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Interview mit Martin Harren „Diversifikation hilft natürlich“

Harren & Partner wurde 1989 gegründet und ist inzwischen die größte Bremer Reederei. Im Interview spricht Martin Harren darüber, wie das Unternehmen Chancen auch in der Schifffahrtskrise nutzt.
25.08.2017, 19:29 Uhr
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„Diversifikation hilft natürlich“
Von Peter Hanuschke

Seit 2008 leidet die Schifffahrt weltweit unter einer Krise – Harren & Partner kommt mit der Situation trotzdem gut klar: Gefühlt übernimmt das Unternehmen jedes Jahr eine Firma.

Martin Harren: Dieser Eindruck, den Sie von unserer Firmengruppe haben, freut mich. Trotzdem hat diese Schifffahrtskrise, die für einige Firmen lebensbedrohlich ist oder vernichtend war, uns auch auf eine Art und Weise im Griff. Wobei eine Krise auch immer eine Chance bedeuten kann, und zwar dann, wenn daraus effizientere Abläufe abgeleitet und umgesetzt werden. Und manchmal ergibt es eben einfach Sinn, in bestimmten Bereichen zu wachsen und gegebenenfalls eine Firma zu übernehmen.

Das ist Ihnen ja erst kürzlich mit der Übernahme der Hamburger Schwergutreederei SAL Heavy Lift gelungen.

Ja, das ist eine Chance gewesen, diese haben wir ergriffen. Das Traditionsunternehmen mit seinen 15 Schiffen, das in vielen Bereichen im Schwerguttransport dominierend ist, passt gut zu uns. Aber auch das ergibt nur Sinn, wenn sich daraus Synergien entwickeln. Die Resultanten stimmen in diesem Fall für uns. Ein Patentrezept für Übernahmen gibt es aber nicht.

Ist die Krise nicht inzwischen ein Zustand, der als normal bezeichnet werden kann?

Ich denke, man kann und muss allgemein in der Schifffahrt noch von Krise sprechen. Nehmen wir mal den Multipurpose- und Heavy-Lift-Bereich, die Frachtraten, die da gezahlt werden, decken teilweise noch nicht einmal die Betriebskosten ab. Und das kann kein Dauerzustand sein. Das ist kein New Normal, wie man so schön sagt. Etwas anders sieht es bei Tankern aus – die Frachtraten liegen historisch gesehen etwa auf einem Mittelwert, an den man sich wahrscheinlich gewöhnen muss. Die Frachtraten der Superjahre 2003, 2004 und 2005 waren da einfach die Ausnahme.

Und Harren & Partner bekommt es hin, schlecht gehende Bereiche durch besser gehende Bereiche zu kompensieren.

Diversifikation hilft da natürlich. Diversifikation in der Krise bedeutet, dass ein Feld schwächelt, aber ein anderes auch wiederum ganz gut läuft. Und das ist bei uns gegeben. Wir betreiben derzeit eine 70 Schiffe starke Flotte, bestehend aus Tankern, Container-Feedern, Schwerlastschiffen, Bulkern, Dockschiffen und Offshore-Errichterschiffen. Daraus ergibt sich eine gewisse Robustheit in der Krise. Allerdings ist Diversifikation auch kein Patentrezept. Vielmehr ist eine Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Agieren, eine schlagkräftige Truppe zu haben.

Harren & Partner ist jetzt im Segment Super-Heavy-Lift Marktführer. War das immer das Ziel?

Es wäre schön, wenn es so einen Masterplan geben würde. Ich denke, die Krise hat dazu beigetragen, dass es sich so entwickelt hat. Es reicht nicht, nur die Kosten zu reduzieren. Man muss Strategien entwickeln, wie sich der Markt konsolidiert, damit die Frachtraten auch wieder nach oben gehen. Wenn niemand vernünftige Frachtraten erzielt, weil es ein Überangebot an Schiffen gibt, dann ist die einzige Therapie, die wirklich hilft, sich zusammen zu vermarkten beziehungsweise dass der eine vom anderen übernommen wird. In diesem Bereich waren wir schon recht stark, und durch SAL sind wir noch besser positioniert. Deswegen waren wir auch im Bieterwettbewerb besonders engagiert, um es hinzubekommen, unsere Flotten zusammen vermarkten zu können.

Wie lange dauert es, bis SAL bei Harren & Partner integriert ist?

Das kann man nur schwer beantworten. Wir werden ja nicht nur Schiffe unter der Marke SAL, die im Übrigen schon mehr als 150 Jahre existiert, vermarkten, sondern wir integrieren auch Menschen und Fähigkeiten – und dieser Prozess dauert so lange, bis er fertig ist. Ich bin optimistisch, dass da ein gemeinsames Unternehmen wächst und nicht zwei Fraktionen agieren.

Warum wachsen andere Unternehmen nicht auch so wie Harren & Partner?

Strategien von anderen Unternehmen lassen sich von unserer Seite nicht beurteilen. Und wir halten es so wie im Leistungssport und gucken nur auf uns selbst. Wir sind selber nicht perfekt, wir versuchen, uns zu verbessern, effizienter zu werden und schneller zu kommunizieren. Und wir versuchen, unsere Chancen zu nutzen – wie mit SAL, oder unsere Probleme, die wir auch durch die Krise haben, zu lösen.

