Der Betrieb in Odessa, dem wichtigen Versorgungshafen für die Ukraine am Schwarzen Meer, ist eingestellt. Seit Donnerstag 10 Uhr gilt dort das Kriegsrecht – mittendrin im Hafen befinden sich die Terminalanlagen der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). In den Morgenstunden haben HHLA-Hafenarbeiter unter Zeitdruck zwei Feederschiffe abfertigen können, die nach Angaben des Unternehmens noch vor der Schließung rausfahren konnten. Insgesamt hat die HHLA 480 Mitarbeiter in Odessa. Um ihnen die Möglichkeit zu geben, Vorräte einkaufen zu können, hatte der HHLA-Vorstand nach eigenen Angaben spontan beschlossen, den Beschäftigten einen Monatslohn vorab zu zahlen.
"Das ist ein bitterer Tag für alle friedliebenden Menschen weltweit", sagte HHLA-Chefin Angela Titzrath während der extra einberufenen Pressekonferenz. "Wir verurteilen aufs Schärfste den Einmarsch russischer Truppen auf die unabhängige Ukraine. Die Sorge und Solidarität meiner Vorstandskollegen, aller Mitarbeiter der HHLA und von mir gilt den Menschen in der Ukraine, die nun Teil eines Kriegsgeschehens geworden sind – insbesondere auch unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die auf unseren Terminals im Hafen von Odessa beschäftigt sind."
Ob und wann der Hafen wieder öffnen wird, ist derzeit nicht absehbar. "Wir müssen davon ausgehen, dass auch Beschäftigte der HHLA zum Militärdienst verpflichtet werden. Das macht uns betroffen." Noch hat die HHLA allerdings die Hoffnung, dass ihre Beschäftigten womöglich doch alle wieder eingesetzt werden können, weil es sich bei den Terminals um kritische Hafeninfrastruktur handle, die der Gesamtversorgung der Ukraine mit Verbrauchsgütern sowie dem Export vor allem von Getreide nach und außerhalb Europa diene. Diese Aufgabe sei bislang in bisherigen Kriegszeiten meist von beiden Seiten anerkannt gewesen.
Die HHLA habe in den vergangenen zwei Jahrzehnten etwa 170 Millionen US-Dollar in den Hafen von Odessa investiert, so Angela Titzrath. Das sei im Vertrauen auf die Schlussakte von Helsinki und anderen nach dem Ende des Kalten Krieges geschlossenen Vereinbarungen zur Sicherheit in Europa erfolgt. Diese Investition sei als Beitrag zur Sicherung für Frieden und Wohlstand in Europa gedacht gewesen.
Die Lage in Odessa sei derzeit noch sehr unübersichtlich, erklärte die Vorstandsvorsitzende. Deshalb sei es auch zu früh, über mögliche Auswirkungen von Sanktionen oder Kriegsfolgen etwas zu sagen. Der HHLA-Konzern sei in seiner Substanz durch das Kriegsgeschehen nicht gefährdet. Der Umschlag liege bei 300.000 Standardcontainern (TEU) jährlich. Diese Menge mache einen niedrigen einstelligen Bereich des Gesamtumschlags der HHLA aus, der bei etwa sieben Millionen TEU liege. Es sei aber derzeit nicht absehbar, inwieweit das Kriegsgeschehen Auswirkungen auf die globalen Ladungsströme insgesamt haben werde. Allerdings seien Logistiker grundsätzlich sehr flexibel. Es gebe eingeübte Wege, wie man Ladungsströme in andere Richtungen lenken könne, um Asien, Europa, Nordamerika weiterhin mit den Warenströmen zu verbinden. Selbstverständlich werde das eine Herausforderung, weil die Lieferketten nach wie vor durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie gestört seien.
Die weiteren Schritte am Terminal erfolgten in enger Absprache mit den ukrainischen Behörden und im Zusammenspiel mit dem bereits vor mehreren Wochen eingerichteten HHLA-Krisenstab in Hamburg, so Angela Titzrath. Vorrangig gehe es jetzt um die Sicherheit der Mitarbeiter.