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Dating-Apps fallen im Test durch Geheimnisse in Gefahr

Stiftung Warentest hat die Datenschutzbestimmungen von 22 Dating-Apps untersucht. Nur vier von ihnen schützen die Daten ihrer Nutzer demnach überhaupt „akzeptabel“.
28.02.2018, 21:58 Uhr
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Geheimnisse in Gefahr
Von Jan-Felix Jasch

Vom Wohnort über die sexuelle Orientierung bis hin zu Nacktbildern – die Informationen, die in Dating-Apps ausgetauscht werden, sind von Natur aus hochsensibel. Stiftung Warentest hat die Datenschutzbestimmungen von Dating-Apps untersucht und kommt zu dem Schluss: Von 22 Apps schützen nur vier die Daten ihrer Nutzer überhaupt „akzeptabel“.

Dazu gehören die Apps Bildkontakte in der iOS- und der Android-Version sowie eDarling, Lovescout24 und Neu.de in der Android-Version. "Dass Datenschutz im Onlinedating ein besonderes Thema ist, versteht sich von selbst", sagte Christian Kirschey, Geschäftsführer von Bildkontakte. "Unsere Mitglieder teilen sensible Daten mit uns, und wir stehen in der Verantwortung, diese Daten zu schützen. Deswegen ist uns Sicherheit von jeher ein zentrales Anliegen."

Nicht nur wegen der Untersuchung von Stiftung Warentest, sondern auch im Hinblick auf die im Mai 2018 in Kraft tretende neue EU-Datenschutzgrundverordnung geht Kirschey davon aus, dass auch der Rest der Branche sich dem Thema Datenschutz nun stärker widmen wird. Stiftung Warentest untersuchte von November 2017 bis Januar 2018 22 Dating-Apps jeweils in den Android- und iOS-Varianten.

Bildkontakte gilt als einer der Vorreiter der Branche. Die Webseite wurde mehrfach ausgezeichnet. Und auch von der Initiative "Safer Dating" hat bildkontakte.de ein vertrauenerweckendes "Sehr gut" in puncto Sicherheit erhalten. Mehr als vier Millionen Menschen haben einen Partner über Bildkontakte gesucht, bis zu 10.000 Nutzer sind dort gleichzeitig online.

„Erhebliche Schwächen“ im Datensendeverhalten oder der Datenschutzerklärung zeigen laut den Warentestern alle anderen Apps – darunter auch besonders prominente und weit verbreitete Plattformen wie Tinder, Parship, Grindr, Badoo oder Lovoo. Die Warentester beurteilten den Datenumgang einer App als kritisch, wenn sie Informationen sendete, die für ihren Betrieb nicht zwingend notwendig sind.

Auch wenn die Dating-Apps genaue Nutzerzahlen in der Regel geheim halten: Schätzungen zufolge gibt es in Bremen knapp 127.000 Menschen, die sich auf Partnersuche befinden, mehr als 90.000 von ihnen sollen dabei im Internet aktiv sein. Insgesamt sind Millionen Menschen von den Problemen betroffen: Allein auf Tinder sind nach jüngsten Schätzungen von Ende 2017 mehr als 45 Millionen Menschen weltweit – geschätzt rund 800.000 aus Deutschland – auf der Suche nach Sex oder Liebe.

Schneller und bequemer als im echten Leben

Die Plattformen funktionieren dabei in der Regel nach ähnlichem Prinzip: Der Nutzer legt sich zu Beginn ein für andere Nutzer öffentliches Profil an, stellt Bilder von sich online und verrät Informationen, die bei der Partnerjagd online attraktiv machen. Unerlässlich sind hierbei Daten wie der Standort. Die meisten Apps senden das erstellte Profil nämlich an Personen, die in der direkten Umgebung leben.

Schneller und bequemer als im echten Leben soll die Suche schließlich laufen. Je nach Plattform sind diese Daten ergänzbar durch so ziemlich alles: Lieblings-Eiscremesorte und favorisierte Lektüre können hier ebenso vermerkt werden wie Informationen darüber, ob man hetero- oder homosexuell ist, fremdgeht oder Single ist, auf Blümchen- oder Gruppensex steht.

