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Made in Bremen Ein Meister des Leichtbaus

Auf Kundenwunsch auch geheim: Die Bremerhavener Kamlade Yacht und Bootsservice GmbH ist bis heute erste Adresse, wenn es um hochwertige Kunststoff-, Komposit- oder Holzbauten geht.
22.10.2017, 06:38 Uhr
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Von Volker Kölling

Im Jahr 2001 ist der Segelschoner „Lamú“ mit seinen 54 Metern die längste Kunststoffyacht der Welt. Alles läuft auf Eignerwunsch geheim, so dass bis heute kaum einer weiß, dass das Judel/Vrolijk-Design in Bremerhaven gebaut worden ist. Die Kamlade Yacht und Bootsservice GmbH am Fischereihafen ist bis heute erste Adresse, wenn es um hochwertige Kunststoff-, Komposit- oder Holzbauten geht.

Das erste, was in den Hallen direkt an der Pier auffällt: Es ist überhaupt nicht kalt oder zugig, wie man es von Werften früher kennt. „Wenn es hier nur 17 Grad hat, dann ist das schon kalt. Die konstant richtige Temperatur ist das A und das O im Kunststoffbau. Man bekommt sonst die korrekte Trocknungszeit der Bauteile nicht hin,“ erläutert Firmenchef Frank Kamlade. Der Mann hat von 1975 bis 1977 auf der legendären Burmester-Werft an der Lesum Bootsbau gelernt – nicht Schiffbau, das ist ihm ganz wichtig: „Mit Schiffbau haben wir nichts am Hut. Ich wollte immer wie Burmester Yachten bauen und schon als Lehrjunge auch so einen Betrieb haben.“ An der letzten „Rubin“ des deutschen Segelmäzen Hans Otto Schümann lernt er bei Burmester noch den Kompositbau kennen. Darunter versteht man die Hochzeit von Holz, Kunststoff und Spezialgelegen, die ein Schiff leicht, fest und dadurch auch schnell machen.

Frank Kamlade ist mit seinen 59 Jahren einer der letzten echten Typen seiner Zunft. Nach der Lehre wollte er nur noch segeln, sagt er grinsend und erinnert sich, dass ihm das Familienregiment irgendwann die Mittel empfindlich strich und so zurück in die Arbeitswelt zwang. „Ich habe bei Abeking und Rasmussen gearbeitet, war auch mal bei Lürssen und dann ab 1988 Betriebsleiter bei der Henze-Werft hier in Bremerhaven bis zu ihrem Ende,“ erinnert sich Kamlade. 1994 stellt die Henze-Werft den High-Speed-Katamaran „Rheinjet“ fertig und den Betrieb ein.

Frank Kamlade erzählt nicht von all den Schwierigkeiten in dieser Pionierzeit des Leichtbaus, sondern holt lieber den Prospekt des Edel-Leichtbaus „Ultima Ratio“ heraus, einem Motorkatamaran der Luxusklasse mit Vogelaugenahornfurnieren, die auf Nomex-Wabenmatten aus der Luftfahrt laminiert sind. „Das haben wir auf einem Holzgerüst aus Mallen wie im althergebrachten Bootsbau vorgeformt und die Kohlefaserteile dann Stück für Stück im Ofen gebacken.“ Frank Kamlade will die Henze-Werft aus der Pleite übernehmen, kann aber für seine Gründung die Riesenmannschaft noch nicht gebrauchen. Einhundert Meter weiter südlich startet er am 1. November 1994 in den alten Schiffbauhallen der dahingegangenen Rickmers-Werft seine eigene Firma. Die ungezählten Kumpel aus der Regattaszene sind an seiner Seite und versorgen ihn mit Aufträgen. Eine sehr kaputte 18-Meter-Yacht vom Typ „Conrad 56“ sorgt für erste Auslastung: Da sind Löcher im Schiff zu beheben, das Ruder muss praktisch neu gebaut werden – und noch viel mehr. Kamlade: „Letztlich war es ein komplettes Refit. Das alles sind Dinge, die wir bis heute anbieten von der Rumpfreparatur, über Lackierungen, neuer Elektrik und Elektronik bis zum neuen Teakdeck.“ Dazu bietet er Winterlagerplätze für Boote auf dem 8500 Quadratmeter messenden Grundstück und in den Hallen an, die mit den Büros 3700 Quadratmeter der Gesamtfläche einnehmen.

Ständig die Bauaufsicht im Betrieb

Die Geschäfte gehen gut: 1998 kauft Kamlade all das von der damaligen Fischereihafenbetriebsgesellschaft und saniert die Hallen von Grund auf. Kern des Betriebes ist jetzt eine 35 Meter lange Heizbox, die mit einem modernen Flächengasbrenner in einen Backofen für Kohlefaserverbundbauteile verwandelt werden kann. Tatsächlich überholt hier ein Kamlade-Mitarbeiter gerade einen riesigen Regattamast aus Kohlefaser, der auch eine neue Lackierung bekommen soll. Frank Kamlade: „Der Bau des 54-Meter-Schoners damals hat uns einen unheimlichen Push in Sachen Technologie und Bauverfahren gebracht. Das hatte bis dato ja noch niemand gemacht. Und so hatten wir ständig die Ingenieure des Germanischen Lloyd und Experten in Sachen Bauaufsicht hier im Betrieb.“

