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Serie "Die Standhaften" Eine Drogerie, die auch Chemikalien anbietet

Die Drogerie Kilia ist eine Institution im Steintor. Inhaber Wolf Blank denkt auch mit 82 Jahren nicht ans Aufhören: Die Beratung mache ihm einfach noch sehr viel Spaß, versichert er.
31.01.2023, 05:00 Uhr
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Eine Drogerie, die auch Chemikalien anbietet
Von Peter Hanuschke

Soll es Salzsäure, Ätznatron oder eine andere Chemikalie sein? Ebenso könnte es ein spezieller Kräutertee aus dem Harz, ein Paar Hausschuhe oder ein normaler Hygieneartikel sein: Bei Kilia sind solche Sachen unter anderem erhältlich. Die Drogerie, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnet wurde, ist eine Institution im Steintor. Und geht es nach Wolf Blank, dann wird es den Laden, den er 1990  von Walter Brocks übernommen hat, auch noch weitere Jahre geben. Selbst mit bald 83 Jahren macht dem Drogisten und seinen beiden Mitarbeiterinnen, die an unterschiedlichen Tagen kommen, das Geschäft einfach noch sehr viel Spaß. 

Eine Drogerie in der Art von Kilia gab es vor einigen Jahren in nahezu jeder Ortschaft und gleich mehrfach in jedem Stadtteil. Sie sind größtenteils von der Bildfläche verschwunden. Stattdessen haben große Drogeriemarktketten das Geschäft mit Hygiene- und Kosmetikartikeln übernommen und ihr Sortiment gleichzeitig um Produkte erweitert, die es in der klassischen Drogerie in dem Umfang selten oder gar nicht gab: etwa eine große Auswahl an Lebensmittelartikeln oder auch Spielzeug. In mittelbarer Nachbarschaft von Kilia gibt es ebenfalls solche Märkte, die ein vielfaches an Verkaufsfläche des 38 Quadratmeter großen Geschäfts Vor dem Steintor 43 haben.

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Weshalb es Kilia noch gibt? "Ich hatte offenbar ein längeres Durchhaltevermögen und ich war und bin überzeugt davon, dass die Kunden eine individuelle Beratung einfach schätzen", sagt Blank. Er will damit den Mitarbeitern in den Drogeriemärkten allerdings nicht absprechen, dass auch sie beraten. "So weit ich weiß, bildet die Drogeriemarktkette DM Drogisten aus, aber ich habe Produkte im Sortiment, die in Drogeriemärkten von den Marken her eher selten oder gar nicht zu finden sind, und ich habe eine Auswahl an Chemikalien, die ich je nach Bedarf in ganz unterschiedlichen Größenmengen verkaufen kann."

Der Klempner, der extra aus Hamburg komme, der kaufe fünf Liter der 60-prozentigen Salzsäure etwa zum Reinigen von Toiletten. Dem Kunden, der die Salzsäure für den privaten Zweck benötige, "dem fülle ich die passende kleinere Menge ab", sagt Blank. Gleiches gelte beispielsweise für Ätznatron oder reinen Alkohol: "Keiner benötigt privat 25 Kilogramm Ätznatron, aber derjenige schon, der damit professionell in Imbissbuden damit die Abzugsrohre von Fett reinigt." Auch die Kräuterteesorten, die er aus dem Harz jeweils in Zwei-Kilogramm-Paketen bekommt, werden in verbraucherfreundliche 100-Gramm-Beutel umgefüllt.

Seine Kunden kommen inzwischen nicht nur aus Bremen, Anfragen und Aufträge erhält Blank aus vielen Regionen. "Ich schicke beispielsweise regelmäßig Altarkerzen zu einer Kundin nach München oder einen bestimmten Kräutertee in die Pfalz." Die Anfragen und Aufträge müssen per Fax oder per Telefon kommen. "Manchmal kommt die Bestellung aber auch per Postkarte. An E-Mail habe ich mich noch nicht herangetraut."

