Nürnberg. Der Sommer steht vor der Tür, und nicht nur Badenixen und Sonnenanbeter erwarten ihn sehnsüchtig – auch die Eishersteller hoffen auf möglichst heiße Wochen. Sie haben schon lange nicht nur die Klassiker wie Vanille und Schoko im Angebot. Inzwischen gibt es auch Quittensorbet oder Kokos mit Zitronengras. "Eis ist aber ein sehr wetterbezogenes Produkt", betont Marika Klette vom Eis Info Service der industriellen Hersteller. Mit anderen Worten: Fällt der Sommer aus, so wie im vergangenen Jahr, macht sich das in den Umsätzen der großen Firmen genauso bemerkbar wie in den Kassen der kleinen Eisdielen.
Knapp zwei Milliarden Euro haben die industriellen Hersteller in Deutschland im vergangenen Jahr umgesetzt. Eis am Stiel oder in der Familienpackung macht vier Fünftel des Gesamtmarktes aus, der Anteil der in Eisdielen oder Cafés hergestellten Ware pendelt um die 15 Prozent. Hinzu kommt noch das vor allem in Fast-Food-Ketten verkaufte Softeis.
Dabei stehen die Klassiker weiter hoch im Kurs. "Unangefochten auf Platz eins ist Vanilleeis, gefolgt von Schokolade. Und auf Platz drei war es jahrelang Erdbeer, aber das ist jetzt abgelöst worden von Nuss", berichtet Klette unter Berufung auf eine aktuelle Studie. Doch die Kunden erwarten neben dem Altbewährten auch Ungewohntes. "Die Deutschen wollen auch immer neue Sorten, sie sind absolut offen für neue Ideen und Kreationen", berichtet etwa Barbara Groll vom Nürnberger Hersteller Schöller. Das erste Stieleis des heute zweitgrößten deutschen Herstellers wurde vor 75 Jahren aus der Gefrierform gezogen.
In den Eisdielen macht sich die aktuelle Experimentierlust mit Sorten wie Rhabarbersorbet mit Campari, Weinbergpfirsich mit Lavendel oder Avocado-Melone bemerkbar. "Das Spiel mit den Zutaten" werde weiter zunehmen, ist sich auch Langnese-Expertin Susanne Biljes sicher. Auf Dauer werde der Boom bei exotischen Mischungen jedoch nicht anhalten – im Gegensatz zur starken Nachfrage nach den nostalgischen Produkten, die Erwachsene aus ihrer Kindheit kennen und die derzeit wieder aufgelegt werden.
Der übergreifende und langjährige Megatrend laute Qualität, schildert Biljes. "Die Konsumenten werden immer sensibler: Wo kommen die Produkte her, wie nachhaltig wurden sie hergestellt, wie lang waren die Transportwege." Auch Annalisa Carnio von der Union der italienischen Speiseeishersteller (Uniteis) bestätigt: "Die Gäste in den Eisdielen sind anspruchsvoller geworden." Inzwischen habe ein durchschnittliches Eiscafé mindestens 30 Sorten im Angebot. Vor allem regionale und saisonale Produkte seien gefragt, also Blaubeeren und Kirschen im Sommer oder Birne im Winter.
Hinzu kämen Eissorten für bestimmte Bevölkerungsgruppen, schildert Carnio. "Wir haben immer mehr Leute mit einer Laktose-Intoleranz, deshalb steigt da das Angebot." Neben dem traditionell milchfreien Fruchteis könnten die Betroffenen inzwischen etwa auch zu Schokosorbet greifen. "Das gab es vor zehn Jahren nicht." Auch Marktführer Langnese forscht gerade sehr stark in dieser Richtung.
Allergiker und Zöliakiekranke werden ebenfalls bedient, für Kalorienbewusste ist Joghurteis im Angebot. Auch der zunehmende Wunsch der Verbraucher nach naturbelassenen Lebensmitteln werde berücksichtigt, schildert Klette vom Eis Info Service: "Inzwischen verzichten fast alle Hersteller auf künstliche Aromen und Farbstoffe."
Im Absatz schlägt sich die Ausweitung des Angebots allerdings nicht nieder: Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt seit einem Jahrzehnt stabil bei rund acht Litern pro Jahr. Etwa 1,5 Liter davon werden in Eisdielen gekauft, ein Fünftel im Winter verputzt.
Allerdings liegt selbst Italien beim Pro-Kopf-Verbrauch von Markeneis nur hauchdünn vor Deutschland, so gern wird hierzulande geschleckt und gelöffelt. Die europäischen Spitzenreiter kommen aus dem hohen Norden: Die Finnen essen glatt doppelt so viel, auch die Norweger und Schweden greifen trotz des langen und kalten Winters wesentlich häufiger in die Tiefkühltruhe. "Für die Skandinavier ist Eis das klassische Dessert schlechthin", erklärt Branchenkennerin Klette.