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Der Bremer Andreas Bloß fand wie andere Behinderte einen Job in einem der drei Bremer CAP-Supermärkte Eine Chance für Menschen mit Handicap

Bremen. Die Stiftung Maribondo da Floresta betreibt in Bremen drei Supermärkte, in denen überwiegend behinderte Menschen zum Einsatz kommen. In den CAP-Märkten bekommen sie die Chance, ihren Fähigkeiten entsprechend am Arbeitsleben teilzuhaben - außerhalb der gewöhnlichen Behindertenwerkstätten.
05.02.2011, 05:00 Uhr
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Von Christian Palm

Bremen. Die Stiftung Maribondo da Floresta betreibt in Bremen drei Supermärkte, in denen überwiegend behinderte Menschen zum Einsatz kommen. In den CAP-Märkten bekommen sie die Chance, ihren Fähigkeiten entsprechend am Arbeitsleben teilzuhaben - außerhalb der gewöhnlichen Behindertenwerkstätten.

Wenn Andreas Bloß die Klingel hört, weiß er, dass er gebraucht wird. Das Gebimmel kommt von der Kasse und sagt ihm, dass jemand seine Pfandflaschen abgeben möchte. Denn einen Automaten im CAP-Supermarkt im Bamberger-Haus gibt es nicht - hier zählt noch Handarbeit. Erledigt wird diese ausschließlich von Menschen mit Handicap. Bloß leidet an einer psychischen Behinderung. Er hat mit Traumata aus der Kindheit zu kämpfen. Der Job im Supermarkt hat ihm vor vier Jahren völlig neue Perspektiven geöffnet und ihm geholfen, wieder selbstständiger zu leben.

Drei CAP-Supermärkte gibt es in Bremen: einen im Bamberger-Haus, einen in Sebaldsbrück und einen in Bremen-Nord. Die Läden beschäftigen insgesamt 15 behinderte Menschen. Sie haben so die Chance, auch außerhalb von Behindertenwerkstätten das Gefühl zu bekommen, gebraucht zu werden. Deutschlandweit gibt es mittlerweile 84 CAP-Märkte. 1200 Mitarbeiter, davon rund 600 mit Behinderung, arbeiten für die Kette. Betrieben werden die Märkte von Einrichtungen der Behindertenarbeit vor Ort, in Bremen von der Stiftung Maribondo da Floresta.

Das Konzept, eine Art "Social Franchising", stammt von der Genossenschaft der Werkstätten für behinderte Menschen Süd. Und es funktioniert gegen alle Gesetze der Branche. Denn die Märkte siedeln sich bevorzugt dort an, wo die großen Ketten die Segel streichen. Wie in Sebaldsbrück, wo ein familienbetriebener Edeka-Markt keinen Nachfolger fand, oder in Bremen-Nord, wo sich zuvor ein Discounter aus dem Staub gemacht hatte.

Markt lebt von Laufkundschaft

Die CAP-Märkte bieten nicht nur behinderten Menschen die Chance auf Arbeit, sondern auch älteren Menschen aus der Nachbarschaft die Möglichkeit, in der Nähe ihre Wohnung einkaufen zu können. Und wenn es sein muss, trägt Andreas Bloß drei Brötchen über die Straße zu der Dame, die den Weg über das Glatteis nicht wagt. Damit er schneller unterwegs sein kann, trägt er Jogging-Schuhe. Sein rotes CAP-Polohemd spannt etwas über dem Bauch. Die Ärmel des Hemdes, das er drunter trägt, hat er hochgekrempelt.

Dass er nun im Bamberger im CAP-Markt arbeitet, hat er einem Zufall zu verdanken. Die Stiftung wollte dort eigentlich einen Bio-Supermarkt eröffnen, weil es neben dem Bistro Julius, in dem ebenfalls behinderte Menschen arbeiten, noch Platz gab. Zufällig erfuhren sie, dass sie nicht allein waren mit ihrer Idee. Direkt gegenüber liefen die Vorbereitungen für die Eröffnung des großen Alnatura-Markts. Gegen das Ökogeschäft hätte der kleine Laden ziemlich alt ausgesehen. Da kam der Leitung der Stiftung die Idee mit den CAP-Märkten.

Der stärkeren Konkurrenz trotzen die CAP-Märkte mit ihren niedrigen Lohnkosten. Die Angestellten werden zum Teil von der Bundesagentur für Arbeit bezahlt. Denn eigentlich sind die Umsätze zu gering, um profitabel zu sein. Im Markt im Bamberger lassen die Kunden durchschnittlich nur 6,50 Euro je Einkauf. Bei den großen Discountern seien es im Schnitt etwa 18 Euro, heißt es bei der Stiftung. Der Markt lebt vor allem von der Laufkundschaft, die zur Volkshochschule im gleichen Haus will. Darauf hat Marktleiter Andreas Wagner das Sortiment abgestimmt.

Produkte "to go" sind besonders gefragt, also belegte Brötchen oder Kaffee. Zudem lieben die Kunden die Artikel aus der stiftungseigenen Behindertenwerkstatt. Dazu gehören Säfte und Brot, erzählt Wagner. Er selbst ist ein Beispiel für den integrativen Charakter des Markts. Fünf Jahre lang war er arbeitslos, bevor er dort eine neue Chance bekam. Zudem gilt auch er als behindert, ihm fehlt die rechte Niere.

Als gelernter Großhandelskaufmann musste er das Einmaleins des Supermarkt-Geschäfts von der Pike auf lernen. Zum Beispiel, dass Backzutaten nicht mehr besonders beliebt sind, Backmischungen dafür umso mehr. Seine Mitarbeiter setzt er gemäß ihren Fähigkeiten ein. Die körperlich Behinderten sitzen an der Kasse, die mit geistigen oder seelischen Behinderungen sortieren hinten die Waren, füllen die Regale nach oder backen morgens Brötchen auf. Außerdem muss Wagner ständig ein offenes Ohr für die großen und kleinen Probleme seiner Leute haben. Kollege Bloß ärgert sich derzeit besonders über seinen neuen Mitbewohner, mit dem er noch nicht so recht warm geworden ist.

Reich wird vom CAP-Markt niemand. "Wenn am Ende des Jahres eine schwarze Null steht, sind wir zufrieden", sagt Marktleiter Wagner. Im vergangenen Jahr sei der Umsatz immerhin um fünf Prozent gestiegen. Gut möglich, dass bald ein weiterer CAP-Markt in Bremen eröffnet wird. In Osterholz gehört der Stiftung das ehemalige Kaufhaus Reuter, dort soll in diesem Jahr ein weiterer Markt entstehen.

Im Bamberger Haus sind die Gänge breit genug für Rollstuhlfahrer und die Regale nicht zu hoch, damit auch diejenigen alle Waren erreichen können, die sich nicht mehr so strecken können. Zu diesen Leuten gehört auch Andreas Bloß. "Die Schulter will nicht mehr so", sagt er. Eigentlich dürfe er nichts Schweres heben. Er tut es dennoch. Schließlich macht ihm die Arbeit viel zu viel Spaß. Auch wenn er alle paar Minuten zur Kasse laufen muss, um Pfandflaschen entgegen zu nehmen.

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