Beratung ist aus seiner Sicht das A und O für den Erfolg seines Geschäfts. "Wenn jemand ein Problem hat, dann gibt es nichts Schöneres, als eine Lösung anzubieten", findet Blank, der von 1955 bis 1958 seine Ausbildung zum Drogisten machte. Später absolvierte er noch Fortbildungen, um unter anderem mit Pflanzenschutzmittel handeln zu können. "Wenn es beispielsweise um Schädlingsbekämpfung geht, muss mir der Kunde nur beschreiben, wann die Geräusche auf dem Dachboden auftauchen und ich kann sagen, ob es sich um eine Ratte als Dauergast oder um einen Marder handelt, der nur tagsüber zum Schlafen kommt. Je nach dem kann ich die passende Methode anbieten, um das Problem loszuwerden." Gleiches gelte auch für die Schädlingsbekämpfung bei Pflanzen.

Seinen "grünen Daumen" habe er kurz nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckt - das war in Osterholz-Scharmbeck. "Meine Eltern sind dort hingekommen, nachdem sie aus Königsberg geflohen waren und ihre beiden Drogerien zurückgelassen hatten. Mein Vater war '45 noch an der russischen Front und kam erst nach Ende des Krieges zurück - 1947 eröffneten sie in Osterholz-Scharmbeck  wieder ihr Drogeriegeschäft." Die Zeit dazwischen sei sehr hart gewesen. "Ich durfte mich zum Glück bei ein paar Bauern um deren Gärten kümmern - das machte mir Spaß und das klappte auch sehr gut. Und dafür bekam ich immer etwas zum Essen. Dafür bin ich noch heute dankbar."

Dass Blank 1960 seine eigene Drogerie in Gröpelingen eröffnete, das war zum einen ein Zufall und zum anderen sorgte es dafür, dass er seinen Militärdienst verkürzen durfte. "Da ich Drogist war und ich beim Roten Kreuz Lehrgänge gemacht hatte, wurde ich vom Arzt in der Kaserne in Lübberstedt damit betraut, so eine Art Voruntersuchung zu machen. Wenn einer der 350 Soldaten mit Problemen vorbeikomme, sollte ich ihm erst einmal Aspirin verabreichen und mal gucken, war die Ansage." Helfe das nicht, würde er sich dann darum kümmern. "Oft hatte es aber geholfen", erinnert sich Blank.

Irgendwann habe ein Vertreter von Klosterfrau Melissengeist in der Kaserne vorbei geschaut - "weshalb, weiß ich eigentlich gar nicht. Auf jeden Fall hatte der mir von einer Drogerie erzählt, die gegenüber der AG Weser lag und verkauft werden sollte. Das erzählte ich meinem Kommandeur und der entließ mich tatsächlich drei Monate früher aus dem Militärdienst, weil er das Fortbestehen einer Drogerie als wirtschaftlich notwendig angesehen hatte."

Die Drogerie selber konnte Blank nicht kaufen, aber sein Vater übernahm das. "Das war mein Vorerbe und eine gute Ausgangsposition zum Expandieren." Blank eröffnete in den nächsten Jahren noch eine zweite Drogerie in Gröpelingen und eine dritte in Walle. "Von diesen Läden hatte ich mich dann 1990 getrennt und mache seitdem nur noch Kilia - ich konnte ja nicht in jedem Laden gleichzeitig sein und für die notwendige Beratung sorgen, um gegen die Drogeriemarktketten eine Chance zu haben." Mit der Übernahme des Geschäfts im Steintor übernahm Blank auch den Namen Kilia, der von der Bedeutung her nichts mit dem Drogeriewesen zu tun hat. "Der Vorbesitzer kam aus Kiel und er war großer Fußballfan. Und der FC Kilia Kiel ist einer der ältesten Fußballvereine in Schleswig-Holstein", lautet die einfache Erklärung.

Die Zukunft seines Geschäfts hänge nicht von ihm ab, so Blank. "Mir haben die Eigentümer zum 31. Dezember gekündigt, weil sie so das Haus besser verkaufen können. Ich muss mal abwarten, vielleicht haben die künftigen Besitzer ja nichts gegen eine Drogerie im Erdgeschoss."

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