Seit Jahresanfang hat die Deutsche Post/DHL durch das neue Postgesetz das Recht, das Briefe bis zu drei Werktage unterwegs sein dürfen. Doch einige Bremer haben das Gefühl, dass sie seit über einer Woche keine Briefe mehr erhalten – oder die Post nur noch an bestimmten Tagen, aber nicht durchgehend zugestellt wird. "Am Montag können Sie das schon mal ganz vergessen mit Briefen", sagt Martin Hebecker aus Oberneuland. Dabei wartet er seit über einer Woche auf die beantragten Briefwahlunterlagen für sich, seine Frau und seine Tochter. Doch bisher ist nichts angekommen. Langsam wird es eng. Dabei hat der 64-Jährige direkt am 18. Januar die Unterlagen für die Briefwahl beantragt. Dazu hatte er aus dem Anschreiben mit seinem Smartphone den QR-Code gescannt, um direkt online den Antrag auszufüllen, damit es schneller geht. "Damals hieß es, dass die Briefwahlunterlagen ab Anfang Februar verschickt werden."
Deshalb hat er beim Bremer Wahlamt angerufen. Was er dort von einer freundlichen Mitarbeiterin am Telefon erfuhr: "Sie sagte mir, dass sie Probleme bei der Zustellung in Horn und Oberneuland hätten." Wenn es eng werde, könne er zur Briefwahl in die Innenstadt An der Weide zum Wahlamt kommen. "Aber deshalb habe ich doch Briefwahl beantragt, damit ich nicht irgendwo hingehen muss. Das werden doch erst recht ältere Menschen so gemacht haben und Personen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind."
Ebenso beschwerte sich eine 90 Jahre alte Dame aus Schwachhausen, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, dass ihre Briefwahlunterlagen ebenfalls noch nicht angekommen seien: "Ich rechne damit, dass das die letzte Bundestagswahl in meinem Leben sein wird. Da will ich doch erst recht in jedem Falle mein Kreuzchen machen."
Dürfen Briefe mit ausgefüllten Wahlzetteln auch bis zu drei Werktage unterwegs sein?
"Nein", sagt Evelyn Irrsack vom Bremer Wahlamt. "Die Deutsche Post ist dazu angehalten, Briefe mit Wahlzetteln schnellstens zu transportieren." Vom neuen Postgesetz seien Wahlunterlagen ausgenommen. So bestätigt es auch Maike Wintjen von der Deutschen Post AG. In Paragraf 18 im neuen Postgesetz steht es konkret: "Als solche gekennzeichnete amtliche Wahl- und Abstimmungsunterlagen, die zur Durchführung staatlicher und kommunaler Wahlen und Abstimmungen versandt werden, sollen bis zum zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zugestellt werden.“ Wintjen erläutert: "Dazu zählen auch die Briefwahlstimmen und daran werden wir uns natürlich halten." Die Brieflogistik rund um die Bundestagswahl sei voll funktionsfähig. Dafür habe das Unternehmen unter anderem mehr Personal eingestellt, damit es im Januar und Februar klappen werde. Die Sprecherin sagt angesichts der engen Zeitfenster, dass auch Kommunen, die involvierten Dienstleister und die Wähler ihren Beitrag zum Gelingen der Wahl leisten sollten. Das Postgesetz gilt übrigens für alle Briefdienstleister – nicht nur die Deutsche Post.
Ab wann wird es eng für diejenigen, die noch auf ihre Wahlzettel per Post warten?
"Diejenigen, die Briefwahl beantragt haben, sollen sich noch bis zum Dienstag oder Mittwoch gedulden, ob die Unterlagen nicht doch noch ankommen", sagt Irrsack. Ab Mittwoch sollen sich die Bremer ansonsten nochmals telefonisch beim Wahlamt unter der Nummer 0421-361-88888 melden. Das Wahlamt werde sich eventuell dann einen "Plan B" überlegen. "Oder die Leute kommen zum Wählen zu uns ins Wahlamt. Das wird dann im Einzelfall besprochen. Wir finden für jeden eine Lösung", sagt Evelyn Irrsack. Briefe, die später als an dem Sonnabend vor der Bundestagswahl beim Wahlamt ankommen, werden nicht mitgezählt. "Uns werden am Sonntag nicht extra Briefe zugestellt", sagt das Wahlamt. Damit die Briefe noch rechtzeitig An der Weide sind, sollten die Bremer ihren Wahlzettel spätestens am Donnerstag in einen Briefkasten gesteckt haben, der an diesem Tag auch noch geleert wird. "Die roten Wahlbriefe werden nach der Bearbeitung im Briefzentrum direkt zum Wahlamt gebracht", sagt Post-Sprecherin Wintjen.
Wie beurteilt die Deutsche Post die Situation?
Sprecherin Maike Wintjen sagt: "Seit der letzten Woche haben wir vor allem im Bremer Stadtbereich einen extrem hohen Krankenstand zu verzeichnen. Davon sind nicht nur wir betroffen, sondern auch andere Betriebe." Dennoch tue man alles, um die Wählerstimmen im Brief zu transportieren. Dazu stehe man auch im Austausch mit dem Wahlamt.
Wie beurteilt das Wahlamt die derzeitige Situation?
Laut Irrsack sei es normal, dass die Wähler sich eine Woche vor der Wahl melden, wenn sie die beantragten Wahlunterlagen noch nicht erhalten haben. Grundsätzlich stellt das Wahlamt fest, dass die Nachfrage nach der Briefwahl wieder sehr hoch sei. "2021 war die Bundestagswahl mitten in der Pandemie. Da wäre der Vergleich mit der Wahl jetzt etwas schief, aber das Interesse ist hoch", sagt Evelyn Irrsack. Die ältere Dame meldete am Montag, dass sie ihre Briefwahlunterlagen noch erhalten habe. Martin Hebecker fragt sich dennoch, ob Parteien hinterher klagen werden, weil Briefstimmen zu spät zugestellt wurden. Vor allem, wenn sie knapp an der Fünf-Prozent Hürde scheitern sollten.