Eine alte Idee kommt zu neuen Ehren. Die Vereinten Nationen haben 2012 zum Internationalen Jahr der Genossenschaften ausgerufen. Sie wollen damit auf die Bedeutung von genossenschaftlich organisierten Unternehmen aufmerksam machen. In einer Serie stellen wir Bremer Genossenschaften aus verschiedenen Branchen vor.
Bremen. "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?", lässt Bertold Brecht den Bösewicht Mackie Messer in seiner "Dreigroschenoper" fragen, und unterstellt damit, dass es bei einer Bank hauptsächlich darum geht, Kunden auszuplündern. Die Gründerväter der ersten deutschen Genossenschaftsbanken, Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch, hatten mit Sicherheit anderes im Sinn. Der Sozialreformer Raiffeisen sah in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Bürgermeister von Neuwied das Elend der Landbevölkerung, gründete zunächst einen Brotverein und schließlich 1864 den Heddesdorfer Darlehenskassenverein, in den Landwirte regelmäßig Beiträge einzahlten. Dafür konnten sie sich beim Verein günstig Geld leihen, um Saatgut und Maschinen zu kaufen. Damit hat Raiffeisen das Ur-Modell einer Genossenschaftsbank geschaffen, das von Hermann Schulze-Drelitzsch weiterentwickelt wurde.
Heute hat die Finanzgruppe der Volks- und Raiffeisenbanken, zu der auch die Sparda-Banken, die Gruppe der PSD-Banken und Spezialbanken wie die Ärzte- und Apothekerbank gehören, in Deutschland 1121 Mitgliedsinstitute und über 17 Millionen Mitglieder. Das Verbindende dieser verschiedenen Banken ist das Genossenschaftsprinzip, das die Förderung der Mitglieder in den Mittelpunkt stellt.
Vergünstigungen für Mitglieder
Doch nicht jeder Kunde muss automatisch auch Mitglied sein, heute jedenfalls nicht mehr. Oft lohnt es sich jedoch, Genosse zu werden, weil damit bessere Konditionen zum Beispiel beim Abschluss von Versicherungen oder Kreditverträgen verbunden sind.
Diese Vergünstigungen bietet die Bremische Volksbank ihren Mitgliedern an, dazu eine angesichts der niedrigen Zinsen beachtliche Dividende von 4,5 Prozent auf das eingelegte Kapital. Mitgliederwerbung stand lange Zeit nicht im Fokus, räumt Vorstand Ulf Brothuhn ein. Die Bank wollte weg vom biederen Genossenschaftsimage und sich stärker für Nichtmitglieder und vor allem Geschäftskunden öffnen.
In der Finanzkrise wurde der Wert des bodenständigen Geschäfts wiederentdeckt. "Die Genossenschaftsbanken sind die einzige Finanzgruppe, die ohne Staatshilfe durch die Krise gekommen ist", sagt Brothuhn. Investmentbanking gehört nicht zum Geschäftsmodell. "Wir sammeln Geld regional ein und legen es auch in der Region an." Dafür sorge schon der Aufsichtsrat. Der werde auf der Vertreterversammlung aus dem Kreis der Genossen gewählt und achte auf risikoarme Anlagen. Derzeit hat die Bremische Volksbank 5000 Mitglieder, die Zahl soll aber deutlich steigen. "Wir haben uns das Ziel gesetzt, 75 Prozent aller Kunden, die eine aktive Geschäftsverbindung mit uns unterhalten, als Mitglieder zu werben", sagt Brothuhn. Mitglieder genießen als Miteigentümer zwar besondere Vorteile, besondere Macht können sie aber nicht erwerben, denn jeder Genosse hat auf der Vertreterversammlung nur eine Stimme – egal, wie groß sein Anteil ist. Das gilt für alle Genossenschaftsbanken.
Die Sparda-Banken sind aus der Eisenbahnergewerkschaft hervorgegangen. Ihre Stärke liegt im sogenannten Brot- und Buttergeschäft mit Spar- und Girokonten sowie mit Baufinanzierungen. Geschäfte mit Firmenkunden machen sie nicht. Mit einem Zuwachs von 106000 neuen Mitgliedern im Jahr 2011 gehören dem Verband bundesweit 3,23 Millionen Genossen an, davon allein in der Stadt Bremen 38380.
Wer nur ein Konto eröffnen will, kann das auch als einfacher Kunde, aber wer sich Geld von einer Sparda-Bank leihen will, etwa für eine Baufinanzierung, muss für einen einmaligen Beitrag, der gut verzinst wird, Mitglied werden. Dieses genossenschaftliche Prinzip, das gelegentlich als zu starr und veraltet galt, wollen die Sparda-Banken jetzt als ihre Form sozialer Netzwerke offensiv verkaufen.
Während die Sparda-Bank ihre Wurzeln bei den Eisenbahnern hat, ist die PSD Bank (Post-Spar- und Darlehensverein) vor 140 Jahren als Selbsthilfeorganisation der Post gegründet worden. Sie verwaltete die Gehaltskonten der Postler und bot Finanzierungen für Häuslebauer sowie Versicherungen an. Nach der Privatisierung der Post steht die PSD Bank nun grundsätzlich allen Kunden offen, arbeitet allerdings schon aus ihrer Tradition heraus mit einer ausgewählten Klientel aus der zahlungskräftigen Mittelschicht, der sie wenige, risikoarme Produkte wie Girokonten, Sparbriefe und vor allem Baufinanzierungen anbietet. Da sie, ähnlich wie die Sparda Bank, nur wenige Filialen unterhält und auf Telefonvermarktung und Online-Banking setzt, kann sie ihre Leistungen günstig anbieten und schneidet bei Finanztests oft sehr gut ab. An die Mitglieder wird eine Dividende von 6,4 Prozent auf ihre Anteile ausgezahlt. Die PSD-Bank Nord hat nach eigenen Angaben 125000 Kunden, davon sind 83184 Mitglieder der Genossenschaft.
Wegen ihres soliden Geschäftsmodells profitieren die Genossenschaftsbanken von einem guten Gruppenrating, das von Moody’s gerade hochgestuft wurde. Sie sind gemeinsam Eigentümer der Bausparkasse Schwäbisch Hall, der R+V Versicherungen und Union Investment.
Morgen berichten wir über die Bremer Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft für ökologisch produzierte Lebensmittel.