Die „Alexander von Humboldt“ kommt gut herum. Singapur, Spanien und Deutschland standen in den letzten Wochen auf dem Fahrplan des Containerriesen der französischen Reederei CMA CGM. Jetzt hat das Schiff im englischen Southampton festgemacht. Das ist es aber nicht, was den Megafrachter von der Masse abhebt. Passend zum Namensgeber soll das Schiff die klimafreundliche Zukunft erkunden. Dafür sticht es mit Biokraftstoff in See. Nach ersten Tests hat die CMA CMG „Zehntausende Tonnen“ Biokraftstoff bestellt, der aus altem Speiseöl gewonnen wird.
Die Ankündigung der viertgrößten Reederei der Welt fällt in eine Woche, in der sich die Schifffahrt viel vorgenommen hat, um im Streit um den Klimaschutz ein Ausrufezeichen zu setzen. Gerade erst hat der globale Dachverband der Reedereien, die einflussreiche International Chamber of Shipping (ICS), einen Fünf-Milliarden-Dollar-Plan für die Entwicklung und Einführung von CO2-freien Klimakraftstoffen vorgestellt.
500 Millionen Euro jährlich
Das Ziel ist spektakulär formuliert: Die globale Handelsschifffahrt, die 90 Prozent des Welthandels transportiert, solle der „erste treibhausgasfreie Verkehrsträger“ werden. Dafür wollen die Unternehmen im nächsten Jahrzehnt 500 Millionen Euro pro Jahr aufbringen für Forschung, Entwicklung und Marktdurchdringung.
„Wir brauchen eine technologische Revolution“, sagt Alfred Hartmann, Präsident des Verbands Deutscher Reeder (VDR), „diese wollen wir mit unserem Beitrag beschleunigen.“ Es geht etwa um Batterien, Brennstoffzellen, grünen Wasserstoff und andere mit Ökostrom erzeugte Kraftstoffe. Eine „nicht staatliche Entwicklungs- und Forschungsorganisation“, die zu dem Zweck aufgebaut wird, soll die Milliarden aus dem Reeder-Fonds verteilen.
Der Bremer Rhederverein ist in dieser globalen Frage genau der Meinung des VDR. „Hier ist es gelungen, dass die genannten internationalen Schifffahrtsorganisationen mit einer Stimme sprechen“, so Michael Vinnen, Vorsitzer des Bremer Rhedervereins. „Die Bremer Reeder haben durch ihre Tätigkeit im Verwaltungsrat des VDR diesen Prozess positiv begleitet.“ Wichtig sei, dass dieses von der Schifffahrt finanzierte Geld für öffentlich zugängige Forschung aufgewendet wird, die das Ziel haben, Treibstoffe zu entwickeln, die die Treibhausgas-Emissionen der Schifffahrt stark reduzieren.
Start des Milliardenfonds könnte erschwert werden
Auf die Kosten für jede Tonne Schiffskraftstoff, die weltweit getankt wird, kommt dem Plan zufolge noch mal ein Aufschlag von zwei Dollar. Das ließe sich Experten zufolge leicht umsetzen, weil schon jetzt die getankten Mengen an Behörden gemeldet werden. So einfach das Vorhaben klingt, so schwierig dürfte der Weg bis zum Start des Milliardenfonds werden. Denn den Rechtsrahmen muss die UN-Schifffahrtsorganisation Imo schaffen, in der die Unternehmen zwar erstaunlich viel mitreden, aber die Entscheidungen von den 174 Mitgliedstaaten getroffen werden. Länder wie Brasilien, USA und Saudi-Arabien stellen dort ihren Klima-Unwillen häufig offener zur Schau als bei den UN-Klimakonferenzen.
Nur ein Imo-Regelwerk stellt sicher, dass sich alle Reedereien an dem Fonds beteiligen, argumentiert der VDR. Freiwillig vorpreschen würden sonst nur finanzstarke Marktführer wie CMA CGM. Eine gleiche Belastung für alle soll fairen internationalen Wettbewerb sichern. „Der Vorschlag ist einfach, nachvollziehbar und erfüllbar, sodass wir hoffen, dass die Regierungen diesen mutigen Schritt unterstützen“, sagte ICS-Chairman Esben Poulsson.
Mit Blick auf die langsam mahlenden Mühlen der Imo hat der Weltverband ICS einen großzügigen Vorlauf bis zur Einrichtung des International Maritime Research and Development Fonds eingeplant. Im März soll das erste Mal darüber verhandelt werden, was aber nur der Auftakt ist. Vor 2023 werde die Sache wohl nicht in trockenen Tüchern sein.
Lob der Klimaschützer
Für den Plan eines Klimafonds gibt es sogar Lob von Klimaschützern. „Wir freuen uns, dass mittlerweile anscheinend klar geworden ist, dass es über Effizienz und Flüssiggas alleine nicht möglich sein wird, die Klimaziele zu erreichen“, sagte Sönke Diesener, Schifffahrtsexperte beim Naturschutzbund Deutschland.
Wenn es um die Umsetzung geht, fällt die Vorfreude verhaltener aus. „Allerdings sind wir skeptisch, wie die Idee auf Imo-Ebene umsetzbar ist“, sagt Diesener. Zudem dürfe der Vorschlag kein Versuch sein, sich gesetzlich festgelegten Regeln und Zielen zu entziehen. „Der Fonds kann nur als flankierende Maßnahme gedacht werden. Unmittelbar wirksame Mechanismen wie ein Speed Limit oder Effizienzvorschriften sind damit natürlich nicht vom Tisch.“
Da herrscht bei Klimaschützern und den Reedern ausnahmsweise Einigkeit. Auch der VDR will den Plan als zusätzliches Instrument verstanden wissen, der CO2-Bepreisung oder Maßnahmen wie das diskutierte Tempolimit nicht ersetzen oder abschwächen solle.