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Coach Tania Neubauer über Start-ups in Bremen „Es gibt kein Scheitern über Nacht“

Top oder Flop? Die Diplom-Betriebswirtin Tanja Neubauer erzählt, warum manche Gründer sich mit ihrer Idee durchsetzen, während andere es nicht können.
20.02.2017, 20:05 Uhr
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„Es gibt kein Scheitern über Nacht“
Von Lisa Schröder

Top oder Flop? Die Diplom-Betriebswirtin Tanja Neubauer vom Gründernetzwerk Begin erzählt, warum manche Gründer sich mit ihrer Idee durchsetzen, während andere es nicht können.

Frau Neubauer, auf dem Weg zum Chefsessel kann einiges schiefgehen. Was sind die größten Fehler, die man machen kann?

Tania Neubauer: Eine Idee zu haben, heißt nicht automatisch, ein Geschäftsmodell zu haben. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Der schwerwiegendste Fehler ist, einfach anzunehmen, dass es schon eine Nachfrage geben wird. Zentral für alle Gründerinnen und Gründer sind aber der Markt und die Nachfrage. Ich muss sehr früh meinen Blickwinkel ändern: Wer ist mein Kunde? Was ist sein Bedarf?

Oft wird darauf zu wenig Zeit verwendet, obwohl es das A und O ist. Begeisterung für die Idee ist zudem nicht gleich mit Kaufabsicht zu verwechseln. Menschen sind schnell begeistert. Spannend ist die Frage, ob jemand für das Produkt oder die Dienstleistung bezahlen würde. Man muss zudem mit vielen Menschen sprechen. Im kleinen stillen Kämmerlein findet man nichts heraus.

Die Idee für sich zu behalten – kann das zum Problem werden?

Ich habe mich darüber mit vielen Gründern und Start-ups unterhalten. Die überwiegende Meinung ist: Geh raus und sprich darüber, nur so bekommst du Feedback und ein Gefühl, was deine Kunden wollen. Alleine diskutiert es sich schwer. Oft kommt der Einwand, dass die Idee geklaut werden könnte. Das kann aber auch passieren, wenn man bereits am Markt ist. Viele scheuen jedoch davor zurück, potenzielle Kunden, Kooperationspartner oder Geschäftspartner zu befragen. Dabei hilft es, sich gut zu vernetzen.

Gibt es wiederkehrende Probleme beim Thema Finanzierung?

Kapitalbedarf gibt es eigentlich immer. Auch wer „nur“ mit einem kleinen Dienstleistungsangebot startet, muss die Zeit überbrücken, bis das Geld aus dem Auftrag auf dem Konto ist. Dieser Liquiditätsbedarf wird häufig nicht bedacht. Zudem ist es wichtig, vor dem Start den Finanzierungsbedarf umfassend zu ermitteln und nicht zu knapp zu kalkulieren. Und man sollte keine Verpflichtungen eingehen, bevor man nicht sicher ist, dass es mit der Finanzierung klappt. Es passiert leider fast wöchentlich, dass jemand einen Mietvertrag unterschrieben hat, ohne ihn finanzieren zu können.

Wie sieht es bei der Finanzierung für Start-ups in Bremen aus?

Zum einen gibt es öffentliche Finanzierungsmöglichkeiten oder auch über die Geschäftsbanken. Darüber hinaus gibt es aber auch private Investoren, die sich engagieren. Ich würde mir wünschen, dass es zukünftig noch mehr gibt und dass diese Investoren sich auch öffentlich präsentieren, zum Beispiel auf unserer Internetseite. Vor der Finanzierung steht aber die erfolgreiche Präsentation, hier müssen Start-ups zuerst fit werden.

Gibt es Gründer, deren Projekt für Sie auf den ersten Blick schon hoffnungslos scheint?

Ja, das gibt es. Wir versuchen aber, wie ein Sparringpartner auf dem Weg zu unterstützen, und stellen vor allem Fragen. Häufig erkennen die Gründungsinteressierten, dass ihr Weg nicht funktioniert. Jeder Gründer braucht einen unternehmerischen Werkzeugkoffer, denn er allein ist der Kapitän auf seinem Schiff. Dafür braucht er Grundwissen über Marketing, Vertrieb, Akquise und kaufmännische Kompetenzen. Fachleute und Experten können helfen, aber das Steuer darf der Gründer nicht aus der Hand geben. Unsere Aufgabe ist es, quasi dabei zu unterstützen, in die Rolle des Kapitäns zu kommen.

