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Finanz-Angebote nach den Regeln des Islam "Islamic Banking" kommt nach Bremen

Bremen. Finanzgeschäfte, die mit den Regeln des Islam vereinbar sind, boomen weltweit. Auch in Europa gibt es immer mehr Anbieter sogenannter Islamic Finance-Produkte. Bald sollen auch in Bremen solche Finanzprodukte angeboten werden.
03.04.2012, 05:00 Uhr
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Von Katharina Pfannkuch

Bremen. Finanzgeschäfte, die mit den Regeln des Islam vereinbar sind, boomen weltweit. Nicht nur im Nahen Osten und in Asien, auch in Europa gibt es immer mehr Anbieter sogenannter Islamic Finance-Produkte. Bald sollen auch in Bremen solche Finanzprodukte angeboten werden.

Die Commerzbank tat es bereits vor elf Jahren, das Land Sachsen-Anhalt folgte 2004, und auch die Landesbank Berlin hat es in diesem Frühjahr getan: Sie alle wagten den Einstieg in das islamkonforme Finanzgeschäft. Zwar stellte die Commerzbank-Tochter Cominvest ihren im Jahre 2000 gestarteten islamkonformen Fonds "Al-Sukoor" knapp sechs Jahre später aufgrund mangelnden Erfolges wieder ein, doch spätestens seit der weltweiten Finanzkrise 2008 wächst das Interesse am sogenannten Islamic Finance auch in Deutschland.

Erste Schritte in diesem neuen Geschäftsfeld machte neben der Landesbank Berlin auch die Vermögensverwaltung Meridio AG mit Sitz in Köln, die seit 2010 eine islamkonforme Anleihe mit dem Namen Meridio Islamic Funds auf dem deutschen Markt anbietet. Die erste islamische Bank, die mit einer Teillizenz der Bafin die Einlagen ihrer Kunden islamkonform im Ausland anlegt, hat ebenfalls 2010 ihre Türen in Mannheim geöffnet.

"Die Nachfrage nach islamkonformen Finanzierungen nimmt auch in Bremen zu", erklärt David Kremer vom Anbieter My Islamic Banking. Der Finanzdienstleister mit Standorten in Düsseldorf und Dortmund visiert nun Norddeutschland als Ziel an. "Uns erreichen viele Anfragen aus Bremen und Umgebung, sowohl durch Empfehlungen von Kunden als auch von Interessierten in der Region", so Kremer. Bremen stelle nicht nur aufgrund des relativ hohen Anteils an muslimischen Mitbürgern einen attraktiven Standort für islamkonforme Finanzprodukte dar. Auch die Weltoffenheit der Hansestadt spricht laut Kremer dafür, hier derartige Finanzierungen anzubieten. Bis Ende des Jahres soll daher eine Filiale von My Islamic Banking in Bremen eröffnet werden.

Volumen von 800 Milliarden Dollar

Weltweit verwalten islamische Banken und Finanzinstitute ein Vermögen, dessen Volumen auf bis zu 800 Milliarden US-Dollar geschätzt wird. Angesichts der verheerenden Auswirkungen der Finanzkrise überrascht es nicht, dass ausgerechnet das islamische Finanzsystem immer häufiger als Alternative genannt wird. Denn die islamischen Finanzinstitute im Nahen Osten und in Südostasien, aber auch in Großbritannien und Luxemburg hatten weit weniger unter den Auswirkungen der Krise zu leiden als konventionelle Banken. Woran das liegt, erklärt Mounsif Chtaiti vom Institute for Islamic Banking & Finance in Frankfurt: "Grundsätzlich ist das Geschäftsmodell einer islamischen Bank aus volkswirtschaftlicher Sicht vorteilhafter als der Ansatz einer konventionellen Finanzierung, da dem zu finanzierenden Geschäft viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Bank trägt das Risiko des Anlegers mit und hat daher ein großes Interesse am Erfolg des jeweiligen Joint Ventures."

Die Regeln sind streng

Die islamischen Regeln für Finanzgeschäfte sind streng: "Allah hat den Kauf erlaubt, aber das Zinsnehmen verboten", heißt es im Koran – das Zinsverbot ist der Kern des Islamic Finance. Nicht nur reine Geldzinsen wie etwa bei einem Sparkonto sind verboten, auch die Bereicherung aus zeitlichen Verzögerungen gilt als unzulässig. Klassische Termingeschäfte sind daher aus islamischer Sicht nicht möglich. Sparkonten werden in islamischen Banken nach dem Prinzip der Gewinnbeteiligung geführt: Der Kunde erhält eine Beteiligung am Gewinn der Bank. Diesen Gewinn erzielt die Bank durch Investitionen, die ebenfalls strenge Kriterien erfüllen müssen: So sind unter anderem Beteiligungen an Unternehmen, die mit Alkohol oder Schweinefleisch handeln, verboten. Auch Unternehmen, deren Zinseinkommen am Gesamtumsatz mehr als fünf Prozent beträgt, kommen nicht infrage.

Da zudem jeder Transaktion ein realwirtschaftlicher Vermögensgegenstand zugrunde liegen muss, sind auch Praktiken wie Leerverkäufe im islamkonformen Finanzwesen nicht möglich. Die Regel ist einleuchtend: Handle nur mit dem, was dir gehört. Bei einer Immobilienfinanzierung etwa erwirbt die Bank das jeweilige Objekt für den Kunden und verkauft es diesem später mit einem Gewinnaufschlag beziehungsweise einer Gebühr in Raten. Auch zu hohe Risiken dürfen nicht eingegangen werden, was eine eingehende Prüfung der Bonität möglicher Geschäftspartner zur Folge hat.

Die Zielgruppe für islamkonforme Finanzprodukte besteht dabei keineswegs ausschließlich aus Muslimen, betont David Kremer: "Auch viele Nicht-Muslime, die Wert auf ethisch und moralisch korrekte Finanzaktivitäten legen, lassen sich gern von uns beraten. Gerade in der Zeit von Eurokrise, Kundenbetrug, Bankenabzocke und Occupy werden die Rufe nach einer Finanzalternative laut, die genau hier ansetzt. Die Menschen wollen nun auch den Bio-Laden auf dem Finanzmarkt".

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