Die Tarifverhandlungen am 13. Juni verliefen zäh. Die ganze Nacht, Stunde um Stunde verhandelten Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter des Flughafens Bremen über die Konditionen für die Beschäftigten einer Airport-Tochtergesellschaft. Dieser lange Abend im Atlantic-Hotel sollte schwerwiegende Folgen für Flughafenchef Jürgen Bula haben: Für sein Verhalten bekam er im Nachhinein eine Art Abmahnung. Das bestätigte am Freitag das Wirtschaftsressort. Medien hatten berichtet, dass Bula während der Verhandlungen viel Alkohol getrunken und Verhandlungsteilnehmer beschimpft habe. Mitglieder der Runde bestätigten dies gegenüber dem WESER-KURIER.
Für Flughafenbetriebsratschef Andree Hoberg kann Bulas Vorgehen nur eine Konsequenz haben: „Er ist für uns nicht mehr tragbar“, sagte er am Freitag. Denn was den Alkoholkonsum angeht, gibt es für Mitarbeiter am Bremer Flughafen klare Anweisungen. So gilt, „dass die Dienstausübung unter Alkoholeinfluss während der gesamten Dienstzeit strikt untersagt ist. Diese Anordnung ist unbedingt einzuhalten“, heißt es in einer Verfügung, an die sich alle Mitarbeiter – also auch Bula – zu halten haben. Verstöße dagegen hätten arbeitsrechtliche Konsequenzen.
Der Flughafenchef ging am Freitag mit einer persönlichen Erklärung an die Öffentlichkeit. „Ich möchte mich in aller Öffentlichkeit, aufrichtig und in aller Form entschuldigen“, teilte Bula mit. Er habe einen Fehler gemacht, „der mir nicht hätte passieren dürfen. Mein Verhalten während der Tarifverhandlungen war ohne Frage unangemessen.“ Es tue ihm außerordentlich leid, „die Erwartungen, die Kraft meines Amtes in mich gesetzt werden, in diesem Zusammenhang enttäuscht zu haben“.
Verhandlungsführer in jener Juni-Nacht waren auf Seiten des Flughafens Bula und Finanzstaatsrat Hans-Henning Lühr. Er soll den Flughafen-Chef wegen seines Alkoholkonsums gegen 21 Uhr von der Verhandlungsführung entbunden haben. Zu diesem Zeitpunkt liefen die Gespräche bereits gut fünf Stunden.
Das Wirtschaftsressort als zuständige Behörde – der Flughafen ist zu 100 Prozent im Eigentum Bremens – habe gleich nach Kenntnisnahme des Vorfalls reagiert: „Wir haben uns bemüht, den Vorfall unmittelbar aufzuklären. Im Ergebnis hat das die Konsequenz gehabt, den Geschäftsführer zu rügen“, sagte Wirtschaftsressortsprecher Tim Cordßen am Freitag. Das könne man auch als Gelbe Karte verstehen. Eine Abmahnung im Wortsinn gibt es demnach bei Geschäftsführern nicht, die Rüge sei aber als eine solche zu verstehen. Staatsrat Ekkehart Siering, der auch Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafen ist, hat laut Cordßen klargestellt, dass ein erneuter Vorfall dieser Art eine sofortige Kündigung zur Folge habe. Der Sprecher teilte außerdem mit, dass sich das Ressort und Bula darauf geeinigt hätten, ärztlich dokumentieren zu lassen, dass bei dem Flughafenchef keine Suchterkrankung vorliegt. Zuerst hatte das Nachrichtenmagazin „Buten und Binnen“ berichtet.
Ist Bula als Flughafenchef zu halten?
Dass nun öffentlich über die Vorgänge während der Tarifverhandlungen diskutiert wird, sorgt in der Politik für Verwunderung und Zurückhaltung. „Auch Herr Bula hat ein Recht auf Vertraulichkeit, das im Angestelltenverhältnis gewahrt werden muss“, sagte die FDP-Fraktionsvorsitzende Lencke Steiner auf Nachfrage. Die Vorgänge sollten in den zuständigen Gremien vertraulich aufgeklärt werden. „Ich bin verwundert, dass der Zwischenfall nun öffentlich geworden ist. Ich kann nur hoffen, dass dies nicht passiert ist, um Herrn Bula zu schaden.“
Die Frage ist nun, ob der Vertrag des 55-jährigen Flughafenchefs, der noch bis 2019 läuft, verlängert wird. In der Regel werden etwa ein Jahr im Voraus entsprechende Gespräche geführt. Ob Bula zu halten ist? "Im Juni haben wir den Vorfall bewertet und uns gegen eine fristlose Kündigung entschieden", sagte Cordßen. "Daran hat sich nichts geändert."
Der Flughafenchef hatte seinen Posten 2009 angetreten, nachdem seinem Vorgänger Manfred Ernst gekündigt worden war. Der Vorwurf gegen ihn: Er habe mehrere Familienangehörige in guten Positionen beschäftigt. Laut Beteiligungsbericht der Freien Hansestadt Bremen hatte Bula 2015 ein Jahresgehalt von 275.000 Euro.
Jeder verdiene eine zweite Chance, sagte Linken-Fraktionschefin Kristina Vogt. Zum Vorgehen von Aufsichtsratschef Siering sagte sie: „Ich kann das Vorgehen von Herrn Siering nicht beanstanden.“ Als Aufsichtsratschef müsse er so handeln. „Ob Jürgen Bula sich falsch verhalten hat, muss im Unternehmen geklärt werden“, sagte auch der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Reinken. Es sei am Aufsichtsrat, den Vorgang zu klären. „Ich sehe keinen Anlass, das politisch zu kommentieren.“ Die CDU nahm keine Stellung.
Für Bula ist die Sache klar: „Menschen machen Fehler, und aus Fehlern lernt man“, sagte er. „Ich möchte diese Möglichkeit nutzen, zu versichern, dass dergleichen nicht wieder vorkommen wird.“ Er werde alles daran setzen, „in mich gesetztes Vertrauen künftig ausnahmslos zu erfüllen“.
++ Dieser Text wurde am 20.10.2017 um 19.25 Uhr aktualisiert ++