China ist weltgrößter Verursacher von klimaschädlichem CO2. Aber obwohl jede Woche ein neues Kohlekraftwerk ans Netz geht, macht das Land beim Klimaschutz enorme Fortschritte. Im vergangenen Jahr sind 52 Milliarden US-Dollar in den Ausbau regenerativer Energien geflossen – und schon attestiert der Club of Rome die Überlegenheit des chinesischen Systems.
VON FELIX LEE
Peking. Eigentlich wollte China den Ausstoß von Treibhausgasen verringern. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der Ausstoß der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt hat massiv zugenommen. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur blies China vergangenes Jahr 720 Millionen Tonnen mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre als 2010. Das entspricht einem Plus von 9,3 Prozent. Damit ist die Volksrepublik nun wirklich der weltgrößte Emittent von klimaschädlichem CO2.
Und dennoch: Der Chefvolkswirt der Internationalen Energie-Agentur Fatik Birol hat für die Volksrepublik überwiegend positive Worte übrig. "Was China über einen so kurzen Zeitraum an Verbesserung der Energieeffizienz und der Bereitstellung sauberer Energie geleistet hat, ist enorm", lobt Birol. Denn die Intensität pro erwirtschaftetem Yuan sei in den vergangenen sechs Jahren um 15 Prozent zurückgegangen. Ohne das massive Eingreifen des Staates hätte der Ausstoß um mehr als 1,5 Milliarden Tonnen höher gelegen. China habe damit einen bedeutenden Beitrag zum globalen Umweltschutz geleistet.
Solche Lobeshymnen hört die chinesische Regierung gern. Eine Woche vor Beginn des Klimagipfels in Rio de Janeiro laufen auch bei den chinesischen Klimaexperten und Verhandlungsführern die Vorbereitungen auf Hochtouren. Nach dem Klimagipfel vor zweieinhalb Jahren in Kopenhagen will sich die chinesische Seite nicht noch einmal zuschulden kommen lassen, die Verhandlungen zum Scheitern gebracht zu haben. Den Erfolg des diesjähriges Gipfels bemisst sie nicht zuletzt daran, welche Fortschritte China in der Zwischenzeit vorweisen kann.
Ausbauziele nicht erreichbar
Und die gibt es. Allein 2011 hat China mehr als 52 Milliarden US-Dollar für den Ausbau regenerativer Energien ausgegeben – rund eine Milliarde mehr als die USA. Das entspricht einer Steigerung von 17 Prozent. "Zu wenig", gibt auch Chinas Premierminister Wen Jiabao zu. Denn angesichts des anhaltenden Wirtschaftswachstums steigt der CO2-Ausstoß noch rasanter. Der Anteil der regenerativen Energie liegt weiter bei mickrigen 1,5 Prozent. In den USA ist er immerhin auf 2,7 Prozent gewachsen. Bei den Deutschen liegt der Wert bei 10,8 Prozent. Chinas aktueller Fünfjahresplan sah bis 2016 eigentlich ähnliche Werte wie in Deutschland vor. Dieses Ziel dürfte die Führung nicht mehr erreichen.
Chinas größter Klimakiller bleibt die Kohle. Sie trägt zu rund 70 Prozent der Stromversorgung bei. Um den drängenden Energiehunger in den boomenden Provinzstädten zu lindern, geht fast jede Woche ein neues Kohlekraftwerk ans Netz. Dennoch erkennen auch internationale Umweltschutzgruppen die Bemühungen der chinesischen Führung an. "China hat in den vergangenen Jahren beeindruckende Fortschritte erzielt", attestiert Li Yan von Greenpeace Ostasien. Die Volksrepublik sei inzwischen der größte Markt für Windkraftanlagen. Und bei der Herstellung von Solarzellen sogar die Nummer eins.
Schon wagt der renommierte Club of Rome, ein Zusammenschluss renommierter Unternehmer, Wissenschaftler und Ökonomen, der schon in den 1970er-Jahren auf die Grenzen des Wachstums hinwies, in einer von ihm verfassten Studie die kühne Behauptung: Die Einparteiendiktatur in China werde den Klimawandel sehr viel besser in den Griff bekommen als die westlichen Demokratien.
Politik gibt den Kurs vor
So sagte der norwegische Klimaexperte Jorgen Randers kürzlich: "In China ist der Markt dazu da, Entscheidungen der Politik auszuführen, nicht umgekehrt." Er ist einer der Verfasser der Studie. Probleme wie der Klimawandel könnten auf diese Weise sehr viel konkreter angegangen werden.
Chris Chaplin vom World Wide Fund (WWF) Asien-Pazifik widerspricht. Länder wie Deutschland, Norwegen und Schweden seien beim Klimaschutz noch viel erfolgreicher als China. "Und das sind lebendige Demokratien." Li Yan verweist auf den begrenzten Spielraum von autoritären Regimen. Kurzfristig könnten sie Fabriken schließen und Fahrverbote erteilen, um die Klimaziele zu erreichen. Von Dauer seien diese Verbote aber nicht. Langfristig müssten auch sie auf ein Umdenken in der Bevölkerung setzen. Und das unterscheidet sie keinen Deut von Demokratien.