Luxus-Motorjachten in Überlänge und Marineschiffe sind zwei völlig unterschiedliche Bereiche, aber sie eint trotzdem einiges: Es sind teure und hochkomplexe Schiffbauten, die nicht in Massenfertigung hergestellt werden. In beiden Segmenten ist die Bremer Unternehmensgruppe Lürssen seit Jahren erfolgreich vertreten. Auch künftig sollen auf den verschiedenen norddeutschen Lürssen-Werften beide Geschäftsfelder bedient werden, aber deutlich voneinander getrennt: Die Unternehmensgruppe führt den Marineschiffbau ab sofort unter der neuen Dachmarke NVL (Naval Vessels Lürssen) fort.
Der Neubau und die Erneuerungen in der Sparte Jachten werden unverändert unter der Marke Lürssen mit der Fr. Lürssen-Werft als Dachgesellschaft fortgesetzt. Auswirkungen auf die im vergangenen Jahr auf den Weg gebrachte Zusammenarbeit im Marineschiffbau mit German Naval Yards Kiel soll die Spartentrennung nicht haben, sagte ein Lürssen-Sprecher auf Nachfrage. Und es gebe zwischen der Neustrukturierung und einem möglichen Personalabbau bei Blohm+Voss keinen Zusammenhang.
Mit der Umstrukturierung will sich das Unternehmen noch gezielter in den jeweiligen Bereichen aufstellen. „Mit den Sparten Yachten und Defence bedienen wir sehr unterschiedliche und zunehmend heterogene Märkte und Zielgruppen", sagt Friedrich Lürßen, Gesellschafter der Unternehmensgruppe Lürssen. Zusätzlich wachse die Komplexität im zivilen wie im militärischen Schiffbau. "Um unsere Kompetenzen als Schiffbauer und unsere Infrastruktur an unseren Werftstandorten optimal auszuschöpfen, haben wir uns dazu entschieden, beide Sparten klar voneinander zu trennen.“
„Mit dieser strategischen Entscheidung möchten wir unseren beiden Geschäftsbereichen den Gestaltungsspielraum ermöglichen, den sie brauchen, um Strukturen und Prozesse noch gezielter auf die Bedürfnisse der jeweiligen Kunden abzustimmen", sagt Mitgesellschafter Peter Lürßen. Zu Blohm+Voss in Hamburg sagte er, dass es bereits bei der Übernahme von Blohm+Voss 2016 eine klare Zukunftsvision für den Standort gegeben habe und "daran haben alle Beteiligten kontinuierlich und mit viel Engagement gearbeitet". Viele Maßnahmen auf dem Weg dahin seien bereits erfolgreich umgesetzt worden. "Unser Ziel, den Standort wettbewerbsfähig und langfristig erfolgreich aufzustellen, haben wir leider noch nicht erreicht."
Nicht wettbewerbsfähige Kostenstrukturen, ein hart umkämpftes und branchenweit schwieriges Marktumfeld, insbesondere im Segment Refit und Repair, hohe Infrastruktur- und Personalkosten und eine Unterauslastung in den kommenden zwei Jahren seien nur einige der aktuellen Herausforderungen, die den Kurs hin zu einem nachhaltig erfolgreichen und stabilen Werftstandort erheblich erschweren, so Lürßen weiter. "Bereits Ende 2020 haben wir die Situation der Belegschaft erklärt und vorgeschlagen, einen weiteren Ergänzungstarifvertrag abzuschließen. Nachdem die Aufnahme von Gesprächen hierzu abgelehnt wurde, haben wir nach einer konstruktiven Alternative gesucht, um den Weg weiterhin gemeinsam mit der Belegschaft zu gestalten und zu vereinbaren."
Dafür sei ein Zukunftstarifvertrag zur nachhaltigen Sicherung von Arbeitsplätzen und des Standortes insgesamt entworfen worden. "Mit diesem hätten wir – auch als klares Signal für die Mannschaft vor Ort und unsere langfristige Planung mit Blohm+Voss – mehr als 500 Beschäftigten für die kommenden viereinhalb Jahre eine Beschäftigungssicherung garantiert", so Lürßen. "Zudem wäre der Beitrag seitens der Belegschaft im Vergleich zum 2020 ausgelaufenen Ergänzungstarifvertrag geringer ausgefallen." Dennoch hätten sich die IG-Metall-Mitglieder der Belegschaft mehrheitlich gegen diesen Zukunftstarifvertrag ausgesprochen.
Das bestätigte Emanuel Glass, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Hamburg, auf Nachfrage des WESER-KURIER. "Die Kollegen hätten bei diesem Zukunftstarifvertrag 38 Stunden statt 35 Stunden ohne Entgeltausgleich arbeiten müssen über dreieinhalb Jahre - das, obwohl es angeblich eine Unterauslastung gibt." Außerdem hätte dieses Paket den sozialverträglichen Abbau von 68 Arbeitsplätzen beinhaltet. "Daraus hat sich für die Mitarbeiter ein Widerspruch ergeben und das belastet natürlich Vertrauen in die Unternehmensführung." Enttäuscht seien die Mitarbeiter jetzt nochmals, "als ihnen in dieser Woche bei einer Betriebsversammlung ein neues Zukunftskonzept vorgestellt wurde, das auch Personalabbau vorsieht. Allerdings wurde nicht gesagt, wie hoch dieser ausfallen soll." Das sei ein sehr intransparenter Vorgang.
Zum vorgestellten Zukunftskonzept sagte Lürßen, dass man die Grundausrichtung in den Bereichen Jachten und Defence konsequent fortsetzen werde. Man habe weitere Schritte zur Fokussierung und notwendigen Kostenreduzierung beschlossen. Das Marktsegment der Handelsschiffe bei Blohm+Voss werde aufgegeben und das der Kreuzfahrtschiffe nicht weiter aktiv verfolgt. "Bereits vereinbarte Aufträge werden wir erfüllen." Es werde geprüft, ob und wenn ja in welchem Umfang und in welcher Form das Kreuzfahrtgeschäft außerhalb von Blohm+Voss fortgeführt werden könne. "Neben der daraus resultierenden Personalanpassung werden wir die hohen Infrastrukturkosten senken und entsprechende Prüfungen einleiten müssen." Entsprechend werde man unter anderem die Dockkapazitäten und die externe Nutzung nicht mehr benötigter Flächen und Hallen überprüfen. "Es ist unsere feste Absicht, nach der Neuaufstellung einen Rahmen zu schaffen, der für die Mitarbeitenden hier am Standort Hamburg ein gutes Leistungs- und Arbeitsklima schafft."