Ist das Gegenüber interessiert, genügt ein Klick und die beiden Accounts werden verbunden – dann können die beiden Seiten sich im privaten Chat unterhalten. Auch hier wird es bei einigen rasch sehr intim: Immer wieder beschweren sich zum Beispiel Tinder-Nutzerinnen über inflationär versendete Fotos von männlichen Geschlechtsteilen. Erfahrungen gibt es zuhauf auf der Internetseite www.tinderwahnsinn.de.

Bei den laxen Datenschutzbestimmungen vieler App-Anbieter ist zu viel Offenheit allerdings ein Problem: „Auch was Sie in persönlichen Chats, vermeintlich unter vier Augen, austauschen, liegt auf den Servern der Anbieter“, stellen die Warentester fest. Das kann schnell eine Datenmenge von erheblichem Ausmaß sein: Die französische Journalistin Judith Duportail ließ sich im Oktober 2017, nach rund vier Jahren Nutzung der App, von Tinder alle auf den Servern gespeicherte Daten über sie zuschicken.

Das Ergebnis war für sie unerwartet: 800 Seiten, die detaillierte Informationen wie Alter, Bildungsstand, Zahl der Facebook-Freunde, verbrachte Zeit auf Tinder, bevorzugtes Männer-Alter und jede einzelne der 1700 Nachrichten dokumentieren, die Duportail über die App verschickte. Mit der Speicherung ist es aber noch nicht getan.

„Viele Anbieter, darunter auch Tinder, behalten sich vor, diese Daten mit Dritten zu teilen“, so die Warentester weiter. Wer die Dritten seien, und in welchem Umfang Informationen an sie weitergegeben werden, bleibe auch nach eingehendem Studium der Datenschutzerklärung oft unklar. Im aktuellen Test schickten App-Versionen von Jaumo und C-Date zum Beispiel detaillierte Geräteinformationen an das große Werbenetzwerk Flurry.

Weitergabe über Ländergrenzen hinweg

Auch Facebook erhält von einigen Apps Informationen, wie zum Beispiel den Namen des Mobilfunkanbieters oder Nutzungsstatistiken. Außerdem behalten sich etliche Apps vor, die Infos auch über Ländergrenzen hinweg weiterzugeben – bevorzugt in Länder mit geringerem Datenschutz. Tinder zum Beispiel spricht von „Servern in den USA und Ländern der ganzen Welt“ – potenziell können die Daten also überall landen.

Das führt zum nächsten Problem. „Der Anwender kann nicht einschätzen, ob seine Daten vor den Einblicken Außenstehender geschützt sind“, schreibt Stiftung Warentest. Denn natürlich sind die persönlichen Daten nicht nur für Werber eine Goldgrube.

Auch Cyberkriminelle haben ein Interesse daran, wie zum Beispiel der Hack des Seitensprung-Portals Ashley Madison 2015 zeigte: Hacker veröffentlichten damals Nutzerdaten, Passwörter und Kreditkarteninformationen von knapp 33 Millionen Nutzern – eigentlich, um darauf aufmerksam zu machen, dass das Portal die Daten auch nach einer Kündigung der Mitgliedschaft noch speichert. Zahlreiche Nutzer sollen danach allerdings Opfer von Erpressung geworden sein.

Festnahme von Homosexuellen

In schwulenfeindlichen Ländern können die intimen Daten auch rasch Freiheit und Leben der Nutzer in Gefahr bringen: Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnte zuletzt davor, dass Ermittlungsbehörden in Ägypten Apps wie Grindr und Tinder nutzen, um Homosexuelle aufzuspüren und zu verhaften. Die Ermittler geben sich dabei auf den Plattformen als Nutzer aus und verabreden vermeintliche Dates.

Zuletzt sollen im Oktober vergangenen Jahres 57 Homosexuelle festgenommen worden sein, die zum Teil wegen „Blasphemie“ zu Haftstrafen verurteilt wurden. Ein direkter Zugriff oder das heimliche Abgreifen der gespeicherten Infos von Dating-Apps durch Ermittlungsbehörden ist bisher nicht bekannt. Es ist aber, wie der jüngste Test zeigt, auch nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

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