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Fitnessstudios und die Rechte der Mitglieder Von Lockdown-Wertgutscheinen ist keine Rede

Die Fitnessstudios sind wieder geöffnet. Was mit gezahlten Mitgliedsbeiträgen aus dem Lockdown passieren soll, hat der Gesetzgeber 2020 speziell geregelt. Einige Studios haben aber eine andere Rechtsauffassung.
30.06.2021, 18:24 Uhr
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Von Lockdown-Wertgutscheinen ist keine Rede
Von Florian Schwiegershausen

Seit mehr als drei Wochen haben Bremens Fitnessstudios wieder geöffnet. Viele freut es, dass sie wieder trainieren können. Doch beim Umgang mit Verbraucherrechten ist manchem die erste Freude verflogen. Dem WESER-KURIER liegen dazu einige Beispiele vor. Konkret geht es um FitX, das mit drei Studios in Bremen vertreten ist. Mit mehr als 90 Standorten ist es eine der größten Fitnessketten bundesweit.

Mitglieder, die ihre Beiträge seit November weiter gezahlt hatten, erhielten die Nachricht: "Freimonate wegen Lockdown: 10 Monate. Die Monate hast du im Lockdown schon bezahlt. Wenn du kündigst, kannst du diese Monate nach Vertragsende kostenlos weiter trainieren." Es klingt nach Kundenfreundlichkeit.

Studio bietet keine Wertgutscheine

Doch erst wenn die Kunden kündigen, können sie die bereits bezahlten Monate in Anspruch nehmen. "Aber eigentlich will ich ja nicht kündigen", sagt ein Mitglied. Weitere Optionen teilte FitX den Mitgliedern nicht mit. Eine Möglichkeit, die der Gesetzgeber vorsieht, ist ein Wertgutschein über die gezahlte Summe. Doch diesen Wertgutschein wolle das Unternehmen nicht ohne Weiteres herausgeben, wie FitX-Sprecherin Maike Blankenstein mitteilte. Der könne nur für alle Verträge infrage kommen, die vor dem 8. März 2020 geschlossen wurden.

Es gibt jedoch auch eine zweite Option, die in den bekannten Fällen den Mitgliedern aber nicht angeboten wurde. "Anstatt zu vermuten, ob eine Gutscheinlösung für unsere Mitglieder infrage kommt oder zumutbar ist, haben wir entschieden, die Möglichkeit zu bieten, die Beiträge zurückzufordern", sagt die FitX-Sprecherin. Die Mitglieder müssen dabei einer Änderung ihres Vertrags zustimmen, dieser verlängere sich dann entsprechend um die betroffenen Monate. Dabei beruft sich FitX auf Paragraf 313 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) – Störung der Geschäftsgrundlage. Die Corona-Pandemie beträfe beide Vertragsparteien gleichermaßen, sodass nicht eine Seite allein mit den Folgen zu belasten sei.

So wie FitX verfahren auch andere Fitnessstudios in der Hansestadt, wie Mathias Hufländer, Rechtsexperte der Verbraucherzentrale Bremen, aus seinen Beratungen weiß. Dem folgt der Jurist nicht und verweist auf die Regelung mit dem Wertgutschein, die der Gesetzgeber vor einem Jahr geschaffen hat: "Damit wollte man Insolvenzen in der Veranstaltungs- und Freizeitbranche verhindern. Und so trat im Mai 2020 das 'Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht' in Kraft." Laut Hufländer gelte das, statt sich wie die Studios auf den Paragrafen 313 zu berufen.

Im Falle von FitX sagt der Rechtsexperte: "Was die jetzt machen, ist tricky. Die geben gar keinen Gutschein raus, sondern wenn man kündigt, hängen sie die Monate einfach hinten dran." Klar ist aus Sicht des Verbraucherschützers: Eine Vertragsänderung ohne die Zustimmung der anderen Vertragspartei ist unzulässig.

