Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Homeoffice statt Büro Wie die Pandemie das Arbeiten verändert

Für viele Beschäftigte findet das Arbeitsleben aktuell im Homeoffice statt – auch in Bremen. Was von der Heimarbeit bleiben wird, wenn sich die Corona-Situation wieder normalisiert hat.
12.01.2022, 18:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Judith Kögler

Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt verändert, das Homeoffice ist für viele Beschäftigte mittlerweile zur Normalität geworden: Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise hat mehr als jeder dritte Arbeitnehmer in Deutschland zumindest tageweise von zu Hause aus gearbeitet. Auch in Bremer Unternehmen wird das Homeoffice-Modell verstärkt eingesetzt – um den Betrieb auch unter coronabedingten Einschränkungen am Laufen zu halten. Aber was bleibt perspektivisch von Heimarbeit und Online-Meetings? Über Potenziale, Probleme und die Zukunft mit und ohne Büros.

Wie ist der aktuelle Stand in Bremer Unternehmen?

Die Corona-Pandemie hat den Arbeitsweg vieler Menschen notgedrungen verkürzt: Wer zuvor womöglich mehrere Kilometer bis ins Büro pendeln musste, legt mittlerweile nur noch die Strecke vom Schlafzimmer bis zum Schreibtisch zurück. Auch die Mitarbeiter der Allgemeinen Ortskrankenkasse Bremen und Bremerhaven (AOK) bilden diesbezüglich keine Ausnahme. "Im Dezember arbeiteten zwischen 30 und 60 Prozent der Beschäftigten von zu Hause aus", sagt Pressesprecher Jörn Hons. Dabei variiere die genaue Prozentzahl je nach Kundenverkehr und den Aufträgen. Mitarbeiter in der kundennahen Beratung und im Service würden weniger Zeit im Homeoffice verbringen. Eine deutlich höhere Quote in Bezug auf die Heimarbeit meldet hingegen die Bremer Unternehmensgruppe Team Neusta: Fast 90 Prozent der Mitarbeitenden verbringen ihre Arbeitszeit laut Geschäftsführer Carsten Meyer-Heder im Homeoffice.

Für welche Branchen eignet sich das Homeoffice-Konzept besonders?

Für das Software-Unternehmen ist Heimarbeit keinesfalls ein Novum. "Bei uns war mobiles Arbeiten bereits vor der Pandemie möglich, jedoch nicht in der Breite, wie es momentan der Fall ist", erklärt Meyer-Heder. Insbesondere in der Digitalbranche, in der auch er mit seinem Team tätig ist, stelle Arbeiten von zu Hause naturgemäß kein Problem dar. Mechthild Schrooten von der Hochschule Bremen bestätigt diese Beobachtung. Die Wirtschaftswissenschaftlerin berichtet, dass vor der Corona-Krise die Heimarbeit in den meisten Branchen "eine krasse Ausnahme" darstellte. Durch die Pandemie mussten sich Beschäftigte und Arbeitgeber gleichermaßen "in kürzester Zeit auf neue Organisationsformen und moderne Arbeitswelten einstellen", wobei sich recht schnell zeigte, dass "Arbeitsfelder, die leicht zu digitalisieren sind, sich besonders gut ins Homeoffice" verlegen lassen.

Lesen Sie auch

Welche Vorteile gibt es?

Für Carsten Meyer-Heder hat das dezentrale Arbeiten in den eigenen vier Wänden angesichts der pandemischen Lage vor allem einen Vorteil: den Gesundheitsschutz seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aber auch abseits von Corona hält er die "bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf" für einen positiven Aspekt. Außerdem werde das Auto weniger genutzt und die Produktivität sei gestiegen: "Die Videomeetings laufen meist effizienter. Ohne Ablenkung kann grundsätzlich konzentrierter gearbeitet werden, es sei denn natürlich, die Kinder erfordern Aufmerksamkeit", sagt er. Die Flexibilität, morgens oder auch mal abends arbeiten zu können, würde dann helfen. Als "tragfähiges Modell" stuft auch Wirtschaftswissenschaftlerin Mechthild Schrooten das Arbeiten ohne Büro ein: In der Krisensituation sei die Homeoffice-Umsetzung zwar "ad hoc" entstanden. Der Vorteil läge für die Beschäftigten vor allem in der freien Zeit- und Ortswahl – insbesondere dann, wenn die krisenbedingten Begleiterscheinungen von Homeschooling und Lockdown wegfielen.

Ist die Homeoffice-Idee in Deutschland ein Kind der Pandemie?

