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Batterieforschung in Bremen „Die Zukunft des Pkw und des Lkw ist elektrisch“

Die Autowelt verändert sich – das Ende des Verbrennungsmotors in der EU ist seit Oktober beschlossene Sache. Damit ändert sich auch unsere Einstellung zu Mobilität, so Professor Matthias Busse aus Bremen.
19.11.2022, 11:30 Uhr
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„Die Zukunft des Pkw und des Lkw ist elektrisch“
Von Anja Semonjek

Herr Professor Busse, woran genau forschen Sie an Ihrem Institut in Bremen, dem Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM)?

Matthias Busse: Das Spektrum unserer Auftragsforschung reicht vom Werkstoff über Formgebung und Fügetechnik bis hin zur Entwicklung kompletter Bauteile, Komponenten und Systeme sowie zu aktuellen Fragestellungen der digitalen Transformation. Dabei deckt das Fraunhofer IFAM die gesamte Wertschöpfungskette von der Materialentwicklung über das Produktdesign bis hin zur Integration in die industrielle Fertigung ab.

Unsere Forschungsarbeiten werden ständig den Bedürfnissen der Gesellschaft und Industrie angepasst. Ein wichtiges Thema ist unsere zukünftige Mobilität. Zentraler Bestandteil ist dabei die Elektromobilität mit leistungsfähigen Batterien. Neue Materialien und Batteriekonzepte unterstützen uns bei diesem Fortschritt.

Können Sie das konkretisieren?

Ein wichtiger Meilenstein für die Elektrifizierung werden Festkörperbatterien sein. Dazu muss man wissen: Die heutigen Lithium-Ionen-Akkus zeichnen sich schon jetzt durch eine hohe Energiedichte aus. Allerdings wandern die Lithium-Ionen bei dieser klassischen Batterie zwischen den beiden Polen durch einen flüssigen Elektrolyten. Das birgt Sicherheitsrisiken – bei einem Brand ist es diese Flüssigkeit, die Batterien nicht ganz ungefährlich macht. Unser Ziel lautet daher, die flüssigen Elektrolyten durch einen festen Körper zu ersetzen. Sie sind sicherer und ermöglichen mehr Reichweite und kürzere Ladezeiten als herkömmliche Li-Ion-Akkus.

Weltweit wird intensiv an diesen neuen Energiespeichern geforscht. Das Fraunhofer IFAM ist da im internationalen Vergleich mit seinen Entwicklungsarbeiten sehr gut aufgestellt und arbeitet für eine effizientere Mobilität in enger Kooperation mit Universitäten, Batterie- und großen Automobilherstellern zusammen.

Wie hat sich die Batterietechnik entwickelt?

Da kann man eine lange Zeit zurückblicken – die ersten Prototypen von Elektrofahrzeugen als Pkw gibt es schon seit mehr als 30 Jahren. Früher waren es eher die Forschungsfahrzeuge. Sie hatten keine große Reichweite. In den letzten zehn bis zwölf Jahren gab es aber einen erheblichen Aufschwung: Mit den Lithium-Ionen-Akkus sind nennenswerte Neuerungen gekommen, damit sind die Reichweiten und die Leistungsfähigkeit der Batterien in die Höhe gestiegen, mit noch stets steigender Tendenz.

Wie nachhaltig sind Lithium-Ionen-Akkus?

Lithium ist rein aus der elektrochemischen Sicht das Element, das in der Spannungsreihe sehr hohes Potenzial aufweist – und somit sehr gut geeignet. Allerdings ist das Vorkommen von Lithium im Verhältnis zu anderen Rohstoffen selten und ungleich auf dem Globus verteilt. Man muss sehr sorgfältig damit umgehen und möglichst nachhaltig abgebautes Lithium verwenden. Wir arbeiten an Möglichkeiten, Lithium alternativ zu gewinnen. So stellt beispielsweise die ressourcenschonende Lithiumgewinnung aus hydrogeologischen Quellen eine vielversprechende Alternative dar. Zudem wird in der Fraunhofer-Gesellschaft sehr intensiv an noch besseren Recyclingkonzepten gearbeitet.

Ihre Forschung zu Batterien bezieht sich aber stets auf Lithium-Ionen-Akkus?

Nicht nur. Es gibt jüngere Aktivitäten, wo man Batterien zum Beispiel auf der Basis von Natrium baut – die sind sehr vielversprechend. Solche Elemente haben den Vorteil, dass sie im großen Maßstab vorhanden und weniger umweltkritisch sind.

Es ist ein wichtiger Forschungsansatz, Batterien mit alternativen chemischen Elementen zu entwickeln, die ähnliche Leistungsmerkmale haben. Zusätzlich werden bessere oder ganz neue Fertigungstechnologien benötigt, die den Einsatz alternativer Materialien begünstigen. Der 3D-Druck bietet hier interessante Möglichkeiten.

Was sind die Schwierigkeiten bei der Herstellung der Batterien?

