In den Rechnern von Ulrich Gellhaus und seinen Kollegen schlummert ein Schatz: Luftbilder, 3D-Modelle und Karten, die ganz Bremen detailgenau abbilden, bis zum letzten Gullydeckel. Damit lässt sich eine ganze Menge anfangen, glaubt der Leiter des Landesamtes Geo-Information – so viel, dass die amtlichen Stadtvermesser bei der Auswertung ihrer Daten jetzt auf künstliche Intelligenz (KI) setzen. Mithilfe des Raumfahrtunternehmens OHB sollen die Informationen so aufbereitet werden, dass zum Beispiel Hitzeinseln im Sommer oder Feinstaubwolken durch Kaminöfen im Winter modelliert werden können. Auch die ins Gerede gekommenen Schottergärten ließen sich auf die Schnelle identifizieren.
Das Landesamt Geo-Information residiert in einem Bürohaus im Kaffeequartier, nur einen Steinwurf von der Weser entfernt. Früher hieß es mal Katasteramt, was nach grauem Linoleum und staubigen Akten klingt. Doch die Zeiten haben sich längst geändert: Ihre Informationen ziehen Amtsleiter Gellhaus und seine knapp 120 Mitarbeiter nicht mehr aus vergilbten Karten im Hängeregister, sondern per Mausklick aus dem Rechner. „Wir können mithilfe unserer Daten einen digitalen Zwilling der Stadt erstellen“, erklärt er. Will heißen: In den Computern seiner Vermessungsingenieure und IT-Spezialisten entsteht aus Millionen von Daten ein digitales Abbild der Stadt, in dem jedes Haus und jede Straße, jeder Park und jeder Tümpel erfasst ist.
Daraus haben die Geo-Informatiker neben amtlichen Karten und anderen hoheitlichen Auftragswerken zum Beispiel ein Solarkataster erstellen, das die Eignung aller Bremer Dächer für Fotovoltaik-Anlagen anzeigt. Oder ein Gründachkataster, aus dem die Erfolgsaussichten einer Dachbepflanzung hervorgehen. Doch die breite Datengrundlage des „digitalen Zwillings“ würde aus Sicht der Stadtvermesser noch mehr hergeben. Bei der Auswertung der Daten soll jetzt künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen soll.
Damit wiederum kennt man sich bei OHB aus. Das Bremer Raumfahrtunternehmen baut nicht nur Satelliten und anderes Weltraumgerät, sondern spezialisiert sich zunehmend auch auf die Auswertung von Daten. Im Rahmen des EU-Projekts „City Clim“ ist OHB zum Beispiel dabei, die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf Großstädte zu untersuchen. „Gerade für den Umgang mit den erwarteten Folgen des Klimawandels spielt die Simulation der Wirkung von Klimaanpassungsmaßnahmen eine wichtige Rolle“, erklärt Daro Krummrich, Projektleiter bei OHB Digital Connect. Auch das Monitoring von gesetzlich vereinbarten Maßnahmen wie dem Rückbau von Schottergärten gehöre dazu.
Schottergärten lassen sich gut erkennen
Die mittlerweile auch in Bremen verbotenen Schottergärten nämlich lassen sich mithilfe von KI relativ gut erkennen: Füttert man das System mit ein paar Beispielen, kann es den gesamten Luftbildbestand der amtlichen Kartografen durchforsten, um darin zielsicher eine Steingabione von der Buchsbaumhecke zu unterscheiden. „Das vollautomatische Detektieren und Klassifizieren von Schottergärten beziehungsweise steindominierten Gärten ist ein erstes Beispiel für KI-gestütztes Monitoring“, sagt Krummrich. Besser als jeder Filter könne künstliche Intelligenz die Merkmale eines Steingartens erkennen, sich sozusagen selbst beibringen. „Durch die Selbstlernfähigkeit der KI werden Objekte genauer voneinander abgegrenzt und eine Zuordnung früher und exakter ermöglicht“, versichert Krummrich.
Für weitere Anwendungsmöglichkeiten arbeitet OHB bereits mit dem Meteorologen Jörg Kachelmann zusammen. So will man herausfinden, wie sich Baumaßnahmen auf das Stadtklima auswirken: Wo bilden sich im Sommer Hitzeinseln, weil hohe Fassaden die Sonnenstrahlung reflektieren und den frischen Wind blockieren? Auch die Luftqualität wäre ein interessantes Thema, glauben die Projektpartner: Wie verteilt sich die Feinstaubbelastung über die Stadt, wenn mehr Haushalte mit Holz heizen? Ist die Luft in Oberneuland dann dicker als am Dobben?
Im Haus von Umwelt- und Stadtentwicklungssenatorin Maike Schaefer (Grüne), zu dem das Landesamt Geo-Information gehört, unterstützt man das KI-Projekt mit OHB. „Es ist wichtig, mehr darüber zu erfahren, wie sich der Klimawandel und die zunehmende Hitze in der Stadt auswirken“, sagt Behördensprecher Jens Tittmann. „Das Projekt kann Bremen nach vorne bringen.“ Beim Thema Schottergärten allerdings bremst die Ressortspitze den Entdeckerdrang der Ingenieure: Es sei nicht daran gedacht, das Verbot auf diese Weise durchzusetzen, versichert Tittmann: „Wir tun uns nicht mit einem der führenden Weltraumunternehmen zusammen, um dann die Schotterpolizei loszuschicken.“