Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Weil Neubauten so teuer sind, werden deutsche Binnenschiffe trotz ihres Alters ständig modernisiert „Die fährt schon seit 1868“

„Die fährt schon seit 1868“
11.06.2012, 13:27 Uhr
Zur Merkliste
Von Jens Albers

Mainz (wk). Wie alt die Fähre von Boppard am Rhein ist? Geschäftsführer Tony Deleu lacht. „Die fährt schon seit 1868“, erklärt er. Oft modernisiert, quert das Schiffchen, auf das nur zehn Autos passen, auch nach 144 Jahren noch Tag für Tag den Rhein. „Viele Touristen finden das schön“, sagt Deleu. Er greift nach einem Kanister – und befüllt mit einer Hand den Dieseltank.

Die Bopparder Fähre illustriert auf extreme Weise, wie betagt die Schiffsflotte auf Deutschlands Binnengewässern ist. Der Altersdurchschnitt liegt nach Auskunft der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes bei fast 44 Jahren, Fahrgastschiffe nicht mitgerechnet. Zahlreiche Schiffe stammen noch aus Vorkriegszeiten. Bei Autos auf deutschen Straßen beträgt der Altersdurchschnitt nur gut acht Jahre.

Vergleichsweise jung mit gut 28 Jahren ist die Flotte der Tankmotorschiffe. Dafür bringen es die sogenannten Trockengüterschiffe, die nicht flüssige Fracht befördern, auf durchschnittlich fast 52 Jahre. Das „Bereisungsschiff“ der Bundesregierung für Staatsgäste, das im Rheinhafen von Bingen beheimatet ist, stammt gar aus den 1940er-Jahren. Binnenschiffe gelten als besonders langlebig – ihre Belastung ist niedriger als die der Seeschiffe im salzigen Meerwasser mit höheren Wellen.

Der Leiter der bundesweit zuständigen Zentralstelle Schiffsuntersuchungskommission/Schiffseichamt in Mainz, Steffan Bölker, versichert: „Die Schiffe der Binnengewässer werden ständig erneuert. Wie beim TÜV für Autos kontrollieren wir regelmäßig ihren Sicherheitsstandard.“ Fahrgast- und Tankmotorschiffe sind alle fünf Jahre an der Reihe, Trockengüterschiffe spätestens alle zehn. Bölkers Mitarbeiter Christoph-Alexander Wernicke ergänzt: „Die Schiffe werden verlängert und vergrößert. Sie bekommen neue Maschinen, Radaranlagen, Steuerhäuser und Wohneinheiten.“

Ein neues Tankmotorschiff schlägt laut dem Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt mit 3,5 bis 4,5 Millionen Euro zu Buche. Ein Trockengüterschiff kostet zwei bis 2,5 Millionen Euro und ein neues Fahrgastschiff zwei bis vier Millionen Euro. Aber auch die Modernisierung kann teuer sein. „Eine Neumotorisierung kostet oft um die 500000 Euro“, erläutert der Verwaltungsleiter des Verbands, Manfred Kamphaus.

Fast 5000 Schiffe zählt die deutsche Binnenflotte. Bölker sagt: „Insgesamt sinkt ihre Zahl, aber sie werden größer, um bei gleicher Besatzung mehr transportieren zu können. Das rechnet sich besser.“ Für die Frachtflotte entstehen vor allem neue Tankmotorschiffe mit sichererer doppelter Wand. Sie befördern oft giftige und entzündbare Gefahrgüter. Sogenannte Einhüllenschiffe dürfen von 2019 an nur noch wenige Stoffe fahren – und werden deshalb oft zu Doppelhüllenschiffen umgebaut.

Unbehagen bereitet Schiffseignern oft, dass für das Baujahr das älteste Teil maßgebend ist. Diplom-Ingenieur Christoph-Alexander Wernicke sagt: „Selbst wenn Sie Ihr Schiff komplett erneuert haben und nur noch der mittlere Frachtraum von 1951 ist, gilt dieses Jahr.“Auch die kleine Fähre von Boppard hat erst vor zwei Jahren einen anderen Motor bekommen. Dennoch stammen Teile von ihr immer noch aus einer Zeit, als das wilhelminische Kaiserreich noch gar nicht ausgerufen worden war.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!