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Bremer Landesbankchef Kaulvers im WESER-KURIER Interview Die EU muss professioneller werden

Bremen. Euro-Skeptiker gibt es viele. Der Chef der Bremer Landesbank, Stephan-Andreas Kaulvers, gehört nicht dazu. Die Deutschen müssten zwar für die Stabilisierung des Euros zahlen, profitierten aber durch ihre Exportorientierung besonders stark davon, sagt Kaulvers.
08.02.2011, 05:00 Uhr
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Von Annemarie Struß-von Poellnitz

Bremen. Euro-Skeptiker gibt es viele. Der Chef der Bremer Landesbank, Stephan-Andreas Kaulvers, gehört nicht dazu. Die Deutschen müssten zwar für die Stabilisierung des Euros zahlen, profitierten aber durch ihre Exportorientierung besonders stark davon, sagt Kaulvers. Maßnahmen zu einer stärkeren Abstimmung, wie von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy gefordert, hält er aber für unabdingbar, sagt er im Gespräch mit dem WESER-KURIER.

Die Gewinne der internationalen Großbanken steigen, es werden wieder Milliarden an Boni ausgeschüttet. Auf der anderen Seite wächst die Staatsverschuldung. Da stimmt doch etwas nicht, oder?

Stephan-Andreas Kaulvers:Das sind nicht nur die internationalen Großbanken, das sind insgesamt die Investmentbanken. In New York werden 136 Milliarden Dollar an Boni ausgeschüttet. Ich sehe das mit großer Sorge. Die internationalen Investmentmodelle arbeiten auf hohe Bonuszahlungen hin und suchen den schnellen Erfolg. Genau dieses schnelle Geschäft mit hohen Volatilitäten sollte als Folge der Finanzmarktkrise eigentlich zurückgedrängt werden, zugunsten eines langfristigen Geschäfts. Das scheint in den USA nicht zu greifen.

Die Verschuldungskrise in Europa ist längst nicht überstanden. Der Beitrag, den Deutschland zur Verbesserung des EU-Rettungsschirms zahlen soll, verdoppelt sich. Damit steigt aber auch die Staatsverschuldung. Eine Spirale ohne Ende?

Man muss sich zunächst die Ursachen für die Staatsverschuldung ansehen. Gerade in den Jahren 2009, 2010 ist die Staatsverschuldung durch Interventionen, durch Rettungsversuche, vor allem der Bankensysteme, enorm explodiert. Gleichzeitig haben wir einen erheblichen konjunkturellen Einbruch gehabt. Auch das hat Stützungsmaßnahmen der Staaten, etwa in Form von Konjunkturpaketen, ausgelöst. Aber das sind temporäre Aspekte. Um die würde ich mir keine so großen Sorgen machen, weil diese Maßnahmen automatisch auslaufen. Sorgen macht eher die strukturelle Staatsverschuldung. Wir haben auch in Deutschland eine relativ hohe strukturelle Staatsverschuldung: Wir geben sehr viel für Transferleistungen aus, haben aber ein gut organisiertes Steueraufkommen dagegenzusetzen. Das sichert uns eine relativ gesunde Staatsfinanzierung. Das ist nicht überall der Fall. Da sind wir beim Thema Geschäftsmodelle.

Und die stimmen in einigen EU-Staaten nicht?

Die sollten in der EU harmonisiert werden, in Form von Mindeststandards. Es kann nicht angehen, dass einzelne Staaten durch marginale Steuersätze Geschäft aus anderen EU-Ländern abziehen und Steuerwettbewerb betreiben, wie Irland zum Beispiel.

Das Maßnahmenpaket, das Angela Merkel und Nicolas Sarkozy auf dem jüngsten EU-Gipfel vorgelegt haben, sieht solche Mindeststandards vor, wenn auch nicht verpflichtend. Ist das ein Schritt in die richtige Richtung?

In jedem Fall. Ich hoffe, dass es dafür eine breite Zustimmung gibt. Wir haben in der letzten Zeit erhebliche Probleme mit dem Euro gehabt, nicht weil einzelne Staaten hoch verschuldet sind. Die Wirtschaftsleistung von Griechenland macht lediglich drei Prozent des gesamten Euroraumes aus. Aber aus den 17 Euroländer landeten in der Presse 34 ungefragte Meinungen. Das erhöht nicht gerade die Glaubwürdigkeit des Euros. Jetzt kommt man nach einem Jahr Diskussion endlich dazu, über eine Vereinheitlichung der Geschäftsmodelle nachzudenken. Sehr sinnvoll finde ich die Vorschläge zur einheitlichen Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer sowie eine Vereinheitlichung der Rentensysteme mit einer Angleichung des Renteneintrittsalters.

Aber wären damit die Probleme gelöst? Kann man sich vorstellen, dass ein Land wie Griechenland jemals von diesem enormen Schuldenberg herunterkommt?

Das wird für die Griechen sehr schwer werden, aber sie haben schon enorm viel geschafft. Sie liegen über dem Plan. Ein Problem bleibt der hohe Anteil an Schattenwirtschaft. Das geht am Staat völlig vorbei. Wichtig ist deshalb zunächst ein vernünftiges Steuersystem.

