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Probleme der Schifffahrt „Deutsches Kapital ist rar geworden“

Ralf Nagel, Geschäftsführer vom Verband Deutscher Reeder, über die schwierige Suche nach Investoren, die Lage der Branche und die Kreativität der Unternehmer.
01.02.2019, 06:00 Uhr
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„Deutsches Kapital ist rar geworden“
Von Peter Hanuschke

Sie sind als Verband dicht an den Unternehmen dran. Wie ist die Stimmung unter den Reedern? Hängt das in erster Linie davon ab, in welchem Segment sie tätig sind?

Ralf Nagel: Die Stimmung ist sehr unterschiedlich. Die Schifffahrtsunternehmen insgesamt wenden viel Kreativität und Kraft auf, um sich an die verändernden Bedingungen anzupassen, insbesondere an die Tatsache, dass deutsches Eigenkapital und deutsches Fremdkapital sehr rar für die Schifffahrt geworden sind. Das bedeutet, dass man sich als Unternehmen interessant für andere Geldgeber machen muss.

Was heißt das konkret?

Es beinhaltet neue Unternehmensstrukturen, neue Berichtswege, um dadurch sehr deutlich machen zu können, in welchen Bereichen das Geld verdient wird und die Wertschöpfung stattfindet. Zudem sind unsere Unternehmen auch stark damit beschäftigt, wie sie sich an die neuen Regularien für Klima- und Umweltschutz anpassen können. Man sieht das von außen vielleicht gar nicht, aber es wird dafür viel Kraft aufgewendet, die aber auch bei etlichen Unternehmen trotz der jahrelangen Krise in vielen Bereichen noch vorhanden ist.

Was macht Sie optimistisch, dass die deutsche Handelsschifffahrt weiterhin im globalen Wettbewerb bestehen kann?

Die deutsche Handelsschifffahrt muss wie andere Nationen seit gut zehn Jahren in ganz schwierigem Wasser navigieren. Es gibt in Deutschland nach wie vor eine hohe Zahl an Unternehmen – zwar weniger als früher, aber immerhin –, die das beherrschen. In diesem Zusammenhang gab es auch erfolgreiche Konsolidierungen und erfolgreiche Geschäftsmodelländerungen, also weg vom reinen Owner-Ship hin zum Shipping-Management, um nur ein Beispiel zu nennen. All das schöpft immer noch aus einem großen Fundus maritimen Know-hows, was eben nicht nur heißt, Schiffe technisch-nautisch zu beherrschen, sondern auch kommerziell die Befrachtung zu managen. Das gleiche gilt für die rechtliche Seite, die sehr facettenreich und komplex und je nach Land sehr unterschiedlich ist. Allerdings ist es am Ende wichtig, genügend Geld für Investitionen in neue, wettbewerbsfähige Schiffe übrigzuhaben. Und da ist Deutschland, wie man in den Orderbüchern sehen kann, im Moment nicht vorne.

Wird sich Letzteres in absehbarer Zeit ändern?

Prognosen in der Schifffahrt abzugeben, das haben wir in den vergangenen Jahren gesehen, ist besonders schwer. Was wir sehen, ist, dass gerade im Bereich Spezialschifffahrt, beispielsweise Gas-, Chemikalien- oder Tankerschifffahrt, Unternehmen durchaus erfolgreich unterwegs sind. Es wird sich insgesamt auch wieder verbessern, allerdings setzt das auch voraus, dass man in der Lage ist, Investoren davon zu überzeugen. Da ist einmal das Unternehmen wichtig, aber auch der Standort. Internationale Investoren vergleichen global. Insofern muss man da sehr klar darlegen, wo der Vorteil liegt, dass die Dienstleistung Ship-Management aus Hamburg, Bremen, Haren oder Leer angeboten und umgesetzt wird.

Ist der Mittelstand gut genug aufgestellt, internationale Investoren zu überzeugen?

