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Griechenland hat die Wahl

Immer mehr Sparer in Griechenland ziehen vor den Wahlen Geld von ihren Konten ab, an den Finanzmärkten liegen die Nerven blank. Während die Beratungsgesellschaft PwC deutschen Unternehmen rät, ihre Geldbestände in Griechenland auf das Nötigste zu reduzieren, steigen die Renditen für Staatsanleihen in Spanien auf einen Höchststand. Auch Italien gerät immer stärker unter Druck.
15.06.2012, 05:00 Uhr
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Von Harald Schmidt

Immer mehr Sparer in Griechenland ziehen vor den Wahlen Geld von ihren Konten ab, an den Finanzmärkten liegen die Nerven blank. Während die Beratungsgesellschaft PwC deutschen Unternehmen rät, ihre Geldbestände in Griechenland auf das Nötigste zu reduzieren, steigen die Renditen für Staatsanleihen in Spanien auf einen Höchststand. Auch Italien gerät immer stärker unter Druck.

Frankfurt/Main. Aus Angst vor einem Bankenkollaps in Griechenland räumen die Menschen ihre Konten dort leer. Auch die deutschen Unternehmen vor Ort seien gut beraten, ihre Kontostände bei Banken in Griechenland zurückzufahren, sagt Folker Trepte, Partner bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC: "Sicher ist es ratsam, die Bestände in dem Land auf das notwendige Maß zu reduzieren." Denn sollten die Reformgegner die Wahl am Sonntag gewinnen, könnte Hellas schon bald aus der Eurozone austreten.

In diesem Falle müsse die Regierung in Athen schnell eine eigene Währung einführen, um weitere Geldabflüsse zu stoppen, betont Trepte: "Im Moment werden schon sehr viele Euro abgehoben." Nach offiziellen Angaben sind seit Ausbruch der Krise im Jahr 2009 rund 80 Milliarden Euro abgezogen worden. Man müsse sich im Klaren sein, dass bestimmte Beschränkungen auferlegt werden könnten, warnt Trepte: "Zum Beispiel Grenzen für Transaktionen. So kann Geld nicht unbeschränkt in und aus dem Land heraus transferiert werden."

Der PwC-Experte empfiehlt deutschen Unternehmen, ihre Geldbestände möglichst in Euro zu belassen, die Zahlungsfähigkeit in Griechenland aber sicherzustellen: "Das heißt, sie benötigen lokale Konten, über die sie, etwa mit griechischen Drachmen bei Austritt aus dem Euro, weiter am Geschäftsleben teilnehmen können." Allerdings sollte auf diesen Konten nur das Geld bleiben, das für den Geschäftsbetrieb unbedingt erforderlich ist.

Trotz der Angst vor einem Zusammenbruch blieben deutsche Unternehmen Griechenland treu. Trepte: "Ich habe von keinem unserer Kunden gehört, dass er seine gesamte Geschäftstätigkeit in Griechenland einstellen will." Schließlich wolle man sich nicht die Zukunft verbauen: "Es kann auch eine Chance sein, dass man einer der wenigen Überlebenden vor Ort ist, wenn sich der Markt irgendwann wieder erholt. Dann hat man eine gute Startposition."

Währenddessen spitzte sich gestern die Krise in Spanien weiter zu: Die Rendite für zehnjährige Staatspapiere stieg gestern in der Spitze bis knapp unter die kritische Marke von sieben Prozent und auf den höchsten Stand seit Einführung des Euro. Italien konnte zwar Anleihen ohne Mühen platzieren und neue Milliarden einsammeln, allerdings zu hohen Zinsen.

Für die jüngste Eskalation in der Euro-Krise hatte die Ratingagentur Moody‘s gesorgt. Die Bonitätswächter stuften die Kreditwürdigkeit Spaniens und Zyperns herab. Spanien, viertgrößte Volkswirtschaft in der Eurozone, wurde um drei Noten herabgestuft. Damit liegt das Land nur noch eine Note über dem sogenannten Ramschniveau. Die Ratingagentur betonte, Spanien habe nur noch sehr beschränkten Zugang zu den Finanzmärkten. Das Land erhalte fast nur noch Geld von den nationalen Banken, die von der EZB großzügig mit Liquidität versorgt würden. Zudem belaste die anhaltende Schwäche der Wirtschaft die Finanzkraft des Landes.

Den Abwärtssog bremsen konnte Italien: Für zehnjährige Staatsanleihen, die sich meist parallel zu spanischen Papieren entwickeln, fiel bis zum Nachmittag die Rendite um acht Basispunkte auf 6,113 Prozent. Italien wagte sich erstmals mit einer Anleiheauktion an den Markt, seitdem Spanien am Wochenende angekündigt hatte, unter den Rettungsschirm zu schlüpfen.

Zumindest gelang es, drei Anleihen zu platzieren und wie geplant 4,5 Milliarden Euro an frischen Mitteln aufzunehmen. Allerdings stieg das Zinsniveau: Um bis 2015 Geld zu leihen, werden für Italien Zinsen in Höhe von 5,3 Prozent fällig. Bei der letzten vergleichbaren Versteigerung im Mai waren es noch 3,91 Prozent.

Das hoch verschuldete EU-Mitglied Zypern bekommt Hilfe aus Russland in Form eines Kredites über fünf Milliarden Euro. Der Bitte des Inselstaates werde aller Voraussicht nach entsprochen, sagte Pawel Medwedew, Berater des Zentralbankchefs Sergej Ignatjew. Auf Zypern seien große russische Öl-, Metallurgie- und sonstige Konzerne eingetragen, die einen Teil ihres Geldes in zyprischen Banken deponierten. "Deshalb will Russland den Konkurs dieser Banken nach Kräften verhindern."

Gute Nachrichten kamen gestern aus Deutschland: Koalition und Opposition wollen den umstrittenen europäischen Fiskalpakt wohl am 29. Juni zusammen mit dem Euro-Rettungsschirm ESM verabschieden. Das teilten die Koalitionsfraktionen in Berlin mit. Der Bundesrat soll in einer Sondersitzung am selben Abend entscheiden. Beide Seiten vereinbarten weitere Beratungen, um Unstimmigkeiten auszuräumen.

Griechenland hat die Wahl

Zitat:

"Im Moment

werden schon sehr viele Euro abgehoben."

Folker Trepte, Beratungsgesellschaft PwC

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