Eine Million Euro auszugeben ist gar nicht so einfach: Man könnte zum Beispiel 850-mal von Bremen mit einem Taxi nach Paris fahren. Oder 240 Jahre lang mit einer Bahncard 100 durch Deutschland reisen. Oder 15-mal in einer Zweibett-Balkonkabine auf einem Kreuzfahrtschiff die Welt umrunden. Wer lieber hier bleibt, könnte sich mit dem Geld auch 5000 Dauerkarten für die Ostkurve im Weserstadion kaufen. Doch der schnellste Weg, die Million auszugeben, wäre wohl der Kauf einer Immobilie: zum Beispiel einer Vierzimmerwohnung in Bremen-Schwachhausen.
Das Mehrfamilienhaus im Stadtvilla-Stil entsteht an der Schwachhauser Heerstraße in der zweiten Reihe. Noch ist gerade einmal der Rohbau fertig, aber ein Plakat an der Straße zeigt, wie es hier später aussehen soll. Die Wohnungen sind unterschiedlich groß und teuer: Vier Zimmer mit 160 Quadratmetern, Terrasse, zwei Badezimmern, Eichenparkett und Fußbodenheizung kosten 945.000 Euro. Es wäre also noch etwas Geld für einen Garagenstellplatz übrig. Dafür ploppen im Sommer direkt neben dem Millionenobjekt die Tennisbälle über die Ascheplätze des Bremer Tennis-Vereins von 1896. An der Zufahrt liegt ein Kindergarten.
"Absolute Top-Lage"
Für Arne Smolla, Verkaufsexperte beim Bremer Immobilienberater Robert C. Spies, befindet sich das Projekt "Wohnpark Schwachhausen" dennoch in einer "absoluten Top-Lage": "Sehr weitläufiges, fast 14.000 Quadratmeter großes Grundstück, Gärten, freier Blick", zählt er auf, "und das mitten in Schwachhausen." Dem Stadtteil also, der im Marktreport des Bremer Maklerbüros zurzeit die höchsten Quadratmeterpreise im Wohnungsneubau erzielt: durchschnittlich knapp 6000 Euro. Macht bei einer 160-Quadratmeter-Wohnung für wohlhabende Silver Ager also fast eine Million Euro.
Für die meisten Menschen ist das eine unvorstellbar hohe Summe. Der Immobilienmarkt jedoch kannte in den vergangenen Jahren nur eine Richtung: Im Neubau stiegen die durchschnittlichen Quadratmeterpreise allein seit 2018 laut dem Marktreport um 15 Prozent, bei Bestandsimmobilien sogar um 34 Prozent. Was bekommt man also heute für eine Million Euro auf dem Bremer Immobilienmarkt?
Wer die Anzeigen der Bremer Makler oder die einschlägigen Immobilienplattformen im Internet studiert, stößt überwiegend auf Objekte, die zwar fast alle im Preis gestiegen, aber von der Million noch recht weit entfernt sind. "Natürlich sind eine Million Euro immer noch wahnsinnig viel Geld", räumt Immobilienexperte Smolla ein. "Aber in den letzten 30 Jahren hat sich da etwas verschoben." Wurden solche Objekte zu D-Mark-Zeiten noch diskret einer sehr begrenzten Kundschaft offeriert, ist das Klientel mittlerweile gewachsen: "Es sind nicht mehr nur Marktteilnehmer mit ,altem Geld' unterwegs", hat Smolla beobachtet. Wer ein sicheres und gut bezahltes Arbeitsverhältnis hat, eventuell vorzeitig in den Genuss einer familiären Schenkung in Form von Eigenkapital kommt und sich dann die noch offene Differenz zu den aktuell niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt besorgt, könne durchaus einen Kaufpreis in dieser Größenordnung stemmen. "Es ist salonfähig geworden, größere Summen zu bewegen", sagt Smolla.
Das Altbremer Haus ist eine Rarität
Und was macht eine Immobilie dann zum Millionenobjekt? "Die Lage, die Ausstattung und die Größe", zählt Nicola Metzger auf, Leiterin des Bereichs Eigentumswohnungen bei Robert C. Spies. Und manchmal auch die Gelegenheit: Ein gut erhaltenes Altbremer Haus etwa ist eine Rarität auf dem Markt. "Da hat man in bevorzugten Lagen meist nicht die Chance, lange zu warten", sagt Metzger. Oder hart zu verhandeln: Man zahlt oder verzichtet. Natürlich gibt es die Bremer Architektur-Ikone auch in der kaputtrenovierten Variante mit weiß-gelber Klinkerfassade aus den 1970er Jahren, räumt die Immobilienexpertin ein. Aber wenn der Stuck noch an der Decke hängt, das Fischgrätparkett frisch geschliffen und die Pitchpine-Treppe sowie die Kassettentüren ohne Kratzer sind, wird ein Altbremer Haus schnell zum Millionenobjekt. Nur dass es eben selten in den Anzeigen der Immobilienmakler auftaucht, sondern als echte Rarität diskret den Besitzer wechselt.
Das Gegenstück zu den charmanten Altimmobilien sind die Neubauten – lichtdurchflutete Klinkerkuben und neoklassizistische Stadtvillen mit Veranda und Säulenportal am oberen Ende der Preisskala. Bei durchschnittlichen Quadratmeterpreisen von 5500 bis fast 6000 Euro in Schwachhausen oder der Überseestadt ist es allein eine Frage der Wohnungsgröße, wann die Millionengrenze erreicht ist. Wer also eine Penthouse-Wohnung in einem der obersten Stockwerke in der Überseestadt bezieht, zahlt für den unverstellten Weserblick schnell eine siebenstellige Summe. "Im selben Haus sind natürlich auch kleinere Wohnungen für deutlich weniger als eine Million Euro zu bekommen", erläutert Metzger.
Bei 1,5 bis 2 Millionen Euro pro Objekt wird es dann auf dem Bremer Immobilienmarkt "deutlich ruhiger", so die Experten. "Natürlich gibt es immer noch mal einen Ausreißer, aber eine gewisse Obergrenze ist damit erreicht", sagt Smolla. Im Vergleich zu den Top-7-Standorten auf dem deutschen Immobilienmarkt gebe es in Bremen immer noch ein "sehr gesundes Preis-Leistungs-Verhältnis", meint seine Kollegin Metzger. In München jedenfalls geht die Million in begehrten Innenstadtlagen schnell schon mal für ein Zweizimmer-Apartment mit 70 Quadratmetern über den Tisch.