eher "Lovetoys" oder sogar noch lieber "individualisierbare intime Lifestyleprodukte". Denn Sexualität wird ihrer Meinung nach unnötig sexualisiert. "Das klingt paradox", gibt die Jungunternehmerin zu. Gehe es für Frauen bei diesem Thema selbstverständlich auch um das Sexuelle, vielmehr jedoch um Selbstfürsorge und um das Wohlfühlen. Warum das so ist, kann Flindt sogar mit Zahlen belegen. Sie beruft sich auf Studien, laut denen über 80 Prozent der Frauen bei heterosexuellem Geschlechtsverkehr nicht zum Orgasmus kämen. Bei der Nutzung eines Sexspielzeuges funktioniere es allerdings für 67 Prozent in unter zehn Minuten.

"Ein kleiner Frankenstein"

Hergestellt werden die Produkte in Eigenregie – und das kostet Geld. "Wir haben eine Werkstatt. Die Miete finanzieren wir durch Crowdfunding, durch Einnahmen von Pitch-Wettbewerben, die wir gewonnen haben, oder aus der eigenen Tasche", erklärt Flindt. Doch sie ist sich sicher, dass Custom Climax schon Ende dieses Jahres in den Markt einsteigen werde. Zwar seien ihre Spielzeuge noch nicht reif für den Markt, doch ein großer Teil des "prototyping" sei bereits abgewickelt. "Das hier ist allerdings ein kleiner Frankenstein", sagt die Bremerin und lacht, während sie die Makel an einem der früheren Prototypen demonstriert.

Die Spielzeuge erstellen die Techniker des Start-ups zunächst am Computer. Mithilfe eines 3D-Druckers stellen sie die sogenannten Positive her, die schließlich genutzt werden, um Formen anzufertigen. Diese Formen füllen sie mit Silikon aus, um das Endprodukt herzustellen. Auch das "Einhausen", also das Einsetzen der Elektronik für die Spielzeuge, die vibrieren, findet dort statt. All das ist der Bereich von Geschäftspartner Lucas Grodd, der sich gerade auf den letzten Metern seines Masters im Fach Systems Engineering befindet. "Lucas macht alles mit Technik. Ich mache alles andere", erklärt Flindt.

Mehr im Kopf als im Körper

Doch was setzt das Bremer Start-up von den großen Online-Versandhändlern ab? Hierbei geht es auch um die Antwort darauf, warum die Global-Management-Studentin mit ihren Freunden und Partnern überhaupt Custom Climax gegründet hat. Das Angebot der Branchen-Giganten sei zweifelsohne groß, gibt Flindt zu. An der Qualität übt sie allerdings Kritik. Außerdem gefielen sowohl ihr als auch vielen anderen Frauen nicht, dass die Modelle in der Regel ausschließlich in schwarz und pink – den beliebtesten Farben – erhältlich seien. "Warum nicht die intimste Erfahrung persönlich machen?", fragte sie sich damals. Denn weibliche Sexualität finde viel mehr im Kopf als im Körper statt.

Das Liebesspielzeug des jungen Teams hat sieben Grundformen. Jede von ihnen könne individuell angepasst werden, basierend auf den Wünschen der Nutzerin. "Die erste Frage ist immer: Was soll stimuliert werden?", erklärt Flindt. Dementsprechend werde die Grundform angepasst, denn die Funktion stehe erst einmal an vorderster Stelle. Danach gehe es um Form und Farbe – auch mit Glitzer und Gravuren experimentiert das Start-up.

Beratung im Internet

Wenn es dann so weit ist und das Produkt bereit für den Markt ist, kann alles sehr schnell gehen. Geplant ist Custom Climax als reiner Online-Shop. Einer der Hauptgründe dafür liege in der Beratung, erklärt die Gründerin. Um die Lovetoys individuell auf die Kundinnen zuschneiden zu können, müssten sie einen detaillierten Fragebogen mit ihren Bedürfnissen und Wünschen ausfüllen. "Das ist für viele vermutlich unangenehm", sagt die 25-Jährige. Auch dies liege zu einem erheblichen Teil an der Stigmatisierung weiblicher Sexualität.

Flindt ist aber bewusst, dass Männer beim Einkauf von Sexspielzeug unter einer noch größeren Stigmatisierung litten. Zwar spezialisiere sich ihr Start-up auf Produkte für Frauen beziehungsweise Paare, doch sei bereits jetzt geplant, dass dies nicht immer so bleibe. Langfristig sollen alle Menschen bei ihrer Firma das finden, was sie für ihre intime Selfcare brauchen.

Im Bezug auf Geschlechter gebe es bei Custom Climax eine unumstößliche Regel, erklärt Flindt: "Bei jedem wichtigen Meeting muss immer mindestens eine Frau dabei sein." Es sei bereits vorgekommen, dass nur die männlichen Kollegen in einer Besprechung die Entscheidung getroffen hätten, die Vibratoren über einen Touchscreen zu kontrollieren. Männer stehen ja bekanntlich auf Technik, und die Touchscreen-Technologie ist sicherlich eine große Innovation in vielen Bereichen. Doch in diesem Bereich offenbar nicht. Von Flindt und ihren Kolleginnen habe es dazu ein klares Veto gegeben – Knöpfe seien in dieser besonderen Situation einfach praktischer.

Noch bis zum 26. März läuft die Crowdfunding-Kampagne auf www.startnext.com/custom-climax. Das Team könne jede Spende gut gebrauchen, um die Produktion schneller auf den Weg zu bringen, betont Flindt. Sie scheint volles Vertrauen in ihre Idee zu haben: "Wir gehen Ende dieses Jahres an den Start."

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