Bremen. Nach der Befrachtungs-Sparte hat auch die wichtigste operative Gesellschaft Beluga Shipping Insolvenz angemeldet. Ein Domino-Effekt könnte weitere Sparten der verschachtelten Niels-Stolberg-Firmengruppe mitreißen. Die Oberstufe Beluga College sucht fieberhaft neue Investoren, besorgte Kleinanleger fürchten um ihr Geld.
Ganz leise säuselt es aus den Lautsprecherboxen. Nicht Startenor Andrea Bocellis kraftvoll-dröhnende Stimme, nur dezente Streichinstrumente aus dem Hintergrund: "Time to say goodbye" ("Zeit zum Lebewohl"). Bald könnte es zum neuen Motto des Stolberg-Restaurants "Outer Roads" werden.
Männer in Anzügen und Frauen in schicken Kleidern prosten sich um die Mittagszeit zu, studieren die Speisekarte, wählen zwischen "Polenta" oder "Wasserbüffel". Die Mitarbeiter lassen sich nichts anmerken, lächeln ihre Gäste an und füllen die Weißwein-Karaffen. "Ja klar werden wir auf die Insolvenz angesprochen", sagt eine Kellnerin. "Das ist ja in allen Medien. Aber wir machen einfach so weiter wie bisher." Am Nachmittag ist nichts mehr so wie bisher. Auf der Betriebsversammlung klärt der Insolvenzverwalter auf, was jetzt auf sie zukommen kann.
Das "Outer Roads" ist nicht direkt mit dem Beluga-Konzern verknüpft, aber dennoch ein Niels-Stolberg-Unternehmen. Das Aus für Stolberg könnte das Aus für sein Restaurant im 5. Stock der Konzern-Zentrale am Teerhof bedeuten. Noch mag hier oben die Welt in Ordnung sein - in den Stockwerken darunter bricht sie in sich zusammen. Beluga Shipping, mit fünf Millionen Euro Stammkapital Zentrum des operativen Geschäfts, hat offiziell Insolvenz angemeldet. Einen Tag davor traf es die Tochter-GmbH Beluga Chartering, zuständig für Befrachtung und Schiffscharter. Jetzt, wo die Shipping zahlungsunfähig ist, wird es weitere Tochtergesellschaften treffen. Möglich ist ein Domino-Effekt, der das ganze Stolberg-Geflecht mitzieht.
Noch ist es aber erstaunlich ruhig in der Teerhof-Zentrale: Firmenmitarbeiter sitzen an ihren Computern, laufen mit dem Handy die Gänge entlang. Das Firmenlogo, die Wal-Fluke, flimmert als Bildschirmschoner über Mitarbeiter-PCs . Business as usual - alles geht scheinbar seinen Gang. Das Fernsehteam unten vor dem Eingangstor, das gerade einen Mitarbeiter interviewt, ist allerdings ein Hinweis: Dies ist kein normaler Arbeitstag. Wie viele Arbeitstage überhaupt noch kommen, ist ungewiss.
Einige Ableger der Beluga-Gruppe sind vor dem Hintergrund des drohenden Zusammenbruchs aktiv geworden: Das Beluga-Förderprojekt Beluga College - eine berufliche Oberstufe, an der Schüler neben dem Abitur auch Branchenkenntnisse erwerben sollen - sucht jetzt andere Investoren, um den eigenen Fortbestand zu sichern. Bei einer am Mittwoch einberufenen Elternversammlung stellte Geschäftsführer Michael Beckhusen die Lage schonungslos dar: Das College stehe und falle mit dem Hauptgesellschafter, so Beckhusen. Über die Maritime Education GmbH, die alle Ausbildungsaktivitäten der Stolberg-Reederei bündelt, ist der Hauptgesellschafter die Beluga Group - Muttergesellschaft der zahlungsunfähigen Beluga Shipping GmbH. Ein Insolvenz-Domino-Effekt bringt somit auch das College in Gefahr.
Geschäftsführer Beckhusen möchte für den Erhalt der Schule kämpfen. Gemeinsam mit den Eltern wolle man sich ein Konzept überlegen, um die Finanzierung eigenständig stemmen zu können. Ein interner Brief der Reederei sollte kürzlich noch Eltern, Lehrer und Schüler beruhigen, dass "derzeit das Beluga College in vollem Umfang weiterbetrieben wird".
Sorgen machen sich auch (Klein-)Anleger, die Geld an Schiffsfonds-Gesellschaften gezahlt haben, um sich an von Beluga gecharterten Schiffen zu beteiligen. Bank- und Kapitalmarktrecht-Anwalt André Ehlers registriert nach Bekanntwerden der der Beluga-Insolvenz "erhöhten Beratungsbedarf". "Für einige ist die Lage bedrohlich", sagt Ehlers, "vor allem, wenn es um Beträge geht, die für die Altersvorsorge bestimmt waren."
Der Anwalt moniert, dass Berater ihre Kunden anscheinend vor Geschäftsabschluss nur mangelhaft informiert hätten: "Anhand der Fragen merke ich, dass viele Anleger gar nicht wussten, was sich hinter einem Schiffsfonds verbirgt", so Ehlers. "Viele haben ihrem Berater vertraut, der eine Investition in Schiffe als sichere Anlage beschrieben hat."