Hamburg/Bremerhaven. Die Gewerkschaft IG Metall und die Arbeitnehmervertreter des Windkraftanlagenherstellers Senvion wollen sich gegen den Anfang der Woche angekündigten Jobabbau und die Standortschließungen wehren. Wie die IG Metall am Donnerstag mitteilte, planen Gewerkschaft, Betriebsräte und Beschäftigte zahlreiche Aktionen, mit denen sie protestieren wollen.
Für den 27. März ist zudem ein runder Tisch geplant, bei dem über die Zukunft der Standorte und der Arbeitsplätze gesprochen wird. Daran sollen Vertreter der Wirtschaftsministerien der drei betroffenen Bundesländer, Bürgermeister, Arbeitnehmervertreter und der Senvion-Vorstand teilnehmen. „Die Beschäftigten erwarten auch Ideen von der Geschäftsführung“, sagte Meinhard Geiken, Bezirksleiter IG Metall Küste. Es sei eine Unverschämtheit, dass der Konzern Gewerkschaft wie Betriebsräte vor vollendete Tatsachen gestellt habe. Die Arbeitnehmer erwarteten, dass mit ihnen verhandelt wird – und zwar „nicht über Schließungen, sondern über Alternativen“. Geiken kündigte an: Wenn der Vorstand allein auf Entlassungen und Schließungen setze, dann würde es zu einem „harten Konflikt“ kommen.
Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) besuchte am Donnerstagmorgen den Husumer Senvion-Standort, um sich mit der Geschäftsführung und dem Betriebsrat auszutauschen. Nach den bisherigen Plänen des Unternehmens soll die Produktion dort komplett geschlossen werden, direkt betroffen sind etwa 100 Beschäftigte. Gut 120 Beschäftigten aus dem Service soll angeboten werden, nach Schleswig zu wechseln. Ähnliches ist auch für Bremerhaven geplant: Dort soll die Produktion der Senvion-Tochter Power-Blades mit ihren 250 Mitarbeitern eingestellt werden. Ein Teil von ihnen kann offenbar in der Gondel-Herstellung am Standort unterkommen. Senvion begründete die Maßnahmen, denen in Deutschland insgesamt 730 Jobs zum Opfer fallen sollen, mit dem stärker werdenden Wettbewerbs- und Preisdruck.
Tatsächlich geht aus den Geschäftszahlen für 2016 hervor, dass das Unternehmen auch im vergangenen Jahr in den roten Zahlen geblieben ist. Allerdings hat Senvion seinen Jahresverlust reduzieren können: von 106 Millionen Euro in 2015 auf 65 Millionen Euro. Der Umsatz stieg laut Geschäftsbericht um 3,4 Prozent auf 2,21 Milliarden Euro. „2016 konnten wir eine starke Grundlage für die weitere Entwicklung von Senvion schaffen“, teilte Vorstandschef Jürgen Geißinger mit. Die Expansion in neue Märkte gewinne an Dynamik. Da sich der bislang starke deutsche Markt von mehr als fünf Gigawatt installierter Leistung in 2015 auf 2,8 Gigawatt nach Firmenangaben nahezu halbiert hat, setzt Senvion nun verstärkt auf Auslandsmärkte. „Gleichzeitig werden wir daran arbeiten, unsere Effizienz in der Organisation zu verbessern“, ergänzte Geißinger. Der nun geplante Stellenabbau sei Teil einer „Gesamtstrategie zur Sicherstellung einer erfolgreichen Zukunft. Die Schließung der Standorte sei „wirklich notwendig, um unsere Betriebskosten zu reduzieren“, sagte er in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Die heftige Reaktion der Arbeitnehmer habe ihn nicht überrascht.
Sowohl in Husum als auch in Bremerhaven sind für Montag Betriebsversammlungen an den jeweiligen Senvion-Standorten geplant. Im brandenburgischen Trampe, der dritte Standort vor dem Aus, hatten bereits am Mittwoch 200 Angestellte des Windanlagenherstellers zusammen mit Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) vor den Toren gegen die Umstrukturierungspläne demonstriert. „Die Männer und Frauen von Senvion kämpfen um ihre Arbeitsplätze und ihre Existenz in der Region“, sagte Gerber. „Die Wut der Belegschaft ist groß“, ergänzte Olivier Höbel, Bezirksleiter der IG Metall für Berlin, Brandenburg und Sachsen. Dem Management gehe es offenbar nur um schnelle Rendite. „Das Unternehmen wird nicht attraktiver, wenn es Hunderte Beschäftigte entlässt und Standorte schließt, aber ein Zukunftskonzept für eine nachhaltige Entwicklung fehlt.“