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Kartellamt kritisiert Konzerne Hohe Spritpreise bedrohen Spediteure

Bremen. Die Preise für Benzin und Diesel sind seit einer Woche auf Rekordniveau. Das belastet die Verbraucher, vor allem aber die Wirtschaft. Besonders die Spediteure in Bremen und Niedersachsen fürchten um ihre Existenz.
24.02.2012, 05:00 Uhr
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Von Günther Hörbst

Bremen. Benzin und Diesel sind mit 1,64 Euro für einen Liter Super Benzin E10 und im Schnitt 1,54 Euro für einen Liter Diesel seit einer Woche auf Rekordniveau. Ein Ende ist derzeit nicht in Sicht. Das belastet die Verbraucher, vor allem aber die Wirtschaft. Besonders die Spediteure in Bremen und Niedersachsen fürchten um ihre Existenz.

"Vielen unserer Mitglieder steht das Wasser bis zum Hals", sagt Martin Otholt. "Die hohen Treibstoffpreise hauen mächtig ins Kontor." Der Geschäftsführer des Landesverbandes Verkehrswirtschaft Bremen (LVB) fürchtet deshalb um Existenzen in der Branche. "Die Ertragslage ist katastrophal. Die Frachtraten stehen seit langer Zeit schon unter Druck, jetzt kommen noch die hohen Dieselpreise dazu." Sein Fazit der aktuellen Lage ist ernüchternd: "Wir müssen davon ausgehen, dass es manche nicht schaffen werden."

Auch Robert Völkl, Geschäftsführer des Vereins Bremer Spediteure, macht die Entwicklung der Treibstoffpreise sorgen. In seinem Verband sind allerdings überwiegend Seehafenspediteure organisiert, die keine eigenen Fuhrparks betreiben, sondern ihre Leistungen bei Güterkraftunternehmen einkaufen. Dennoch gibt es aber auch Unternehmen mit eigenen Fuhrparks.

Und die stünden bei Umsatzrenditen von 1 Prozent gewaltig unter Druck. "Treibstoff ist der größte Kostenfaktor", sagt Völkl. "Die kleinen Unternehmen, die die aktuellen Preiserhöhungen nicht an ihre Kunden weiterreichen können, trifft das natürlich ganz besonders hart." Auch er meint, dass darüber einige Firmen aufgeben müssten.

Die Gründe für die hohen Treibstoffpreise sind vielfältig. Der Verband der Mineralölwirtschaft macht die Kombination aus hohem Rohölpreis und dem derzeit ungünstigen Verhältnis des Euro zum Dollar für die Rekordpreise verantwortlich. "Im Rekordpreisjahr 2008, als Rohöl in der Spitze 144 Dollar kostete, lag der Wechselkurs bei 1,57 Dollar für einen Euro", erklärte der Verband gestern in einer Mitteilung. Heute koste das Barrel Rohöl mit 93 Euro sogar zwei Euro mehr als 2008. Und für einen Euro gebe es jetzt 1,33 Dollar.

Der Chef des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, ist da aber anderer Meinung. Die hohen Preise seien auf die Marktmacht der großen Ölkonzerne zurückzuführen, sagte der Behördenchef. "Der Markt wird von fünf großen Mineralölkonzernen beherrscht, die sich gegenseitig wenig Wettbewerb machen", sagte Mundt. "In diesem Oligopol sind die Konzerne in der Lage, Preissteigerungen im Großhandel an die Benzin-Verbraucher weiterzugeben."

Diesen Verdacht hat auch der Leiter des Hamburger Forschungs- und Beratungsbüros Energy Comment, Steffen Bukold. Dem Energieexperten ist aufgefallen, dass es, wie er sagt, "eine Verzerrung des Benzinpreises auf dem Markt" gibt. Der Abstand zwischen dem Preis aus der Raffinerie und dem Preis an der Tankstelle sei viel zu hoch. "Der ist derzeit rund 50 bis 60 Prozent höher als üblich, wenn alle festen übrigen Kosten wie Lagerung, Transport und weiter abgezogen werden", sagt Bukold. "Irgendjemand dreht da am Preis."

Bukold kann nicht beweisen, wer an der Preisschraube dreht. "Es können aber nur Händler, Lagerhalter oder Mineralölkonzerne sein", sagt er. Es sei nun Aufgabe der Behörden herauszufinden, wer da an der Preisschraube drehe. Dominant in dieser Kette seien aber nun mal die großen Mineralölkonzerne. "Und da will das Kartellamt ja nun genauer hinschauen." Der Experte hält es für unerlässlich, in das Mineralöl-Oligopol mehr Kontrolle und Transparenz zu bringen. "Nur so können diese Preisverzerrungen beendet werden", sagt er.

Von Eingriffen des Staates in diese Preisbildung hält Bukold übrigens nichts. "Das würde nur dazu führen, dass der Öl- und Treibstoffpreis künstlich subventioniert niedrig gehalten wird", sagt er. Die Folgen wären langfristig verheerend: "Der Anreiz, Alternativen zum Öl zu suchen, würde unnötig verzögert - und damit auch der Weg in die Energiewende."

Die deutsche Wirtschaft jedenfalls wird von den hohen Ölpreisen spürbar getroffen. Die "Ölrechnung" für Deutschlands Volkswirtschaft hat sich 2011 um 12,1 Milliarden Euro auf 53,7 Milliarden Euro erhöht. Vor allem im Transportgewerbe spüren alle Unternehmen die Kostenbelastung. Der Deutsche Speditions- und Logistik Verband (DSLV) empfiehlt seinen Mitgliedern deshalb, feste Preise für den Diesel auszuhandeln, sogenannte Preisgleitklauseln. Das mache die Treibstoffkosten über zwei, drei Monate kalkulierbarer.

LVB-Chef Otholt fordert dagegen Steuererleichterungen für die Branche: "97 Cent vom Literpreis landen derzeit beim Fiskus. Das ist ziemlich happig."

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