Ist es aus Ihrer Sicht überhaupt möglich, in dieser Zeit Unternehmen zu gründen?

Ich glaube ja. Wenn es Unternehmen gibt, die wachsen, kann man in dieser Zeit auch Unternehmen gründen. Vielleicht ist diese Zeit sogar ein gutes Momentum. Man konnte noch nie so günstig einsteigen wie jetzt. Die eigentliche Kunst ist aber, nicht nur den aktuellen Zyklus geschickt zu nutzen, sondern über mehrere Zyklen hinweg zu bestehen. Jetzt ein Unternehmen zu gründen, ist relativ einfach. Man hat es erst geschafft, wenn man über einen längeren Zeitstrahl am Markt besteht.

Wie gehen Sie als Geschäftsführer mit dem Begriff Krise intern um? Spekulieren Sie überhaupt noch darüber, wann sie zu Ende sein könnte?

Jeder hat ja ein Gefühl für den Markt, ein Gefühl dafür, wie er sich entwickeln könnte. Und wenn man ganz ehrlich ist, weiß man, wie oft man sich damit in der Vergangenheit getäuscht hat. Am sinnvollsten ist es deshalb, sich auf sich selbst zu konzentrieren und sich zu optimieren. Und den Markt so zu nehmen, wie er ist. Natürlich glaube ich schon, dass wir im Bereich Multipurpose und Super-Heavy-Lift eine Erholung haben werden – nicht in 2017, ich wüsste nicht, wodurch sie kommen sollte. Aber in 2018 sollten die Raten nach oben gehen – vorausgesetzt, es kommen keine neuen Schiffe. Ich denke, das wird sich auch im Containerfeeder-Bereich so entwickeln. Ich weiß aber auch, dass ich bereits vor fünf Jahren an eine Erholung gedacht hatte. Aber wenn man nicht einen gewissen Optimismus hat, dann muss man im Grunde genommen gleich zu Hause bleiben. Manchmal ist es eben nur eine Frage der Zeit, bis man recht hat.

Harren & Partner sitzt seit 2001 im Büropark Oberneuland. Wie zufrieden sind Sie mit dem Standort?

Sehr. Wir haben viel Platz, sind im Grünen, sind schnell auf der Autobahn, und es ist im Vergleich zu anderen Standorten relativ günstig.

Und Harren & Partner ist in Bremen verwurzelt. Oder zieht es das Unternehmen irgendwann in eine andere Stadt?

Es gibt ja viele Dinge, die sich verändern können, aber eines nicht, dass wir mit unserem Unternehmen einmal abwandern. Wir bleiben hundertprozentig in Bremen. Unser Herz schlägt in Bremen.

Harren & Partner ist breit aufgestellt, Sie persönlich aber auch. Bevor Sie in das Unternehmen einstiegen, haben Sie als Arzt gearbeitet. Wie kam der Wechsel? Kam das daher, dass Sie mit Schifffahrt aufgewachsen sind?

Ich bin nicht nur mit Schifffahrt aufgewachsen, ich bin auch nach dem Abitur ein Jahr lang als Matrose auf Container-Feedern im Mittelmeer und auf Multipurpose-Schiffen in der Ostsee zur See gefahren. Ich hatte aber immer einen Kindheitstraum und wollte Chirurg werden. Diesen Traum habe ich verwirklicht und auch vier Jahre als Chirurg gearbeitet. Aber wer mich kennt, weiß, dass ich auch immer eine sehr ausgeprägte merkantile Ader hatte und habe. Als ich 17 Jahre alt war, konnten mich meine Eltern gerade noch davon abhalten, so einen kleinen Kiosk neben der Schule zu kaufen. Ich dachte, das müsste gut funktionieren. Ich hatte auch schon mit dem Inhaber verhandelt. Das Geschäft scheiterte letztlich auch daran, weil ich noch nicht volljährig war. Aber auch während des Studiums habe ich mit anderen Kommilitonen ein Unternehmen gegründet. Wir haben andere Studierende auf deren Prüfungen vorbereitet – so wie eine Art Repetitorium bei Jurastudierenden. Wir hatten über 100 Teilnehmer pro Semester, wir waren uneingeschränkter Marktführer. Nach vier Jahren als angestellter Chirurg hat es mich dann aber einfach gereizt, das Familienunternehmen weiter aufzubauen.

Steckt Diversifikation generell in den Genen der Familie Harren?

Ich würde schon sagen, dass das ein bisschen stimmt. Mein Vater hatte ja, nachdem er Kapitän war, auch noch Betriebswirtschaftslehre studiert. Und ich finde es persönlich auch allgemein sehr positiv, wenn man nicht mit 16 Jahren etwas anfängt, das weitermacht und dann mit diesem Beruf mit 65 Jahren in den Ruhestand geht.

Das Gespräch führte Peter Hanuschke.

Zur Person: Martin Harren ist verheiratet, hat drei Kinder und ist seit 2003 bei Harren & Partner. Davor hat Harren, Jahrgang 1970, unter anderem Medizin an der Charité-Klinik in Berlin studiert und anschließend vier Jahre als Chirurg gearbeitet.

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