Ab jetzt fährt regelmäßig ein Güterzug vom Reich der Sonne ins Reich des Grünkohls: Vor wenigen Tagen kam der erste Zug aus dem südchinesischen Chongqing pünktlich im Bremer Güterverkehrszentrum bei Roland Umschlag an. Mit mehr als 32 Millionen Einwohnern innerhalb der administrativen Stadtgrenzen ist Chongqing die größte Stadt der Welt. Für die Strecke braucht der Zug etwas mehr als 20 Tage, während das Schiff meist doppelt so viel Zeit benötigt. Betreiber des Zugs ist Hellmann Worldwide Logistics aus Osnabrück, die vergangenen Sommer im Bremer Güterverkehrszentrum (GVZ) ihren erweiterten Standort in Betrieb genommen hatten.
Hellmann-Vorstandsmitglied Jens Wollesen ist seit Jahresanfang bei dem Unternehmen für das operative Geschäft verantwortlich und sagt: „Die Transporte auf der neuen Seidenstraße sind eine Nische und ergänzen die Luft- und Seeverkehre.“ Diese Nische bezieht sich auf die Zeiten außerhalb der Pandemie, ganz ohne die durcheinander geratenen Lieferketten und Verspätungen bei Containerschiffen. Und so werde diese Nische immer größer. „Bisher war es so, dass die Schiene preislich in der Mitte lag. Durch die massiven Preisentwicklungen in der Seefracht, aber auch im Schienenverkehr, liegen sie nun gleichauf. Per Schiene ist die Fracht aber wesentlich schneller unterwegs“, erläutert Wollesen, der bis Ende des vergangenen Jahres bei der BLG Logistics als Vorstand für die Kontraktlogistik verantwortlich war.
Porsche-Autos per Zug von Bremerhaven nach China
Von Bremerhaven nach Chongqing transportiert Hellmann bereits seit 2019 Fahrzeuge für den Autobauer Porsche. „Dieser Zug wird von Hellmann organisiert und fährt zwei bis drei Mal die Woche. Jetzt sind wir in der Lage, einmal pro Woche einen Rundlauf zwischen Chongqing und Bremen zu organisieren“, sagt Wollesen. Ziel sei aber langfristig, dass die Züge auch zwei bis drei Male pro Woche bei Roland Umschlag im Bremer GVZ ankommen.

Sie haben den ersten Zug aus Chongqing nach Bremen ins Güterverkehrszentrum zu Roland Umschlag begrüßt (von links): Chen Si Hellmann, verantwortlich für das internationale Bahngeschäft bei Hellmann, Hellmann-Vorstandsmitglied Jens Wollesen, Häfensenatorin Claudia Schilling sowie der Geschäftsführer von Roland Umschlag, Christoph Holtkemper.
Von Europa nach Asien befördert der Logistiker mit Stammsitz in Osnabrück auf der Schiene außer neben den fertigen Autos auch Autoteile für die chinesischen Werke. In Richtung Europa sind es laut Wollesen hochwertige Konsumgüter, Hightech-Produkte, Autoteile oder auch Fahrräder. Chongqing liegt gut 1700 Kilometer westlich von Shanghai. Die Container, die per Zug ankommen, müssen also nicht mehr vom Hafen ins Landesinnere bewegt werden, wofür Wollesen ein bis zwei Wochen Zeit veranschlagt.
In Bremen gibt es noch Kapazitäten
Was laut Wollesen der Vorteil von Roland Umschlag im Bremer GVZ sei: „Es gibt als Ankunftsorte Hamburg, Duisburg und andere Städte, aber da sind die Terminals aufgrund der sehr hohen Nachfrage überlastet. In Bremen gibt es noch Kapazitäten.“ Ziel sei es auch, vor allem Frachtempfänger in Bremen und umzu anzusprechen, weil sie aus dem Terminal schnell ihre Ware erhalten. Bestellte Ware von chinesischen Online-Shops könne nun schneller beim Endverbraucher in der Region sein. Er lobt die Infrastruktur von Roland Umschlag wegen der guten strategischen Lage. Von großem Vorteil sei darüber hinaus, dass Hellmann und Roland Umschlag direkte Nachbarn sind, die Prozesse wesentlich einfacher seien. „Wir müssen nur noch das Loch durch unseren Zaun schneiden“, scherzt Wollesen, um damit diese direkte Nachbarschaft zu verdeutlichen.
Der Geschäftsführer der Umschlagsanlage, Christoph Holtkemper, hört solche Worte gern und nutzt für die neue Verbindung das Bild „Chinesischer Drache trifft auf Bremer Stadtmusikanten“. Vom GVZ können die Container dann per Zug weiter nach Stuttgart, ins italienische Verona oder auch die unterschiedlichen Terminals in Süd- und Osteuropa fahren. Holtkemper plant für dieses Jahr, zu den aktuell mehr als 60 Beschäftigten das Personal weiter aufzustocken. Ohnehin sei das abgelaufene Jahr mit 127.000 Umschlägen das erfolgreichste in der operativen Geschichte des Unternehmens. Denn wenn im vergangenen Jahr Schiffe in Wilhelmshaven statt in Hamburg anlegten, sorgte Roland Umschlag dafür, dass per Zug die Container sowohl für den Import als auch für den Export an den richtigen Ort transportiert wurden.
Der Zug kann noch schneller werden
Auch wenn die Zahl der Züge auf der „eisernen Seidenstraße“ weiter steigt, ist laut Chen Si Hellmann noch Platz auf der Schiene für weitere Verbindungen. „Die Kapazitäten vieler Terminals sind aktuell ausgelastet, was zum Teil zu Engpässen führt“, erläutert die Verantwortliche für das internationale Bahngeschäft bei Hellmann. Ein Ausbau der Terminals könne die Zugverbindung nicht nur schneller machen, sondern würde es auch ermöglichen, noch mehr Transporte auf die Schiene zu verlagern. „Ebenso können weitere Abkommen für den Grenzverkehr zwischen den Ländern die Geschwindigkeit erhöhen.“
Häfensenatorin Claudia Schilling (SPD) war bei der Ankunft des ersten Zuges aus China im Bremer GVZ dabei. Sie sieht in den Bahnverkehren über die neue Seidenstraße eine ideale Ergänzung für die Häfen: „Sie komplettieren die logistische Angebotspalette von Lufttransporten und Schiffsverkehren.“ Das Logistikunternehmen Hellmann baut derzeit gemeinsam mit dem chinesischen Zug-Operator Yuxinou die Nachlauftransporte in Asien aus und verdichtet die Anschlussverkehre von Chongqing in südostasiatische Länder wie Laos oder Vietnam. Hat ein Kunde nur drei Paletten mit Waren für den Transport, sammelt Hellmann noch die Waren anderer Kunden ein, bis ein gesamter Container voll ist. In Zukunft könnte es also auch heißen „Von Laos in die Ludwig-Erhard-Straße in Bremen“ – denn dort im GVZ befinden sich Hellmann und Roland Umschlag.