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Gas-Lieferstopp Firmen schließen Produktionsausfälle nicht aus

Ein Lieferstopp von russischem Gas würde vor allem die energieintensive Industrie treffen. Was das für Unternehmen aus der Region bedeutet und weshalb einzelne Firmen langfristig profitieren könnten.
28.04.2022, 18:35 Uhr
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Firmen schließen Produktionsausfälle nicht aus
Von Peter Hanuschke

Etwa drei Viertel des Energiebedarfs werden beim Braukonzern AB-Inbev am Bremer Standort nach eigener Aussage über Gas abgedeckt. Dennoch sorgt ein möglicher Lieferstopp für russisches Gas nach Deutschland nicht für Panik: "Wir sind nicht besorgt, wir sehen uns gut vorbereitet", so AB-Inbev-Sprecher Fried-Heye Allers. Andere Branchen fürchten dagegen massive Produktionsausfälle oder gar den Stopp der gesamten Produktion. Der Lilienthaler Industrieofenhersteller Nabertherm sieht vor allem Probleme in der Beschaffungskette. Der Lebensmittelhersteller DMK würde wohl bevorzugt mit Gas versorgt werden, weil er zur kritischen Infrastruktur zählt.

Bislang gilt die „Frühwarnstufe“ des sogenannten Notfallplans Gas von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Verschlechtert sich die  Gasversorgungslage erheblich, folgt die Alarm- beziehungsweise Notfallstufe. Und das hat Konsequenzen: Dann übernimmt die staatliche Bundesnetzagentur die Verteilung des rationierten Gases. Welche Industrien dabei bevorzugt und welche Kriterien dabei berücksichtigt werden, darüber sind noch keine Einzelheiten bekannt. Mehr als ein Drittel des gesamten deutschen Erdgasverbrauchs geht auf die Industrie zurück, schreibt tagesschau.de und bezieht sich auf Aussagen des Bundesverbands Energie- und Wasserwirtschaft. 

Nabertherm, der Industrieofenspezialist aus Lilienthal, wäre am eigenen Standort  nicht komplett unabhängig vom Gas - allerdings sei die Abhängigkeit im Produktionsprozess sehr gering, so Geschäftsführer, Timm Grotheer. Problematischer sieht eine mögliche Gas-Verknappung aber in der eigenen Beschaffungskette aus: "Sowohl verbaute Metallkomponenten, wie auch Isoliermaterial von Zulieferern hängen faktisch an Produktionsprozessen, die auch vom russischen Gas indirekt abhängig sind." Die eigene Fertigungsfähigkeit allerdings wäre weitgehend auch bei Rationierung von Gaszulieferungen weiter gewährleistet.

Der Bedarf an Gas sei prozentual am Gesamtenergieverbrauch zwar hoch, "aber wir haben sehr effiziente Turbinen, die den absoluten Verbrauch geringer ausfallen lassen, als man vielleicht denkt", so AB-Inbev-Sprecher Allers. Unabhängig davon plane das Unternehmen sehr konkret, die Dächer am Bremer Standort mit Photovoltaik-Anlagen auszurüsten. Das sei nicht als Ersatz für Gas vorgesehen, sondern ein grundsätzlicher Schritt hin zu mehr Energieunabhängigkeit.

Klar ist beim Notfallplan Gas bislang, dass Privathaushalte und öffentliche Einrichtungen bevorzugt versorgt werden sollen. Die Stimmen aus der Industrie gegen diese Priorisierung mehren sich. Diese Rangfolge müsse dringend überdacht werden, zitiert das "Handelsblatt" beispielsweise Mats Gökstorp, Vorstandschef des Sensorspezialisten Sick: Es müsse eine Balance gefunden werden, die beiden Bereiche würden zu stark voneinander abhängen. Derweil steige bei Unternehmen die Unsicherheit, wo man letztlich in der Reihenfolge landet: "Wir haben große Sorge, dass es uns als einen der Ersten trifft, wenn die Gasversorgung gedrosselt oder sogar abgeschaltet werden muss", sagte kürzlich Patrick Zahn, Chef des Textildiscounters Kik, dem "Handelsblatt".

Milch und Milchprodukte seien leicht verderbliche Grundnahrungsmittel für den täglichen Bedarf der Bevölkerung, so DMK-Sprecher Oliver Bartelt. "Molkereien werden somit durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft als kritische Infrastruktur eingestuft, die einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des lebensnotwendigen Bedarfes leisten."

„Solange keine absoluten Verwerfungen durch den Krieg oder durch Energierationierung greifen, profitiert Nabertherm perspektivisch durch das Produktprogramm von der Orientierung hin zu strombasierten und weniger Gas unterlegten Prozessen", so Geschäftsführer Grotheer. Ein Großteil industrieller thermprozesstechnischer Fertigung weltweit hänge traditionell stark an gasbeheizten Ofentypen. "Bereits die Diskussion um Nachhaltigkeit und CO2 Footprint haben uns in der Nachfrage Schub gegeben." Traditionell stehe Nabertherm für sogenannte widerstandsbeheizte, sprich durch Strom betriebene Ofentypen.

Die Verarbeitung der Milchprodukte sei aufgrund der hohen hygienischen Standards energieintensiv, so Bartelt. Wichtigster Energieträger in der Milchindustrie sei mit Abstand Gas. Aufgrund der aktuellen Pandemielage hätten die Molkereiunternehmen bereits in dem Zusammenhang detaillierte Planungen erstellt, welche kritischen Produktionsbereiche abgeschaltet werden könnten. Diese Erkenntnisse würden durchaus auch für ein Szenario „Gasmangel“ anwendbar sein. Dabei stehe die sichere Verarbeitung der angelieferten Milchmengen im Vordergrund. Eine gesicherte Energieversorgung für die Landwirtschaft und die kritische Infrastruktur Ernährung sei von essenzieller Bedeutung, um die verlässliche Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln zu gewährleisten. "Das ist als Unternehmen der kritischen Infrastruktur grundsätzlich unsere oberste Zielsetzung."

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