Bremen. Die Bremer Reederei Beluga Shipping hat für ihre Tochtergesellschaft Beluga Chartering Insolvenz angemeldet. Damit ist das Kerngeschäft der Reederei betroffen. Ein Kommentar von WESER-KURIER Chefredakteur Lars Haider zur Beluga-Krise.
Nein, es ist keine gute Nachricht, wenn ein Unternehmen Insolvenz anmeldet. Aber es ist eben auch nicht automatisch der Anfang vom Ende: Manchmal hilft gerade ein Insolvenzverfahren einer Firma viel schneller aus der Krise, als sie es allein geschafft hätte. Diese Hoffnung besteht, und das ist nun tatsächlich eine gute Nachricht, auch bei der Bremer Reederei Beluga.
Wahrscheinlich weiß – außer Gründer Niels Stolberg – zum jetzigen Zeitpunkt niemand so genau, wie es dem weit verschachtelten Konzern geht. Die Vorwürfe der neuen Führung aus Amerika sind heftig, die Auseinandersetzungen mit Banken und Emissionshäusern scharf. Aber am allergrößten ist die Verwirrung rund um den – wie man jetzt wohl sagen muss: ehemaligen – Weltmarktführer.
Kann eine Reederei, die eben noch von vielen beneidet wurde, so schnell abstürzen? Oder ist sie nur zeitverzögert ein Opfer der Finanz- und Wirtschaftskrise geworden? Hat ein Unternehmer, der wie Niels Stolberg so viel Richtiges und dazu noch Gutes in den vergangenen Jahren getan hat, zum Schluss wirklich illegal gehandelt, um zu retten, was zu retten ist? Oder hatte er nur die Übersicht über seine vielen Aktivitäten verloren?
Oder, oder, oder...?
Es wird höchste Zeit, dass sich jemand um diesen Fall kümmert, der keine anderen Interessen hat als jene, so viel von der Beluga-Gruppe für Eigentümer, Mitarbeiter und Bremen zu retten, wie es nur geht. Am besten, und auch das ist bei einem Insolvenzverfahren nicht ausgeschlossen, alles. Ab sofort hat bei der Tochtergesellschaft, die sich um das Kerngeschäft der Reederei, also die Befrachtung der Schiffe kümmert, der Insolvenzverwalter das Sagen. Und das ist gut so.
Angesichts der verfahrenen Situation braucht es dringend eine unabhängige Instanz, jemanden, dem sich alle Beteiligten unterordnen und der gleichzeitig aller Interesse im Blick haben muss. Wenn es einen Fall gibt, für den das gar nicht so alte deutsche Insolvenzrecht wie gemacht erscheint, dann ist es der Fall der Beluga-Reederei.
Allerdings dürften die kommenden Tage und Wochen für Edgar Grönda, den neuen Verwalter der Tochtergesellschaft, nicht leicht werden. Denn viel Zeit kann und darf er sich für seinen neuen Job nicht nehmen, will er nicht riskieren, dass am Ende kaum noch etwas da ist, das er retten kann. Die Beluga-Flotte ist in kürzester Zeit gefährlich geschrumpft, und es dürfte nicht einfach sein, verunsicherte beziehungsweise enttäuschte Schiffsfinanzierer wieder zurückzuholen.
Dabei hat sich an der Einschätzung der wichtigsten Geschäftsfelder Belugas wenig verändert. Sie gelten als zukunftsfähig und versprechen vernünftige Renditen. Wenn man in das Unternehmen hineinhorcht, hört man sogar, dass die operativen Geschäfte gar nicht so schlecht laufen, wie man angesichts der bundesweiten Schlagzeilen den Eindruck hat.
Stimmt das? Hat Beluga eine Zukunft? Was hat der Firmengründer falsch gemacht? Oder ist er in eine Falle gelaufen? Auf diese Fragen, die Bremens Wirtschaft, Politik und viele Organisationen bewegen, die von Beluga in den vergangenen Jahren profitiert haben, wird es bald Antworten geben. Während Stolberg und sein Anwalt angesichts der laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gut daran tun, nichts zu sagen, kann und wird der Insolvenzverwalter klar Stellung nehmen und Auskünfte geben. Und das ist im Moment das alles Entscheidende.
lars.haider@weser-kurier.de