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Außenwirtschaftstag in Bremen "Die Amerikaner handeln widersprüchlich"

Der stellvertretende Generaldirektor der Welthandelsorganisation WTO, Karl Brauner, spricht im Interview vom Opportunismus der USA: Nur wo ihnen die WTO nützt, berufen sich die Amerikaner auf sie.
18.04.2018, 20:32 Uhr
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Von Florian Schwiegershausen

Herr Dr. Brauner, die aktuelle Gemengelage ist ja gerade die eines drohenden Handelskriegs – inwiefern ist diese momentane Situation Fluch oder Segen für die Welthandelsorganisation WTO?

Karl Brauner: In allererster Linie ist das ein Fluch für die WTO. Nun sagen die Chinesen als eine Art Weisheit, dass in jeder Krise eine Chance stecke. Wir im Westen haben uns diese Weisheit so zu eigen gemacht, dass wir sagen, man solle gute Krisen nicht vergeuden. Aber ich glaube, dass das, was wir gerade erleben, hauptsächlich ein Fluch ist. Denn hier verabschiedet sich gerade ein großer Player von der Einhaltung der Regeln. Das finde ich sehr dramatisch.

US-Präsident Trump macht ja gerade den Eindruck, als ob ihm die WTO als Institution relativ egal ist. Aber wie sieht es in den politischen Ebenen darunter aus. Inwiefern stehen die weiter in engem Austausch mit der WTO?

Die Amerikaner verhalten sich gerade sehr widersprüchlich und komplex. Auf der einen Seite ist das so: Als die Amerikaner die Schutzmaßnahmen erlassen haben gegen Solarpaneele und Waschmaschinen aus China, haben sie sich dabei noch auf WTO-Recht berufen. Danach kam der nächste Schritt mit Stahl und Aluminium. Da haben sie gesagt, dass sie das aus Gründen der nationalen Sicherheit machen würden. Im WTO-Recht gibt es dazu eine Passage, die solch ein Handeln aus Gründen der nationalen Sicherheit erlaubt.

Dann haben sie im nächsten Schritt die Zölle in Höhe von 25 Prozent angedroht auf ein Volumen von erst 50 Milliarden US-Dollar chinesischer Waren, dann 100 und nun 150 Milliarden US-Dollar. Hier ist dann überhaupt keine Berufung mehr auf WTO-Recht vorhanden. Es findet eine völlige Verabschiedung aus dem Rahmen statt, der erlaubt ist. Das ist schon eine Steigerung, bei der man sagen kann: Präsident Trump ist es egal, was mit der WTO läuft.

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Und auf der anderen Seite?

Auf der anderen Seite nutzen die USA weiterhin die Gerichtsbarkeit der WTO. So hat man eine Klage gegen China eingereicht. Das zeigt, dass man das System weiternutzt. Ebenso arbeiten die Amerikaner weiterhin in den Gremien mit. Es ist also momentan eher eine Auswahl. Dort, wo die WTO als nützlich erscheint, nutzt man sie. Und dort, wo man sich durch sie behindert fühlt, lässt man sie links liegen.

Derzeit sieht es ja aber eher nach einem Handelskrieg zwischen den USA und China aus – wie sollte sich Deutschland in dieser Situation am besten verhalten?

Die Amerikaner werfen den Chinesen ja Technologie-Klau vor. Dabei gehen die Amerikaner sehr radikal und außerhalb des WTO-Rechts vor. Und die Europäer erwägen ja, wegen dieses Diebstahls geistigen Eigentums auch tätig zu werden – hier allerdings im Rahmen der Verfahren, die die WTO bereithält. Da kann Deutschland nun nicht allein vorgehen, weil die Handelspolitik bei der EU verortet ist. Und so, wie sich Deutschland mit seiner Stimme in der EU einbringt, habe ich den Eindruck, dass man sich vernünftig besonnen verhält. Die EU verhält sich also WTO-konform, während die Amerikaner ihre eigenen Wege gehen.

Wo könnte die EU Ihrer Meinung nach Zugeständnisse machen bei den Importzöllen, weil da doch ein wahrnehmbarer Unterschied ist gegenüber den Importzöllen in den USA?

Nehmen wir das Beispiel mit den Autos: Trump hat angeführt, dass die EU bei Autos Einfuhrzölle in Höhe von zehn Prozent verlangen, während die USA hier 2,5 Prozent verlangen. Viele Leute in Europa können in diesem Punkt der Argumentation folgen, dass das ungerecht sei. Aber man darf hier nicht allein die Importzölle für Autos betrachten. Denn als die Amerikaner die WTO mitgegründet haben, haben sie für jede Zolllinie – es gibt mehr als 6000 – einen Zoll festgelegt. Und da gibt es dann andere Zolllinien, die bei den Amerikanern wesentlich höher liegen als die der Europäer.

Nehmen Sie da beispielsweise Glas oder Keramik. Dort sind die Zölle der Amerikaner wesentlich höher als die der Europäer. Man darf hier also nicht das einzelne Produkt betrachten, sondern den gesamten Warenkorb. Bei dem haben die Länder einzelne Produkte unterschiedlich belegt – eben im Gesamtpaket ihrer Interessen. Hier zu sagen, dass bei allen Produkten die Importzölle gleich hoch sein müssen, ist wirtschaftlich nicht vernünftig beurteilt. US-Präsident Trump trifft also eine Auswahl nach seinem Gutdünken.

Wer innerhalb der EU hat Ihrer Meinung nach die besten Chancen, um bei diesem Handelsstreit vermittelnd auf die USA einwirken zu können?

Natürlich ist das zuerst Job der EU-Kommission. Aber gleichzeitig sind die großen EU-Mitgliedstaaten auch wichtige Gesprächspartner für die USA. Ich glaube schon, dass Deutschland dabei eine starke Rolle hat. Bundeswirtschaftsminister Altmaier war ja in Washington, und ich habe den Eindruck, dass er dort mit Stimme und Gewicht gearbeitet hat.

Im direkten Gespräch mit Donald Trump – ist da ihrer Meinung nach jemand mit politischem Geschick gefragt oder ein Experte auf dem Feld des Manchesterkapitalismus?

Diese Frage kann ich so aus der Distanz nicht beantworten. Die Öffentlichkeit nimmt Herrn Trump ja vor allem durch seine Tweets war.

Die Fragen stellte Florian Schwiegershausen.

Zur Person

Dr. Karl Brauner (65) ist seit 2013 stellvertretender Generaldirektor der Welthandelsorganisation WTO und zuständig für Recht sowie für Finanzen und Personalentwicklung. Zuvor arbeitete der Jurist zwölf Jahre in der Außenwirtschaftsabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums. Geboren ist er in Brandenburg und aufgewachsen in Gummersbach.

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