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Wachstumschancen in Fernost, Teil 2: Die alte Landbrücke zwischen China und Europa soll wiederbelebt werden Der Traum von der Seidenstraße

Auch wenn China nach Jahren des zweistelligen Wachstums gerade eine Pause einlegt, sehen viele deutsche Unternehmen in diesem Land mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern eine große Chance für künftiges Wachstum. In unserer dreiteiligen Serie geht es heute um den Gütertransport von China nach Europa auf der Schiene.
27.06.2012, 05:00 Uhr
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Von Annemarie Struss-v. Poellnitz

Auch wenn China nach Jahren des zweistelligen Wachstums gerade eine Pause einlegt, sehen viele deutsche Unternehmen in diesem Land mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern eine große Chance für künftiges Wachstum. In unserer dreiteiligen Serie geht es heute um den Gütertransport von China nach Europa auf der Schiene.

Schanghai. BLG-Chef Detthold Aden hat eine Vision: Er möchte Autos chinesischer Hersteller über die Transsibirische Eisenbahn von China nach Russland und Südosteuropa transportieren und im Gegenzug europäische Premiumkarossen von Europa nach China. Das könnte man als Wunschdenken abtun. Aber die Logistiksparte der Deutschen Bahn, DB Schenker, schickt bereits seit September 2011 einmal in der Woche Autoteile aus dem BMW-Werk Leipzig auf die Reise nach Shenyang, wo BMW eine baugleiche Fabrik errichtet hat. Dort werden die Fahrzeuge für den chinesischen Markt montiert. Auch aus dem bayrischen Wackersdorf rollt neuerdings jede Woche ein Zug ins gut 10000 Kilometer entfernte China.

Das Geschäft ist ausbaufähig, glaubt Jens Nöldner, Leiter der Geschäftsführung der DB Schenker Rail Automotive und damit auch verantwortlich für das China-Geschäft auf der Schiene. "Die Verbindung Leipzig-Shenyang betreiben wir ausschließlich im Auftrag von BMW. Wir sind in guten Gesprächen mit anderen Kunden und Branchen, für die wir ein Potenzial für den Warenaustausch über die eurasische Landbrücke erkennen", sagt Nölder. "Bei Logistikausschreibungen erhalten wir zunehmend die Aufforderung, auch ein Schienenangebot einzureichen."

Die Erfahrung macht auch die BLG, die in Europa bereits teils allein, teils wie in Russland mit Partnern, eigene Züge speziell für den Autotransport betreibt. "Die Automobilbauer haben großes Interesse an einem Transport auf der Schiene", sagt BLG-Sprecher Andreas Hoetzel. Aber die chinesische Bahn habe das bisher nicht im Fokus. Das müsse gemeinsam von den Automobilherstellern, der Deutschen Bahn und der Politik angeschoben werden. Das Eisenbahnministerium, das in China nicht zum Verkehrsministerium gehört, sondern eng mit dem Militär verbunden ist, mag daran wenig Interesse haben. Auf der politischen Ebene wächst aber auch in China die Erkenntnis, dass eine Verbesserung des Eisenbahnnetzes eine wichtige Voraussetzung für die künftige Entwicklung des Landes ist.

China hat sich in seinem zwölften Fünfjahresplan, von 2011 bis 2015, ehrgeizige Ziele für nachhaltiges Wachstum gesetzt. Ohne neue Verkehrsadern ist das nicht zu schaffen, denn die Produkte, die in den neuen Wirtschaftszonen im Hinterland entstehen, müssen schließlich den Weg zu ihren Käufern finden. Noch wickelt China 90 Prozent seines Gütertransports mit Lkw ab. Das ist aber auf Dauer teuer, uneffizient und klimaschädlich. Gemeinsam mit der Weltbank werden deshalb Konzepte entwickelt, um neue Wirtschaftsregionen per Bahn anzuschließen. Das gilt zum Beispiel für die beiden neuen Exporthäfen Fushou südlich von Schanghai und Qinzhou, südwestlich von Guangzhou.

