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Nach Abgas-Affäre Daimler will drei Millionen Diesel-Fahrzeuge nachrüsten

Daimler weitet die Nachbesserung von Diesel-Antrieben auf insgesamt mehr als drei Millionen Fahrzeuge in Europa aus. Die Aktion soll rund 220 Millionen Euro kosten und in den kommenden Wochen beginnen.
18.07.2017, 21:04 Uhr
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Von Holger Wenzel und Nico Esch

Um den Schadstoffausstoß zu verringern, lässt der Autobauer Daimler europaweit mehr als drei Millionen Diesel-Fahrzeuge von Mercedes-Benz nachbessern. Die Aktion ist Teil eines „Zukunftsplans für Diesel-Antriebe“, die der Vorstand am Dienstag beschlossen hat. Es handle sich dabei um nahezu alle Fahrzeuge der Abgasnormen EU 5 und 6 in Europa. Die Aktion soll rund 220 Millionen Euro kosten und in den kommenden Wochen beginnen. Für die Besitzer der Autos sollen die Änderungen an der Software kostenlos sein und etwa eine Stunde dauern.

Außerdem plant Daimler eine schnelle Markteinführung seiner neuen Diesel-Motorenfamilie. Mit dem Zukunftsplan solle das Vertrauen in die Antriebstechnologie gestärkt werden. „Wir sind überzeugt davon, dass der Diesel nicht zuletzt wegen seiner niedrigen CO₂-Emissionen auch künftig ein fester Bestandteil im Antriebsmix sein wird“, betonte Vorstandschef Dieter Zetsche.

„Süddeutsche Zeitung“, WDR und NDR hatten vergangene Woche berichtet, dass mehr als eine Million Daimler-Fahrzeuge mit einer Software programmiert sein könnten, die Abgaswerte manipuliert. Betroffen seien zwei Motorklassen, die nun vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) gesondert untersucht werden sollen. Grundlage des Berichts ist ein Durchsuchungsbeschluss, den das Amtsgericht Stuttgart im Mai im Zuge der Ermittlungen gegen Daimler-Mitarbeiter wegen Betrugs und strafbarer Werbung ausgestellt hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit März wegen möglichen Abgas-Betrugs.

Daimler hat immer betont, sich an geltendes Recht gehalten zu haben. Der Streitpunkt ist – wie bei anderen Herstellern – ein sogenanntes Thermofenster, das die Abgasnachbereitung in bestimmten Temperaturbereichen herunterregelt.

Freiwillige Nachbesserung

Wie auch andere Hersteller hatte sich Daimler mit dem KBA darauf geeinigt, bestimmte Fahrzeuge freiwillig zurückzurufen, um die Technik anzupassen und den Ausstoß schädlicher Stickoxide zu reduzieren. Die Zahl von rund 270.000 Fahrzeugen aus der Kompakt- und der V-Klasse, die bereits nachgebessert werden, wird nun auf gut drei Millionen aufgestockt. Die bayerischen Autobauer BMW und Audi hatten bereits angekündigt, zur Abwendung drohender Diesel-Fahrverbote die Hälfte ihrer in Deutschland zugelassenen Euro-5-Diesel technisch nachzurüsten.

Nach einer Studie des Münchner Ifo-Instituts im Auftrag der Autolobby VDA wären zehn Prozent der Arbeitsplätze in der deutschen Industrie „betroffen“, wenn – wie von den Grünen gefordert – die Zulassung von Pkw mit Dieselaggregaten- und Benzin-Motoren von 2030 an verboten würde. Das entspricht nach den Berechnungen der Ifo-Experten rund 620.000 Arbeitsplätzen – eine Horrorzahl. Ein Verbot wäre der falsche Weg, um die Klimaschutzziele möglichst günstig zu erreichen, sagte deshalb Ifo-Präsident Clemens Fuest. Und er schiebt noch eine Horrorzahl hinterher.

13 Prozent der industriellen Wertschöpfung hierzulande stünden auf dem Spiel, das macht rund 48 Milliarden Euro pro Jahr aus. Bei Umfragen haben Zulassungsverbote für Verbrenner unerwartet hohe Zustimmungsraten erhalten. Und in mehreren europäischen Staaten wird der Ausstieg ebenfalls mit variierenden Terminen heftig diskutiert. In Frankreich ist das Jahr 2040 en vogue. In Norwegen ist immer wieder sogar von 2025 die Rede. Der VDA sieht hier offenbar eine ernsthafte Bedrohung.

Klar ist, die Elektromobilität wird kommen. Die Frage ist nur: Wann setzen sich die Stromer durch und mit welcher Wucht? Zuletzt wurden in mehreren Studien die Termine nach vorne gezogen – auf die Zeit um die Jahrzehntwende. Ein Hauptargument: Bis 2020 wird sich die Zahl der Fabriken, die Batteriezellen für Elektroautos bauen, um den Faktor vier bis fünf erhöhen. Das wird nach Hochrechnungen des Finanzdienstleisters Bloomberg die Preise für die Akkus halbieren. Stromer können womöglich schon in fünf Jahren genauso viel wie vergleichbare Verbrenner kosten, bei Reichweiten um die 400 bis 500 Kilometer. In den Folgejahren würden die E-Fahrzeuge Schritt für Schritt billiger. Die Nachfrage nach Verbrennern könnte einbrechen. In einer Branche, die dann immer noch auf Diesel- und Ottomotoren setzt, wären dann tatsächlich Arbeitsplätze in großem Stil gefährdet.

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