Die Expertise der kleinen Werft spricht sich damals schnell herum. In Boomzeiten beschäftigt Frank Kamlade an die 50 Mitarbeiter, stattet sogar BP-Tankstellen mit runden Tresenteilen aus Kunststoff aus: „Es gab noch keine Computerfräsen. Und immer, wenn man bei einem Bauteil mit Metall oder Holz allein nicht weiterkam, klingelten die Leute bei uns an und fragten, ob wir das nicht in besser aus Kunststoff bauen könnten,“ lächelt Kamlade und berichtet von den aus kaufmännischer Sicht interessantesten Jahren: Er geht mit Teams in die Golfstaaten auf Montage, leitet den Aufbau der Kunststoffabteilung für den Windkraftplayer Nordex und schaut jeweils montags, freitags und am Wochenende in Bremerhaven vorbei, ob dort die Produktion läuft.

Die Geschäftsfelder erweitern sich: Seit 1998 hat Kamlade 2000 Rotorblätter von Windkraftanlagen gewartet. Die alten Bekannten aus der Segelzeit sitzen jetzt bei Blohm&Voss, Lürssen und Abeking und Rasmussen in verantwortlichen Positionen und bestellen fleißig. Kamlade wird zur verlängerten Werkbank der Luxusyachtwerften. Er darf jedoch bis heute seine Bauteile maximal einmal kurz im Fotoalbum vorzeigen, aber keine Bilder herausgeben. Nur soviel: Da verschwinden große Gabelstapler komplett unter einem 13-Meter-Radaraufbau und einmal darf es auch ein 23 Meter hoher Aufbau für eine Yacht sein: „Bei diesen Projekten war es natürlich gegenüber Mitbewerbern ein echter Vorteil, dass wir hier am Fischereihafen den Zugang zum Wasser haben und die Sachen so auch vergleichsweise kostengünstig in einem Stück auf dem Wasserweg transportieren können.“

In der jüngeren Vergangenheit hat sich die Bremerhavener Werft mit dem Bau von Beibooten und Expresswassertaxis beschäftigt. „Einer unserer Kunden hat einen Tender aus Kohlefaser bestellt, der 70 Knoten laufen kann. Wir mussten ihn in Giftgrün bauen. Wenn das Boot auch noch glänzt, wird es mir sofort geklaut, meinte der Kunde.“ In der Saison 2017 war dann die Fertigstellung eines 9,5 Meter messenden Segelkatamarans einer der Kamlade-Jobs.

Immer wieder wollte der Firmenchef eigentlich am Standort erweitern und zukaufen. „Aber ich bin nicht aus Bremerhaven, und da bekommt man hier keinen Stich. Mit der Politik und den Gesellschaften hier will ich nichts mehr zu tun haben,“ sagt Kamlade. Es ist das einzige Mal während der Führung durch den Betrieb, dass der Selfmademan mit Wohnort Bremen-Lesum einmal kurz schlecht draufkommt. Einen kapitalen Rohrbruch 1996 oder schwere Sturmschäden an den Hallen im Jahr 2000 lächelt er dagegen weg: „Wir haben uns danach immer nur weiter verbessert.“

In seinem Team gibt es wenig Fluktuation: Sein neun Jahre jüngerer Bruder schweißt in der Schlosserei gerade an einem Treibstofftank aus Edelstahl. Vor der Halle wartet eine 35-Fuß-Motoryacht darauf, dass sie von den Folgen eines Zusammenstoßes mit einem Binnenschiff geheilt wird. Eine große Motoryacht hatte eine hässliche Grundberührung und will in den nächsten Wochen auch noch rein in die Reparaturhalle. Kamlade schaut auch zu einem echten Regattaspielzeug für Männer, einer „Open 40“, die noch Arbeit bringt: „Wenn der Hof voll liegt, ist das gut, das bedeutet genug Arbeit für den Winter.“ Nur wenn es bei Motorenproblemen mal wirklich speziell wird, holt sich Kamlade Firmen ins Haus, ansonsten können sie hier fast alle Arbeiten rund um das Boot selbst erledigen.

Überall Kohlefaser eingesetzt

Neun Mann sind sie zur Zeit im Betrieb und Frank Kamlade rechnet sich selbst als Chef mit ein: „Ich arbeite hier schließlich auch noch mit den Händen mit,“ kommt es fast empört, bevor er seine ganz spezielle Baustelle präsentiert. Mit seiner eigenen 17,5-Meter-Segelyacht „Scaramouche“ hat er Jahrzehnte auf den Regatten der Hochseesegler für Angst und Schrecken gesorgt. Jetzt liegt der Racer komplett überarbeitet zum Familiencruiser da. Die Yacht hat ein komplett neues Deck bekommen und einen Hubkiel, so dass Kamlade bald mit seinem Boot mit eingezogener Kielbombe bis auf den Strand fahren kann: „Ich musste meiner Frau versprechen, dass Schluss ist mit den Regatten. Und der Rumpf war doch noch spitze.“

Schön, wenn man am Ende auch noch sein eigenes Schiff genau so gebacken bekommt, wie man es möchte: Überall, wo es ging, hat er Kohlefaser eingesetzt. Die neue „Scaramouche“ wird eine halbe Tonne weniger wiegen als die alte. „Dabei kann man alles zu zweit bedienen. Aber das könnte sie tatsächlich noch schneller machen,“ flüstert der Bootsbauer, als ob das seine Frau besser nicht hören sollte.

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