Die große englischsprachige Zeitung des Landes, China Daily, widmete dem Landtransport zwischen China und Europa vor zwei Wochen eine ganze Seite. Der Anlass: Chongqing, eine der boomenden Millionenstädte im Südwesten mit inzwischen 32 Millionen Einwohnern, ist über eine neue Eisenbahntrasse an die alte Seidenstraße angeschlossen worden.

Die Seidenstraße, eigentlich ein Geflecht von Karawanenwegen zwischen China und Europa, geht einer chinesischen Legende nach zurück auf den Herrscher Wudi aus der Han-Dynastie, der von 156 bis 87 vor unserer Zeitrechnung lebte. Wudi soll seine Landsleute aufgefordert haben, nach Westen zu blicken: Dort gebe es Menschen, die großen Wert auf die kostbaren Produkte Chinas legten. Also machten die Kaufleute sich auf den Weg, beladen mit Seide, Häuten, Tee und Gewürzen.

Mit der Entwicklung der Schifffahrt verlor die Landverbindung an Bedeutung. Aber jetzt wächst das Interesse, den alten Handelsweg per Schiene wiederzubeleben. "Bisher wurden Billigwaren vor allem über Shenzhen per Schiff nach Europa transportiert und hochwertige Produkte als Luftfracht. Wir haben begonnen, die Landbrücke als Alternative zu entwickeln", sagt der Direktor der Handelskammer von Chongqing gegenüber "China Daily". Der größte Vorteil der Landverbindung: Mit der Bahn sind die Waren 16 bis 20 Tage unterwegs – nur halb so lange wie auf dem Schiff. Der größte Nachteil bisher ist der Preis: Auf ein Frachtschiff passen bis zu 18000 Standardcontainereinheiten (TEU), auf einen Zug maximal 100 der 40-Fuß-Container. Da können die Preise der Bahn trotz wieder steiger Frachtraten der Reeder nicht mithalten. Das dürfte sich aber mit wachsendem Volumen des Schienentransports ändern.

In Chongqing jedenfalls setzt man auf die Landbrücke, die über Moskau und Duisburg bis nach Rotterdam und Antwerpen führt und auf ihren Weg sechs Nationen und über 30 Regionen anschließt. Allerdings muss der Zug auf der längsten Bahnstrecke der Welt zweimal auf eine andere Spurbreite umgesetzt werden, weil in Weißrussland, Russland, der Mongolei und Kasachstan auf Breitspur gefahren wird. China hat die gleiche Spurbreite wie Europa. Extreme Klimazonen sind zu überwinden, es gibt unterschiedliche Stromsysteme und Zollvorschriften.

Der Erfolg der Landbrücke hängt entscheidend davon ab, ob es gelingt, diese unterschiedlichen technischen und organisatorischen Systeme besser zu koordinieren. Darauf hofft auch die BLG: "Unser russischer Partner Fesco würde sofort Waggons für Autozüge zur Verfügung stellen, wenn wir ausreichend Ladung garantieren könnten", sagt Sprecher Hoetzel. Was noch fehlt, ist der politische Wille, das chinesische Bahnnetz stärker für den Güterverkehr zu öffnen und auszubauen. Eine nächste Gelegenheit, das zu thematisieren, wäre der nächste Besuch von Kanzlerin Merkel in China, der für den Herbst geplant ist, sowie das nächste deutsch-chinesische Verkehrsforum in Berlin.

Morgen lesen Sie: Deutscher Mittelstand trifft in China auf eine wachsende Mittelschicht.

Der Traum von der Seidenstraße

Wachstumschancen in Fernost, Teil 2: Die alte Landbrücke zwischen China und Europa soll wiederbelebt werden

Zitat:

"Wir sehen großes Potenzial für den Warenaustausch über die Landbrücke."

Jens Nölden, DB Schenker

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