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang nicht automatisch die Größe, sondern die Unternehmensstruktur. Es haben sich da auch einige kleinere Unternehmen zusammengeschlossen, um so leichter an Fonds etwa in den USA heranzukommen. Es hängt auch davon ab, wie das einzelne Schiff auf den Markt gebracht werden soll und wo es nachweislich Renditen geben wird. Das muss man als Unternehmen strukturiert darlegen können. Das geht manchmal auch besser, wenn es zusammen mit mehreren Unternehmen gemacht wird. Anders als in der Boom-Zeit wird sehr genau hingeguckt. Aber wenn das Konzept überzeugend ist, findet es auch Kapitalgeber. Das ist aber in der Breite noch nicht so angekommen, um den Rückgang an Schiffen zu kompensieren. Das wird sich ändern, kann aber noch dauern.

Also wird die deutsche Flotte zunächst noch weiter schrumpfen?

Die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass die Flotte zunächst weiter abnehmen wird, als das sie schon sehr bald wieder zunehmen wird.

Muss man sich um den Schifffahrtsstandort Deutschland Sorgen machen?

Ja, man muss sich Sorgen machen. Aber jede Krise kann auch Chancen bieten. Das heißt, es passiert viel am Markt. Es gibt Konsolidierung, es gibt innovative Ideen, und es gibt neue Akteure. Insofern müssen wir als Schifffahrtsstandort der Sorge so begegnen, dass wir die Sicht der internationalen Geldgeber auf ihn annehmen und auf diese Weise unseren Standort betrachten, um zu sehen, wo sind wir stark sind, Stichwort maritimes Know-how, und wo nicht so stark, eventuell beim Steuersystem. Mindestens beim europäischen Vergleich kommt so etwas zum Tragen.

Haben Sie ein Beispiel, das zeigt, dass der Standort Deutschland im Nachteil gegenüber anderen europäischen Schifffahrtsnationen ist?

In Dänemark gibt es beispielsweise keine Registergebühren, also quasi die Grundbuchgebühren fürs Eintragen des Schiffes. Diese Gebühren sind in Deutschland in den vergangenen Jahren erheblich erhöht worden, ohne dass der Service besser geworden wäre. Jemand, der ein Schifffahrtinvestment tätigen möchte, macht eine Gesamtrechnung auf, in die solche Dinge wie Steuern oder maritimes Know-how einfließen und ausgewertet werden. Und das Ergebnis entscheidet darüber, in welches Unternehmen an welchem Standort investiert werden soll.

Was muss sich für bessere Wettbewerbsbedingungen ändern?

Wir müssen uns als Branche zusammen mit Politik diese Gesamtrechnung für Investoren vor Augen führen und gucken, wo wir als Standort Nachholbedarf gegenüber anderen Schifffahrtsnationen haben. Wir verlieren im Bereich Owner-Ship – die Flotte, die 2012 über 3500 Schiffe groß war, hat sich in den vergangenen Jahren um 1400 Schiffe verringert. Aber im Bereich Ship-Management stellen sich deutsche Unternehmen einem harten Wettbewerb, das bedarf veränderter Rahmenbedingungen, um erfolgreich agieren zu können. Und das verändert auch die Strukturen in den Unternehmen. Man muss sich Sorgen machen, aber es steckt noch genug Vitalität in der deutschen Handelsschifffahrt, da erfolgreich durchzukommen. Die Unternehmen werden hinterher anders aussehen, aber immer noch dabei sein.

Welche drei Wünsche haben Sie?

Ich wünsche mir ein klares politisches Bekenntnis: Ja, wir wollen die Fähigkeit erhalten, Schiffe technisch-nautisch, umweltverträglich, rechtlich und sozial von Deutschland aus zu betreiben. Daraus abgeleitet der zweite Wunsch: Lasst uns bitte gucken, was sich international im Hinblick auf die Finanzierung unserer Flotte verändert hat. Und was heißt das für unseren Standort und wie können wir darauf gemeinsam reagieren? Der dritte Wunsch wäre, dass Länder und der Bund im Rahmen ihrer Möglichkeiten mithelfen, dass wir weiter ein handlungsfähiges Finanzinstitut haben, das sinnvolle Schiffsinvestitionen mit Fremdkapital versorgt.

Das Gespräch führte Peter Hanuschke.

Zur Person

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Ralf Nagel

Jahrgang 1959, ist seit Anfang 2010 Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder in Hamburg. Zuvor war er rund zweieinhalb Jahre lang Wirtschafts- und Häfensenator in Bremen.

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