Die Batterien von Elektrofahrzeugen selbst sind sehr effizient. Das gilt aber nicht uneingeschränkt für die Herstellung der Batterie, dafür wird noch viel Energie benötigt. Hierin liegt eine Herausforderung, denn es braucht regenerative Energiequellen. Das ist ganz wichtig, um Folgendes zu verstehen: Wenn heute Batterien als nicht so umweltfreundlich eingestuft werden, dann deswegen, weil derzeit noch zu viel Energie für die Herstellung der Batterien aus nicht-regenerativen Quellen stammt.

Ab 2035 sollen in der EU keine Neuwagen mit Verbrennungsmotoren zugelassen werden. Können bis dahin ausreichend Batterien beziehungsweise E-Autos hergestellt werden?

Die Antwort heißt ganz eindeutig: ja. Die Zukunft des Pkw und auch des Lkw ist elektrisch – und darin werden die zukünftigen Batterien eine ganz entscheidende Rolle spielen.

Wir werden in Zukunft elektrisch fahren, da bin ich persönlich fest von überzeugt. Wir haben die Ressourcen. Vor allem, wenn wir Alternativen zu Lithium finden und uns überlegen, wie wir Batterien wiederverwenden und die Werkstoffe recyceln. Es gibt auch noch einen anderen Aspekt: Wenn man sich das Elektrofahrzeug anschaut, hat es viel weniger Komponenten als ein Auto mit Verbrennungsmotor. Somit ist es einfacher herzustellen – und mit steigenden Stückzahlen in naher Zukunft auch deutlich kostengünstiger.

Bleibt nur die Frage, wann wir es schaffen, die Batterien in einer entsprechenden Stückzahl herzustellen, idealerweise mit eigenen Produktionsstätten in Deutschland und Europa. Wir haben das mit dem Verbrenner jetzt seit rund 120 Jahren geübt und sind richtig gut darin, in hohen Stückzahlen hochkomplexe Verbrennungsmotoren herzustellen. Das müssen wir nun in möglichst kurzer Zeit auch auf die Batterieproduktion übertragen.

Wie bewerten Sie die Leistung und Reichweite der aktuellen E-Autos?

Jeder, der ein modernes Elektrofahrzeug gefahren ist, wird begeistert aussteigen – der Fahrspaß ist unglaublich hoch. Mit den höheren Drehmomenten der Elektromotoren ist insbesondere die Beschleunigung der Elektrofahrzeuge faszinierend. Reine Elektrofahrzeuge haben zudem heutzutage eine typische Reichweite von rund 400 Kilometern, manche sogar bis 500 und 600 Kilometer. Und das reicht für die täglichen Anwendungen aus.

Nur bei Langstrecken könnte es noch Einschränkungen geben, weil unterwegs nachgeladen werden muss. Hierzu wird der weitere Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur entscheidend sein. Die aktuellen Weichenstellungen in Politik und Industrie hierzu stimmen mich aber durchaus sehr zuversichtlich. Grundsätzlich bleibt die Frage, wie wir als Gesellschaft unsere zukünftige Mobilität gestalten. Wir sind heute einen sehr hohen Standard für unsere persönliche Mobilität gewohnt – welche Grundeinstellung wir zu Mobilität haben, wird sich sicherlich in der Zukunft stärker ändern. Ich setze dabei ganz große Hoffnungen in die jüngeren Generationen. Sie werden noch intensiver über Fragen zur Mobilität nachdenken, so zum Beispiel: Wie viel Fahrzeug brauche ich eigentlich, muss ich ein eigenes Fahrzeug besitzen? Oder sind Carsharing oder der öffentliche Nah- und Fernverkehr eine Option?

Dieses Umdenken wird sicherlich auch wegen der Energiekrise eine Rolle spielen.

Die Energiekrise und Umweltproblematik sind allgegenwärtig. Wir müssen unser Grund- und Selbstverständnis für viele Bereiche überdenken. Was die Mobilität betrifft, sollten wir in Zukunft wirklich nur noch elektrisch fahren, und zwar mit regenerativ erzeugtem Strom – mit hoffentlich immer mehr Sonnenenergie.

Sie würden also beim Kauf eines Neuwagens das E-Auto empfehlen?

Wenn man sich mit der Thematik auseinandersetzt, erkennt man, dass es technisch keine bessere Entscheidung geben kann, als ein Elektroauto zu kaufen – im Vergleich zu einem Verbrenner. Natürlich kann man sich fragen, wie es weiter verläuft mit den steigenden Strompreisen. Aber noch viel ungewisser ist die Frage: Was machen die Benzin- und die Dieselpreise? Positiv für das Elektrofahrzeug ist außerdem, dass E-Autofahrer weniger Wartungs- und Betriebskosten haben.

Info

Zur Person

Professor Matthias Busse ist Institutsleiter am Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) in Bremen. Zudem ist Busse Sprecher der Fraunhofer Systemforschung Elektromobilität.

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