Für Mercedes wird es ein spannendes Jahr. Denn voraussichtlich im Sommer soll das erste Elektroauto, der EQC, in Bremen vom Band rollen. „Da werden die Mercedes-Werke auf der ganzen Welt zu uns schauen“, sagt der Bremer Mercedes-Betriebsrat Michael Peters dem WESER-KURIER bei einem Ausblick auf 2019. Das Werk sei darauf vorbereitet. Gleichzeitig stehen der deutschen Autoindustrie insgesamt zwei schwere Jahre bevor „mit empfindlichen Rückgängen bei den Gewinnen der Autobauer und Zulieferer“. So schätzt es der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen ein.
Denn zum ersten Mal seit 1990 sind die Verkaufszahlen in China im abgelaufenen Jahr gesunken. Grund seien die hohen chinesischen Zölle auf Autoimporte aus den USA, die auch die SUV-Modelle von BMW und Mercedes treffen und zu Preisverschiebungen im Markt führten. Nächstes Jahr dürften in China 1,9 Millionen Neuwagen weniger verkauft werden als 2017, erwartet Dudenhöffer. In China selbst blieben dann fast 19 Prozent der Produktionskapazitäten ungenutzt. „Das ist ein harter Einschnitt, denn alle Autobauer haben ihre Produktionskapazitäten erweitert“, sagt er.
Dazu komme noch „ein ganzes Bündel von Problemen“, vor allem in Europa: Fahrverbote für Dieselautos und geringeres Wirtschaftswachstum in Deutschland, der Brexit, der steigende Schuldenberg Italiens. In Deutschland, dem viertgrößten Automarkt der Welt, rechnet Dudenhöffer bis 2021 mit sinkenden Verkaufszahlen. Sie dürften mit 3,26 Millionen Autos dann fünf Prozent unter denen von 2017 liegen. In den USA soll es demnach 2019 eine deutliche Delle geben, danach aber wieder leicht aufwärts gehen.
Zugleich muss die Autoindustrie unter dem Druck politischer Vorgaben Milliarden in Elektroautos und in den Umbau der Werke investieren. In China gilt 2019 eine Elektroautoquote von zehn Prozent für Neuwagen. Die EU schreibt von 2021 an einen deutlich niedrigeren CO₂-Ausstoß vor – was für die Autobauer wegen der sinkenden Dieselnachfrage immer schwerer zu schaffen ist.
Der wachsende Druck von zwei Seiten „lässt sich an Gewinnwarnungen und dem Rückgang der Aktienkurse ablesen“, sagt Dudenhöffer. Daimler und BMW mussten ihre Prognosen nach unten korrigieren, der Börsenwert des Zulieferers Continental ist seit Jahresbeginn um 41 Prozent eingebrochen. Ein Lichtblick seien da die ersten Verständigungen im Handelsstreit, bei dem China einen Schritt auf die USA zugegangen ist. Das Land will ab Januar die Strafzölle für Autos und Autoteile aus den USA von 40 auf 15 Prozent senken – zumindest für drei Monate.
Im optimistischen Szenario
Davon werden wahrscheinlich auch die deutschen Autobauer wie Daimler und BMW profitieren, sagt Stefan Bratzel. Er ist Autowirtschaftsexperte an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach: „Das ist natürlich eine erhebliche Erleichterung für die deutschen Hersteller, die in Amerika produzieren und viele Fahrzeuge nach China importieren. Und entsprechend wird das auch die Absätze zumindest in den nächsten drei Monaten beschleunigen.“
Bei der E-Mobilität rechnet Bratzel erst 2020 mit einer hohen Dynamik: „Für Deutschland und die EU ist von da an mit einem exponentiellen Anstieg des E-Autoabsatzes zu rechnen, da die Hersteller die CO₂-Ziele erreichen müssen und Strafzahlungen verhindern wollen.“ Im Jahr 2025 rechnet er weltweit im optimistischen Szenario jährlich mit 25 Millionen neu zugelassenen Elektro-Pkw. Was die Innovationsstärke von Elektroantrieben angeht, befinden sich laut Bratzel BMW, VW und Daimler noch im Mittelfeld: „Hier fehlt derzeit ein breiteres Angebot mit konkurrenzfähigen Reichweiten und Preispositionen, welches nach den Ankündigungen der Hersteller ab 2019/20 deutlich ausgebaut werden soll.“ Als Beispiel nannte Bratzel Volkswagens elektrische ID-Modellfamilie, die Ende 2019 anrollen soll. Auch ein E-Kleinwagen für unter 20 000 Euro ist geplant.
Mercedes-Betriebsrat Michael Peters rechnet für 2019 im Bremer Werk mit einer ähnlich hohen Stückzahl wie 2018: „So sind die Planungen ausgehandelt.“ Das würde eine Jahresproduktion von 408 000 Autos bedeuten. Angesichts der Unsicherheiten wegen Brexit und Handelsstreit sagt Peters: „Da müssen wir schauen, wie sich das entwickelt.“
Im Rückblick bezeichnete Peters 2018 als ein erfolgreiches Jahr. So habe die IG Metall für die Beschäftigten einen guten Tarifvertrag ausgehandelt. Der beinhaltet ein jährliches „Zusatzgeld“, das Schichtarbeiter sowie Mitarbeiter mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen gegen acht zusätzliche freie Tage eintauschen können. Im Bremer Werk beantragten 4393 Mitarbeiter die Umwandlung in Freizeit. „Bis auf kleine Baustellen konnten wir das so umsetzen“, sagt Peters. Bei dieser Neuerung müsse man noch Erfahrungen sammeln, wie sich das in Zukunft entwickeln wird.