Niedrige Frachtraten, hohe Kosten, große Finanzierungsprobleme – viele deutsche Reeder kämpfen längst ums Überleben. Auf schnelle Hilfe können sie nicht hoffen.
Bremen. Wenn Hans-Joachim Otto, der Maritime Koordinator der Bundesregierung, die Schifffahrtsbranche zum Krisengipfel einlädt, sind die Erwartungen nicht allzu hoch. Denn schon in der Vergangenheit kam bei solchen Gelegenheiten nicht viel dabei heraus – egal, ob es um die Bekämpfung der Piraterie oder Erleichterungen für die deutsche Flagge ging. Und so war es auch am Donnerstagabend, als es nach dem angekündigten Ausstieg der Commerzbank um alternative Finanzierungsmöglichkeiten gehen sollte. Mit konkreten Hilfen können die deutschen Reeder, allesamt in höchster Not, vorerst nicht rechnen.
Die Commerzbank hatte sich mit der Übernahme der Dresdner Bank und der Deutschen Schiffsbank zum weltweit zweitgrößten Schiffsfinanzierer aufgeschwungen. Das Portfolio ist 20 Milliarden Euro schwer. Noch vor Monatsfrist hatten die Bankmanager versichert, der Branche treu bleiben zu wollen. Umso überraschender kam die plötzliche Kehrtwende.
Anders als die schon zu Beginn der allgemeinen Finanzkrise in Schwierigkeiten geratene HSH Nordbank will die Commerzbank allerdings ihre Kredite nicht in eine sogenannte Bad Bank überführen, sondern vertragsgerecht bis zum Ende der Laufzeit abbauen. Ein kleiner Trost. "Von einer Bank, die mit Steuermilliarden gerettet werden musste, darf man auch erwarten, dass sie die deutschen Reeder nicht im Regen stehen lässt", sagte Thorsten Mackenthun, Chef der Reederei Hanseatic Lloyd und Vorsitzer des Bremer Rhedervereins, beim zeitgleich zum Krisengipfel abgehaltenen "Bremer Rhederabend".
Die Schifffahrt befindet sich das vierte Jahr in Folge in der Krise. Die Hoffnung auf einen schnellen Aufschwung ist nach einer kurzen Erholungsphase im ersten Halbjahr 2011 verpufft. Stattdessen, so Mackenthun, sei der befürchtete "double dip", der erneute Konjunkturrückschlag, eingetreten. Viel zu niedrigen Frachtraten stehen in der Schifffahrt zudem eine steigende Transportkapazität und hohe Treibstoffkosten gegenüber. "Die Substanz ist bei vielen Schiffen längst aufgezehrt", sagte Mackenthun. Ohne weitere Kredite könnten sich angeschlagene Reeder daher kaum noch über Wasser halten. Doch die sind kaum noch zu haben, nicht einmal mehr sogenannte Betriebsmittelkredite, um ein Schiff in Fahrt zu halten.
Der Verband Deutscher Reeder hatte vor dem Treffen mit Otto Vorschläge gemacht, um der Finanzmisere zu entkommen. So könne die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau bei bestehenden Krediten einspringen, die Auflagen für Landesbanken müssten gelockert und die Bewertung der Schiffe an die veränderten Marktbedingungen angepasst werden. "Es geht nicht um Subventionen, sondern darum, Zeit zu gewinnen", hatte VDR-Chef Ralf Nagel gefordert. Und auch der Bremer Bundestagsabgeordnete Uwe Beckmeyer, "maritimer Koordinator" der SPD und Gast beim Rhederabend, appellierte an die Bundesregierung, sich nicht aus der Verantwortung zu ziehen. Vergebens.
Die am Treffen beteiligten Banken winkten ab. Staatliche Finanzierungsprogramme seien keine Lösung für die aktuellen Probleme, hieß es am Ende. Vielmehr komme es jetzt darauf an, dass "erforderliche Strukturanpassungen in der deutschen Schifffahrt umgesetzt werden". Der Reederverband reagierte gestern enttäuscht. Den Banken sei bei deren Um- und Neustrukturierungen massiv von der öffentlichen Seite geholfen worden. "Warum soll das für die mittelständisch geprägte, erfolgreiche Schifffahrtsbranche in Deutschland nicht gelten?", fragt Nagel. Die Unternehmen erwarteten von der Bundesregierung eine ergebnisorientierte Diskussion und eigene Vorschläge zur Krisenbewältigung. Es gehe schließlich um eine für die deutsche Volkswirtschaft und die Exportnation Bundesrepublik strategisch wichtige Branche mit insgesamt 400000 Arbeitsplätzen.
Auf die Bremer Reeder, die derzeit rund 400 Schiffe steuern, kommen dennoch vermutlich gravierende Einschnitte zu. "Die Schifffahrt wird sich irgendwann wieder erholen, aber sie wird sich in den nächsten zehn bis 20 Jahren auch grundlegend verändern", prophezeit Mackenthun. Laut einer Studie der Unternehmensberatung PWC steht eine Welle von Zusammenschlüssen bevor. Erste Beispiele einer Konsolidierung der Branche gibt es bereits. "Es geht jetzt für die Reedereien schlicht darum, wie sie überleben können", so Mackenthun.