Dass es seitens der Arbeitnehmer bereits vor der Pandemie einen Wunsch nach mehr Heimarbeit gegeben habe, zeige Schrooten zufolge eine 2016 veröffentlichte Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW). Demnach wäre es schon damals für 40 Prozent der Menschen in Deutschland theoretisch möglich gewesen "gelegentlich oder ganz von zu Hause aus zu arbeiten". Diese hätten auch "eine nennenswerte Präferenz für solche Beschäftigungen" angeführt. Dass das allerdings nur selten geschah, lag vor allem, so das DIW Berlin, an den Arbeitgebern. Die coronabedingten rechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf das Homeoffice beschleunigten also die Verbreitung dieses Arbeitsmodells. "Ohne solche Regulierungen wäre der Schritt in das Homeoffice sicherlich zögerlicher vollzogen worden", erklärt Schrooten. Bei der AOK seien in Bremen und Bremerhaven die Voraussetzungen für die Heimarbeit hingegen längst vor der Pandemie geschaffen worden, trotzdem wirkte "Corona als Booster für die Entwicklung", berichtet Hons. Seine Kolleginnen und Kollegen seien mit der Homeoffice-Regelung "insgesamt sehr zufrieden". Beim Team Neusta schätze man als Arbeitgeber vor allem "das hohe Maß an Eigenverantwortung, das unsere Mitarbeitenden wahrnehmen, wenn sie von zu Hause aus arbeiten", sagt Geschäftsführer Meyer-Heder.

Welche Herausforderungen gibt es?

Trotz der positiven Aspekte sind mit der Heimarbeit auch Schwierigkeiten verbunden. Wie Mechthild Schrooten erklärt, fiele es vielen Menschen durch die räumliche Nähe von Lebens- und Arbeitsort schwer, abzuschalten. Darüber hinaus, dürfe die soziale Komponente des Jobs nicht vergessen werden. "Sozialkontakte sind für Menschen wichtig." Der kurze Schnack mit den Kollegen auf dem Flur oder die gemeinsame Mittagspause können also nicht nur die Unternehmenskultur stärken, sondern sind auch gut für die Psyche. Beim Software-Unternehmen Neusta merkt Geschäftsführer Meyer-Heder, dass Veranstaltungen wie Sommerfeste und Projekt-Essen, auf "denen man sich anders begegnet als im rein beruflichen Kontext, fehlen." Bei der AOK vermisse man ebenfalls die Nähe zu den Kollegen, sagt Sprecher Hons. Zudem seien die betrieblichen Abläufe der Krankenkasse durch die hohe Quote an Beschäftigten im Homeoffice verstärkt abhängig von technischen Bedingungen: beispielsweise einer gesicherten Internetverbindung. Auch deshalb müssen laut Schrooten Unternehmen "in den Datenschutz und die digitale Ausstattung" investieren, sollten sie dauerhaft auf das Homeoffice-Konzept setzen.

Lesen Sie auch

Wie sieht die Arbeitswelt der Zukunft aus?

Die Abwägungen zeigen: Ganz ohne Büro geht es dann doch nicht. "Wahrscheinlich wird es in Zukunft einen Mix von unterschiedlichen Arbeits- und Organisationsformen geben" sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Schrooten. Außerdem dürfe bei der Debatte nicht vergessen werden, dass große Teile des Arbeitslebens nicht einfach ins Homeoffice verlegt werden können. Handwerkliche Berufe und die Pflege sind da nur zwei Beispiele. In Branchen wie der Softwareentwicklung, Versicherungen oder dem Bankwesen könnte sich Arbeit künftig aber vermehrt digitalisieren lassen. "Für die Unternehmen ist Homeoffice zu einem interessanten Experimentierfeld für moderne Organisationsformen geworden. Davon dürfte ein deutliche Modernisierungs- und Innovationsschub ausgehen", sagt Schrooten.

Was bedeutet das für die Bremer Unternehmen?

Bei Team Neusta werde nach der Pandemie "ein 50/50 Modell aus Arbeiten vor Ort und mobilem Arbeiten" angestrebt, teilt Meyer-Heder mit. Die Vergangenheit habe gezeigt, "dass flexibles Arbeiten gut funktioniert". Und die AOK? Die Krankenkasse will in Zukunft auf das sogenannte "Büro 4.0" setzen. Das Konzept beinhaltet Hons zufolge keine festen Arbeitsplätze in den Bürogebäuden mehr. "Wer zum Arbeiten ins Büro kommen möchte, bucht sich dann am Vortag seinen Schreibtisch über ein System." Auf diese Weise wolle man flexible Arbeitsmöglichkeiten schaffen, die sich leichter mit der Familie vereinbaren lassen.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)