Durch die Stärke Deutschlands ist das Ungleichgewicht in der EU sehr groß. Es hat in den letzten Wochen Befürchtungen gegeben, das könne zu einer Spaltung in einen Nord- und einen Südstaatenbund führen. Sehen Sie diese Gefahr auch?

Die Gefahr wäre dann gegeben, wenn diese unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Staaten weiter so betrieben würden wie in der Vergangenheit. Aber die EU ist auf dem Weg, das zu verhindern. Eine Spaltung der Euro-Zone bringt nichts.

Was wäre, wenn große Länder wie Spanien oder Italien auch unter den Rettungsschirm müssten?

Wenn man Rettungsschirme organisiert und 80 Prozent der Beteiligten darunter wollen, sprengt das alles. Ich halte das aber nicht für wahrscheinlich. Spanien hat enorme Fortschritte gemacht und strukturiert seinen Banken- und Sparkassensektor sehr zielgerichtet um.

Trotzdem wird das mit einer gewissen Begeisterung als Horrorszenario diskutiert. Wie viel Spekulation steckt dahinter?

Das ist schwer einzuschätzen. Aber sicherlich steckt auch Spekulation dahinter. An schwankenden Zinsspannen verdienen genau die kurzfristig orientierten Investoren, über die wir schon gesprochen haben. Die Investoren insgesamt haben aber registriert, dass die Probleme in diesen Staaten zu lösen sind. In dem Maße, in dem das Vertrauen wächst, dass die Probleme angepackt werden, sinken die Kreditzinsen wieder. Ich setze sehr auf den EU-Gipfel im März. Wenn von dort klare Signale ausgehen, wird sich die Lage entspannen.

Wer kauft eigentlich Staatsanleihen?

Zunächst einmal die EZB. Dann institutionelle Investoren wie Versicherungen, Pensionskassen, zum Teil auch Banken - vor allem die Banken, die sehr stark im Staatsfinanzierungsgeschäft engagiert sind, zum Beispiel Hypothekenbanken. Wenn man über die Beteiligung privater Gläubiger an den Restrukturierungskosten der Schuldenstaaten spricht, muss man wissen, was man tut. Das würde zunächst die EZB treffen, und dann all diejenigen, die investiert haben. Bei einem sogenannten Haircut würden all diese Investoren massiv Geld verlieren. Das löst das Problem nicht, das schafft ein neues. Nehmen wir Irland: Dort wird im Wahlkampf genau darüber nachgedacht. Das führt dazu, dass innerhalb eines Monats 40 Milliarden Euro von den irischen Banken abgezogen wurden.

Wenn es diese Möglichkeit nicht gibt, müssen die betroffenen Staaten einen immer größeren Teil ihres Etats einsetzen, nur um ihren Schuldendienst zu bedienen. Wie soll das auf Dauer gehen?

Das ist wie bei privaten Schuldnern auch.

Die haben aber die Möglichkeit der Insolvenz und können nach ein paar harten Jahren wieder neu anfangen. Diese Möglichkeiten gibt es in den Maastricht-Kriterien bisher nicht.

Mit gutem Grund. Wenn ich als Investor ständig mit der Möglichkeit konfrontiert werde, dass der Staat, dem ich Geld leihe, sich auf meine Kosten entschulden könnte, würde die Kreditwürdigkeit eines solchen Staates massiv herabgesetzt. Die Konsequenz wären höhere Zinsen und höhere Risikoaufschläge und schließlich noch größere Finanzierungsschwierigkeiten innerhalb eines Staates. Das ist keine Option.

Aber so wie es jetzt läuft, wälzen die Investoren jegliches Risiko auf die Staatengemeinschaft ab. Sie nehmen die hohen Zinsen gern mit, das Ausfallrisiko tragen die Staaten.

Der normale Kapitalmarktzins für Staatsanleihen schwankt zwischen drei und sechs Prozent. Zurzeit bilden sich natürlich auch spekulative Blasen. Wenn ich heute eine griechische Anleihe kaufe, kann ich locker eine Verzinsung von zehn Prozent erreichen. Das halte ich für Spekulation.

Sollte man diesen rein spekulativen Handel unterbinden?

Das ist in der Realität unheimlich schwer voneinander zu trennen. Das gilt vor allem für Derivate, die Credit Default Swaps (CDS, Kreditausfallversicherungen, d. Red.), auf diese Staaten. Natürlich ist Spekulation und damit Gewinn durch das Leid der Betroffenen moralisch verwerflich. Aber das lässt sich kaum herausfiltern.

Macht es Sinn, Leerverkäufe zu verbieten? Dann dürfte nur der CDS kaufen, der auch tatsächlich Staatsanleihen besitzt.

Das ist eine Möglichkeit, denn Leerverkäufe sind in der Regel rein spekulativ bedingt. Aber das muss weltweit geschehen, sonst werden sie eben über NewYork abgewickelt.

Wird es die EU in zehn Jahren noch in dieser Form geben?

Ich glaube schon, dass es die EU in zehn Jahren noch gibt. In dieser Form hoffentlich nicht mehr. Ich hoffe, dass wir bis dahin deutlich professioneller werden.

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