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Bremer Spediteure setzen auf Gigaliner Kaffee per Lang-Lkw nach Ostdeutschland

Der Einsatz von Gigalinern stößt sowohl auf Ablehnung, als auch auf Zustimmung. Neben den Vorteilen bergen die Lang-Lkw auch Gefahren wie längere Überholvorgänge oder fehlende Nothalte in Tunneln.
05.01.2017, 00:00 Uhr
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Von Florian Schwiegershausen

Der Einsatz von Gigalinern stößt sowohl auf Ablehnung, als auch auf Zustimmung. Neben den Vorteilen bergen die Lang-Lkw auch Gefahren wie längere Überholvorgänge oder fehlende Nothalte in Tunneln.

Ein Lkw von Kühne + Nagel steht am Neustädter Hafen. Er sticht durch seine Länge heraus. Vom Führerhaus bis zur Ladeklappe misst er 25,25 Meter – gegenüber 16,7 Metern beim herkömmlichen Brummi. Auf diesen Gigaliner werden für Tchibo Kaffee und andere Artikel verladen, wie man sie aus den Shops des Bohnenrösters kennt.

Mit der Ware macht sich der Lang-Lkw dann auf die Reise nach Mecklenburg-Vorpommern ins 178 Kilometer entfernte Gallin zum regionalen Tchibo-Lager und anschließend wieder zurück. Diese Tour fährt er dreimal täglich. Wer oft auf der A1 unterwegs ist, hat vielleicht zufällig genau diesen Riesen-Brummi von Kühne + Nagel überholt.

Denn seit Februar 2013 hatte sich das Logistik-Unternehmen, das seinen Ursprung in Bremen hat, an dem Feldversuch für die Gigaliner beteiligt.

Auswirkungen noch nicht ausreichend untersucht

Dieser lief bis Ende 2016. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat dann zum Jahreswechsel aus dem Versuch nun die Regel gemacht, die er durch eine Verordnung erlassen hat. Damit hat er sich von verschiedenen Seiten Ärger eingefangen, der die kommenden Tage wohl weiterschwelen wird.

Der Staatssekretär im Umweltministerium (BMUB), Jochen Flasbarth, der vor diesem Job Präsident des Umweltbundesamtes war, kritisierte: „Die Auswirkungen des Lang-Lkw, seine Umweltbelastungen wie auch die Auswirkungen auf den Schienenverkehr sind noch nicht ausreichend untersucht.“ Er sprach von einem „Alleingang“.

Dem widersprach wiederum Dobrindt, schließlich sei das BMUB in die Entscheidungen mit einbezogen gewesen. Damit sind die Lagerkämpfe, die bereits während des Feldversuchs ausgefochten wurden, wieder entbrannt.

Einsparungen als Vorteile

Vor Ort in Bremen begrüßen Tchibo, Kühne + Nagel und weitere Logistikunternehmen die Entscheidung Dobrindts. Tchibo-Sprecher Arnd Liedtke erläutert: „Unsere Erwartungen seit Beginn des Feldversuchs haben sich mehr als erfüllt.“

So sind aus einem Lang-Lkw von Kühne + Nagel inzwischen drei geworden, die jeweils täglich drei Rundläufe auf der Strecke Bremen–Gallin machen. Wie alle anderen Befürworter führt er die Vorteile an: „Zwei Fahrten eines Gigaliners ersetzen mehr als drei Fahrten eines herkömmlichen Sattelschleppers. Dadurch werden bis zu 25 Prozent Sprit eingespart und entsprechend der Ausstoß an Kohlendioxid.“

So ist es auch im Abschlussbericht nachzulesen, den die Bundesanstalt für Straßenwesen (BaSt) im November 2016 vorgelegt hatte. Dieser Bericht hatte Bundesverkehrsminister Dobrindt als Begründung für seine Verordnung gedient, nun ab 2017 aus dem Versuch einen Regelbetrieb zu machen für die Riesen-Brummis.

Gigaliner bedeuten auch Gefahren

Neben dem Bundesumweltministerium kommt die Kritik daran auch vom alternativen Verkehrsclub Deutschland (VCD). Philipp Kosok, VCD-Referent für Verkehrspolitik, sagt: „Gigaliner sind zu groß, zu teuer und zu gefährlich für den Straßenverkehr. Das kann auch die BaSt-Studie nicht entkräften. Es fehlen Rastplätze und Nothalte in Tunneln, Überholvorgänge werden länger.“

Das Land Bremen hatte übrigens am Feldversuch nicht teilgenommen, als allgemeine Übereinkunft jedoch das Autobahnnetz freigegeben für die Gigaliner, damit Hafen und Güterverkehrszentrum erreichbar sind.

So setzt Robert Völkl, Geschäftsführer vom Verein der Bremer Spediteure, Kritikern entgegen: „Die Lang-Lkw fahren nicht durch die Stadt. Sie sind mit allen verfügbaren Assistenzsystemen ausgerüstet.“

Nicht überall sollen Gigaliner fahren

Was Gigaliner und herkömmlicher Sattelschlepper gemeinsam haben: Das Gesamtgewicht darf nicht höher als 40 Tonnen liegen. So seien leichte Waren mit mehr Volumen, beispielsweise Styropor, ideal für die langen Brummis. „Vor allem sind sie geeignet für den Verkehr zwischen zwei Punkten, wo es um ‚erwartbare‘ Ware geht“, ergänzt Völkl.

Der sogenannte Regelbetrieb bedeutet nicht, dass nun überall in Deutschland die insgesamt laut BaSt 161 Gigaliner fahren. Das „Positivnetz“, wie es das Ministerium nennt, umfasst 11.600 Kilometer, von denen die meisten vorwiegend auf Autobahnen sind.

Das Logistikunternehmen Hellmann, das auch in Bremen vertreten ist, fährt mit einem Gigaliner täglich vom Stammsitz Osnabrück nach Bramsche. In südliche Richtung auf der A1 wäre spätestens am Flughafen Münster/Osnabrück Schluss.

Auch Bremens Umweltstaatsrat ist skeptisch

Denn das Land Nordrhein-Westfalen hat die Riesen-Brummis nicht zugelassen. „Vonseiten des Verkehrsministeriums ist es aktuell nicht beabsichtigt, Strecken in NRW für das Befahren von Lang-Lkw freizugeben“, erklärte der zuständige Sprecher Bernhard Meier auf Anfrage.

„Der Versuch mit den ‚echten Gigalinern‘ hat den verkehrs- und umweltpolitischen Zielen der Landesregierung widersprochen.“ Diese sehen für den Gütertransport die verstärkte Nutzung von Schienen und Wasserstraßen vor.

Auch Bremens Umweltstaatsrat Ronny Meyer (Grüne) sieht das ähnlich: „Die Verordnung und der siebenjährige Modellversuch von Bundesverkehrsminister Dobrindt ist klima-, umwelt- und verkehrspolitisch ein Rückfall ins vergangene Jahrtausend.

Damit werden noch mehr Güter von der Schiene auf die Straße verlagert.“ Was das angeht, sagte Tchibo-Sprecher Liedtke bereits zum Auftakt der Kühne + Nagel-Kooperation: „Trotz langjähriger Bemühungen ist es leider nicht möglich, eine geeignete Bahnverbindung zwischen Gallin und Bremen zu etablieren.“

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