Es gibt Veranstaltungen, bei denen Gründer über ihr gescheitertes Projekt sprechen. Lernt man aus den Fehlern anderer?

Absolut. Das finde ich super! Dort lernt man „am lebenden Objekt“. Was ich eben beschrieben habe, bekommt ein ganz anderes Gewicht, wenn jemand davon berichtet, der es tatsächlich erlebt hat – und zwar offen, schonungslos und authentisch. Ich war selbst auf solchen Veranstaltungen. Ich fand es beeindruckend, wie intensiv die Gäste danach den Dialog fortsetzen, vielleicht, weil sie sich in der Situation selbst wiedererkannt haben. Leider haben wir keine ausgeprägte Fehlerkultur in Deutschland etabliert. Wir sind erfolgsorientiert; Scheitern wird als Makel empfunden. Deshalb sprechen nicht viele Menschen darüber. Und solche Veranstaltungen helfen, dies zu ändern.

Wie lässt sich das Scheitern verhindern?

Scheitern hat den positiven Aspekt, dass man in der Regel daraus lernt und es zukünftig besser machen kann. Die gute Nachricht: Man scheitert in der Regel nicht über Nacht. Nur in ganz seltenen Fällen passiert das, wenn man zum Beispiel in Abhängigkeit eines Auftraggebers ist und dieser wegbricht. Das Scheitern ist ein schleichender Prozess. Wenn ich merke, dass ich Probleme bekomme, gibt es Möglichkeiten dagegenzusteuern. Wichtig ist, dass man sich rechtzeitig Hilfe holt. In Bremen sind wir mit unserem Gründungsnetzwerk auch da, wenn es mal schwierig wird.

Können Sie sich an eine Idee erinnern, die zum Scheitern verurteilt war und dann doch geklappt hat?

Überraschungen erleben wir jeden Tag. Der erste Eindruck zählt ja bekanntlich, aber im Laufe der Beratung können sich Gründerinnen und Gründer verändern und an ihren Fertigkeiten arbeiten. Sie entwickeln vielleicht sogar eine Leidenschaft für ein Thema, zu dem sie am Anfang keinen Zugang hatten – wie den Businessplan oder überhaupt Kalkulation. Wenn die Gründer ihren Nutzen erkannt haben, dann bekommen sie Biss.

Das ist toll zu sehen, wenn man es vorher nicht erwartet hat. Ich erinnere mich an eine Teilnehmerin, die eine Gastronomie aufmachen wollte. Kaufmännisch funktionierte das am Anfang aber gar nicht. Die Gastronomie ist übrigens die Risikobranche schlechthin. Es ging dann um ein großes Darlehen bei der Bank, darum, Unterlagen aufzubereiten. Diese Gründerin hat wirklich Feuer und Flamme gefangen und entwickelte sich zur Expertin. Im Business ist sie heute extrem erfolgreich – und stolz darauf.

Glück, Fleiß, die gute Idee – was entscheidet letztlich über den Erfolg?

Die Persönlichkeit ist das Ausschlaggebende. Wer mit Power, mit absolutem Willen und gegen alle Widerstände seine Idee durchsetzt, der ist erfolgreich. Wenn dann noch das Glück im Sinne einer guten Gelegenheit dazukommt, dann ist das die perfekte Mischung.

Was macht einen guten Unternehmer noch aus?

Das ist eine spannende Frage. Im Internet gibt es Tests nach dem Motto: Bin ich ein Unternehmertyp? Davon kann ich nur abraten. Herauskommt bei diesen Tests in der Regel der Übermensch, der alles perfekt kann. Frustration und Zweifel sind die Folge. Dagegen können sehr unterschiedliche Menschen erfolgreich sein. Wichtig ist, das Ziel im Blick zu haben – ob als extrovertierter Marktschreier oder als introvertierter, ruhiger Typ. Doch zur Branche sollte man passen. In der Gastronomie braucht es andere Stärken als im IT-Bereich.

Gibt es einen Unternehmer, den Sie bewundern?

Sohrab Mohammad von Reishunger finde ich beeindruckend. Er hat eine hohe Zielstrebigkeit, persönliches Engagement, ethische Werte und den Biss für sein Unternehmen. Er ist von einer durchaus erfolgreichen Anstellung in die Selbstständigkeit gewechselt und hat dort klein begonnen. Er hat aber den unbedingten Willen gehabt und eine Menge Herzblut investiert. Das hat sich ausgezahlt.

Das Interview führte Lisa Boekhoff.

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