Hamburg. Der angekündigte Ausstieg der Commerzbank aus der Schiffsfinanzierung betrifft längst nicht nur die deutschen Reeder. Auch die Zulieferindustrie fürchtet jetzt, zunehmend in Fernost aus dem Markt gedrängt zu werden. Denn wenn Schiffsneubauten künftig vermehrt von ausländischen Banken finanziert werden, könnten gerade staatlich gesteuerte Geldinstitute wie in China Auflagen erlassen und einen hohen Anteil an heimischer Technik verlangen. "Das wird heute schon praktiziert", sagt Christian Schliephack. Der Vize-Chef des Verbandes der Schiffbau-Zulieferindustrie im VDMA spricht dabei aus eigener Erfahrung.
Er steht an der Spitze des Zulieferers Reintjes aus Hameln, eines Getriebeherstellers mit rund 350 Mitarbeitern. "Wenn wir unsere Getriebe nach China ausführen wollen, müssen wir acht bis zehn Prozent Einfuhrzoll bezahlen", berichtet er. Chinesische Anbieter könnten ihre Produkte dagegen mit 15 bis 20 Prozent Gewinn verkaufen. "Diese Preislücke können wir unmöglich schließen", sagte Schliephack.
Noch sind deutsche Zulieferer die Nummer eins in der Welt. Nach der schmerzhaften Schiffbaukrise der Jahre 2009 und 2010 hat sich die Branche mit ihren 400 Unternehmen wieder halbwegs berappelt. Auftragseingang (plus sechs Prozent) und Umsätze (11,5 Milliarden Euro, plus vier Prozent) steigen wieder an. Die Branche erwartet auch in diesem Jahr eine "stabile" Geschäftsentwicklung. Die Exportquote liegt bei 70 Prozent, weil Spitzentechnologie "made in Germany" auch auf ausländischen Werften noch immer gefragt ist. Der europäische Markt dagegen schwächelt, der Verband bangt um große Auftraggeber in EU-Schuldenländern wie Griechenland, Italien oder Spanien. Dazu kommt der wachsende Konkurrenzdruck aus Asien.
China will, wie zuvor schon im Schiffbau, auch mit der Zulieferindustrie an die Weltspitze, andere Länder wie Korea würden mit "protektionistischen Eingriffen" ihre Firmen stützen. Brasilien fordere für alle Schiffe im Küstenverkehr, dass sie nicht nur die brasilianische Flagge führen, sondern auch im Land gebaut sein müssen.
Der Verband sei deshalb dabei, mit der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) neue Finanzierungsmodelle zu entwickeln – auch und gerade für Aufträge aus dem Ausland. 40 Prozent aller Bestellungen stammen laut VDMA-Geschäftsführer Jörg Mutschler heute schon aus Asien.
Im weltweiten Wettbewerb könnten deutsche Firmen künftig ihren Vorsprung nur halten, wenn sie weiter mit Innovationen aufwarten würden, hieß es gestern beim Verband. Wie zum Beispiel Reintjes, ein Unternehmen mit 72 Millionen Euro Jahresumsatz: Seit drei Jahren gebe es ein eigenes Forschungszentrum zur Entwicklung neuer Produkte wie Hybrid-Getriebe für Schiffe. Auch Getriebe für Windkraftanlagen sollen im Werk in Hameln entwickelt und produziert werden. "Wenn sich der Preisdruck weiter verschärft, müssen wir uns langfristig überlegen, ob wir künftig noch alles in Deutschland produzieren können."
Während der Handelsschiffbau weiter darbt und sich auch in den kommenden zwei, drei Jahren kaum erholen dürfte, setzt die Branche auf neue Märkte und auf neue Geschäftsfelder. Die größten Chancen sieht sie in der wachsenden Offshore-Industrie (Öl und Gas), wo sich die Investitionssumme für neue Schiffe in den nächsten zehn Jahren von 40 auf etwa 80 Millionen Dollar verdoppeln soll. "Wenn es mit Offshore-Windparks vor der deutschen Küste endlich losgehen sollte, würde uns das auch helfen", sagt Schliephack.