Ein anderes Modell der Studios: Wer die Lockdown-Monate nicht gezahlt hat, soll diese Zeit ans Ende der bisherigen Vertragslaufzeit dranhängen. So bietet Markus Begerow, Geschäftsführer der lokalen Fitnesskette ULC, es alternativ zum erwähnten Wertgutschein seinen Mitgliedern in einem Youtube-Video an: Man möge sich für eine der beiden Optionen entscheiden. Begerow hält das für eine faire Lösung.

Vertrag ist Vertrag

Auf diese Weise einfach so den Vertrag zu verlängern, missfällt Hufländer jedoch ebenso: „Vertrag ist Vertrag, und der Vertrag sieht zwei Jahre Laufzeit vor, also muss ich nur zwei Jahre Laufzeit akzeptieren." Der Jurist sagt dazu: "Hier will man eine Vertragsanpassung erreichen." Aber auch da greife das Abmilderungsgesetz statt Paragraf 313 BGB.

Monate dranhängen ohne Angebot für einen Wertgutschein? In einem solchen Fall können die Betroffenen laut Hufländer zur Verbraucherzentrale gehen: "Wir geben den Leuten ein Schreiben an die Hand, aus dem hervorgeht: Liebes Fitnessstudio, ein Vertrag über 24 Monate ist auch nach 24 Monaten vorbei.“

ULC-Geschäftsführer Begerow sagt, dass die Verbraucherzentrale und die Unternehmen manchmal entgegengesetzte Ansichten hätten. Er sieht es auch so, dass die Last der Corona-Krise nicht einseitig verteilt werden sollte: "Da erscheint eine Vertragsverlängerung eben als angemessen, beziehungsweise ist es keine einseitige Benachteiligung des Verbrauchers."

In einem vorliegenden Beispiel fühlt sich ein Mitglied bei ULC aber eher zur Vertragsverlängerung gedrängt, obwohl ihm dies missfällt. Das Mitglied hatte in den Lockdown-Monaten die Zahlungen eingestellt. Begerow sagt abschließend: "Grundsätzlich sind wir immer an einer einvernehmlichen Lösung mit unseren Mitgliedern interessiert." Schließlich sei man lange am Markt.

Ausgestellte Wertgutscheine müssen laut Verbraucherzentrale mindestens drei Jahre gültig sein. Wer den Gutschein bis Ende des Jahres nicht einlöst, hat in diesem speziellen Fall laut Abmilderungsgesetz Anrecht auf Auszahlung. Und wer meint, sein Fitnessstudio trotz Corona-Hilfen und Kurzarbeitergeld unterstützen zu wollen, fordert weder Gutschein noch freie Trainingsmonate. In einigen Städten endete ein Streit bereits vor dem Amtsgericht. Die Urteile sind bisher aber uneinheitlich.

Zur Sache

Gesetzesänderungen bei Verbraucherverträgen

Die Vertragslaufzeiten für Handytarife, Streamingdienste oder Fitnessstudios werden gesetzlich beschränkt, um den Wechsel zu einem anderen Anbieter zu erleichtern. Der Bundestag hat vergangenen Freitag ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, das Verbrauchern auch die Kündigung ihrer Verträge erleichtern soll.

Von einer grundsätzlichen Verkürzung der Vertragslaufzeiten auf ein Jahr, die in dem Gesetzgebungsverfahren zwischenzeitlich erwogen wurde, nahm die schwarz-rote Koalition aber Abstand. Wie schon nach geltendem Recht kann eine Mindestvertragslaufzeit von bis zu zwei Jahren grundsätzlich auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden, ohne dies an weitere Voraussetzungen zu binden. Zum Schutz der Verbraucher würden aber strengere Regelungen für die automatische Verlängerung von Verträgen getroffen, erklärte Jan-Marco Luczak, der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion. Eine automatische Verlängerung von befristeten Verträgen soll demnach nur noch sehr eingeschränkt möglich sein.

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