Die Forderungen werden seit Jahrzehnten fast schon gebetsmühlenartig gestellt: Die Küstenländer wollen mehr Geld vom Bund für den Ausbau ihrer Seehäfen und der Hinterlandanbindungen von und zu den deutschen Wirtschaftsregionen. Die Bremische Bürgerschaft hat an diesem Donnerstag dafür einen weiteren Versuch gestartet und erneut die nationale Bedeutung der Seehäfen für eine funktionierende Volkswirtschaft hervorgehoben: CDU, SPD, Grüne, Linke und die FDP fordern gemeinsam den Senat auf, sich zusammen mit den anderen Küstenländern unter anderem für eine Änderung des Gesetzes für Finanzhilfen einzusetzen, um so die finanzielle Beteiligung des Bundes an den Hafenlasten deutlich zu erhöhen.
Die Hoffnungen der Fraktionen, dass dieser Versuch erfolgreich sein wird, liegt in der nationalen Hafenstrategie, die umfassend überarbeitet werden und einen stärkeren Ausbau der Hafeninfrastruktur und Hinterlandanbindungen beinhalten soll. Außerdem werde in dem Prozess geprüft, ob dem Bund
eine stärker koordinierende Funktion zuteilwerden sollte – etwa um Kooperationen unter den deutschen Seehäfen zu initiieren und voranzutreiben. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr hat dafür im Juni den offiziellen Startschuss gegeben: Gemeinsam mit den Ländern, Verbänden und Gewerkschaften soll die im Koalitionsvertrag vereinbarte neue nationale Hafenstrategie gemeinsam erarbeitet und 2024 von der Bundesregierung beschlossen werden. In diesem Prozess haben die Küstenländer bereits zu Beginn deutlich gemacht, dass die Beteiligung des Bundes an den Seehafenlasten der Küstenländer einer Neubewertung unterzogen und an aktuelle Entwicklungen angepasst werden muss.
"Die deutschen Seehäfen sind für die Anbindung der außenhandelsorientierten deutschen Volkswirtschaft an die internationalen Märkte von großer Bedeutung", heißt es in dem gemeinsamen Antrag, der von der CDU initiiert und einstimmig auf den Weg gebracht wurde. Ihr Nutzen verteile sich auf alle Bundesländer. Zudem habe sich gerade in der Covid-19-Pandemie, aber auch in der aktuellen Energiekrise gezeigt, welche Bedeutung die Häfen für die Industrie, die Lieferketten und die Versorgung der Bevölkerung hätten: Sie seien systemrelevant. "Dabei stehen die deutschen Seehäfen – auch ohne diese Krisen – vor enormen Herausforderungen, um ihre Leistungsfähigkeit und internationale Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft sicherzustellen."
Die deutsche Volkswirtschaft profitiere wie keine andere von Globalisierung und Freihandel, sagte Susanne Grobien, die hafenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. Für dieses Wirtschaftsmodell hätten die Seehäfen eine Schlüsselfunktion. Mehr als 90 Prozent des Welthandels finden über den Seeweg statt. "Noch laufen zwei Drittel unseres seewärtigen Außenhandels über die deutschen Seehäfen. Ich betone noch, denn die deutschen Häfen verlieren seit zehn Jahren stetig Marktanteile an die Westhäfen." Ziel müsse es sein, dass die deutschen Häfen auch künftig ein guter Partner für die deutsche Unternehmen seien – egal ob für den Maschinenbauer in Bayern oder in Nordrhein-Westfalen.
Auch die anderen Fraktionen brachten zum Ausdruck, dass wettbewerbsfähige Seehäfen die Grundvoraussetzung für eine Exportnation wie Deutschland seien. Um im Wettbewerb wieder mithalten zu können, "bedarf es aber einer nationalen Antwort", sagte beispielsweise Hauke Hilz (FDP). Er sei hoffnungsvoll, dass die nationale Hafenstrategie dafür das geeignete Instrument sei. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) habe ja auch schon erkannt, dass der Beitrag des Bundes an der Häfeninfrastruktur gering sei.
Ohne eine entsprechende Anpassung der nationalen Hafenstrategie sehen die Fraktionen die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen gefährdet. Denn anders als in den Niederlanden und Belgien mit den Wettbewerbshäfen Rotterdam und Antwerpen, wo Hafenpolitik als nationale Aufgabe begriffen werde, seien in Deutschland für die Angelegenheiten der Häfen und damit auch deren Finanzierung die Länder zuständig.
Zwar fördere der Bund einzelne Hafenprojekte wie beispielsweise im Bereich der Digitalisierung oder beim Bau von Landstromanlagen und leiste seit 2005 an die Küstenländer einen festen Beitrag für die Unterhaltung und Erneuerung von Seehäfen von insgesamt etwa 38,3 Millionen Euro jährlich; davon erhalte Bremen rund 10,7 Millionen, aber dieser Betrag sei bei Weitem nicht mehr ausreichend. Die Summe decke von ursprünglich einmal 14,7 Prozent nur noch etwa 10,7 Prozent der von den Küstenländern ermittelten Nettohafenlasten ab. Um das ursprüngliche Niveau wieder zu erreichen, müsse der Beitrag des Bundes mindestens auf 52,8 Millionen Euro angehoben werden.
Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD) sei froh über den Antrag: Es sei sehr gut, mit einem solch starken Schulterschluss in die anstehenden Verhandlungen zu treten.