Die Werkbank ist zum Bügeltisch umfunktioniert: letzte Vorbereitungen für die Ausstellung. Sie ist eine Premiere für alle Beteiligten – für die Trainees von Weserholz, die hier ihre Kreationen aus Keramik zeigen, ebenso für Friedrich Gerdes und Miriam Franken. Sie wollen in ihrer Werkstatt nicht mehr nur Design für andere gestalten, sondern künftig auch den Raum zur Gestaltung öffnen. Platz genug für Kurse, Workshops, Vorträge und Ausstellungen ist da – und alles andere auch. Im Herbst sollen die ersten Kurse in der kleinen Design-Schule von „Fritz und Franken" beginnen. Auf dem Lehrplan steht: Wertschätzung für Material, handwerkliche Arbeit und für die Dinge, mit denen man sich umgibt.
Die frisch gebügelten weißen Leintücher sind die Kulisse für Schüsseln, Schalen und kleine Vasen, schöne praktische Dinge für junge Haushalte. Sie sind das greifbare Resultat des einwöchigen Workshops, den die fünf Weserholz-Trainees aus dem aktuellen Jahrgang kürzlich absolviert hatten. Für die jungen Männer im Alter zwischen 18 und 27 Jahren wurde die Keramikwerkstatt zur zusätzlichen Station im Rahmen ihrer handwerklich-gestalterischen Qualifizierung, zum nächsten Schritt auf dem Weg in die Berufsausbildung und die Selbstständigkeit, erklärt Karin Felzmann, stellvertretende Leiterin des Designstudios aus der Überseestadt.
Mit der Anfrage hat man bei den Findorffer Kollegen offene Türen eingerannt. Die Idee, Kurse und Workshops anzubieten, war da schon längst im Hinterkopf. Das jüngste der drei Kinder war erst ein paar Monate alt, „wir wollen nicht mehr so viel reisen“, erklärt Miriam Franken. Dass die Pandemie mit den Dienstfahrten durch halb Europa zu Messen, Wettbewerben, Produzenten und Auftraggebern plötzlich Schluss machte, war der letzte Auslöser, um die Neuorientierung anzugehen.
Jetzt steht das Konzept: Die rund 150 Quadratmeter große Werkstatt und die benachbarte fast ebenso große Halle sollen zu einem kleinen kreativen Bildungszentrum umgebaut werden. Hier wollen Gerdes und Franken Workshops für Erwachsene und Kinder anbieten, für Anfänger ebenso wie für Anspruchsvolle, die mehr über die Techniken und Möglichkeiten der Keramikherstellung lernen möchten. Kooperationen mit Schulen und sozialen Projekten oder auch Teambuilding-Maßnahmen für interessierte Unternehmen wären möglich, erklärt Miriam Franken.
Geplant sei außerdem der kreative Austausch mit anderen Künstlern und Designern, die zu Gesprächen und Vorträgen eingeladen werden. Die Werkstatträume sollen auch Gastdozenten aus anderen handwerklich-gestalterischen Metiers zur Verfügung gestellt werden, die sie für Workshops etwa zum Siebdruck, Buchbinden, für Schneiderei oder Bildhauerei nutzen können. Außerdem gibt es Ideen für Themenabende oder -wochenenden, bei denen es um spezifische Designthemen wie Essen und Trinken oder Licht und Leuchten gehen soll. Immer solle dieser Aspekt die wesentliche Rolle spielen: die Frage, was gutes Design eigentlich ist.
Friedrich „Fritz“ Gerdes, 37 Jahre, und Miriam Franken, 41 Jahre, lernten sich während ihrer Möbeltischlerlehre in Berlin kennen und blieben seitdem zusammen, privat und beruflich: während des Produktdesign-Studiums, beim Auslandsjahr in Mittelamerika, beim gemeinsamen Designstudio in Münster und seit vier Jahren an der Bayreuther Straße am Rande des Stadtteils Findorff. Das Grundstück mit dem Lagergebäude, das Gerdes´ Großvater errichten ließ, bietet Platz genug, um Wohnen und Arbeiten unter ein Dach zu bringen.
Nach Bremen mitgebracht haben sie damals eine Kollektion an Möbeln, Leuchten und Wohnaccessoires. Und den Brennofen, in dem Nachschub für die Serie „Feine Akzente“ entsteht: Für die Vasen aus gegossenem Feinsteinzeug gebe es bereits eine Sammlergemeinde, berichtet Miriam Franken und erzählt, dass Friedrich Gerdes für einen namhaften thüringischen Porzellanhersteller Objekte entwickelt hat. Bei Aufträgen als „Autorendesigner“ ist das Duo vorsichtig: „Wir möchten selbst die Kontrolle darüber behalten, wo und wie unsere Entwürfe gefertigt werden“, erklärt Gerdes und erzählt von der Enttäuschung, als die Kerzenhalter-Serie für ein renommiertes dänisches Designhaus in Indien produziert wurde. „Das hatten wir nicht gewollt“, sagt Miriam Franken. Für ihre Entwürfe suchen sie die Zusammenarbeit mit lokalen oder regionalen Handwerksbetrieben, die, so Franken, „nach ökologisch vertretbaren Prinzipien“ arbeiten. Ein Beispiel ist der Glasschirm der Hängeleuchte „Lit Up“, der in einer traditionellen Glasmanufaktur mundgeblasen wird.
Für sich selbst haben sie die Frage nach den Charakteristika guten Designs längst beantwortet. Sie halten es mit Enzo Mari, den sie als eines ihrer Vorbilder nennen: Der italienische Gestalter hatte nicht nur früh soziale und ökologische Faktoren in die Branche eingeführt und mit dem Grundsatz aufgeräumt, dass zu gutem Design immer auch ein Luxuspreis gehöre. Mari hatte auch bewusst Möbel entworfen, die ihre Besitzer zum Konstruieren und Mitgestalten riefen. „So entsteht emotionaler Mehrwert“, sagt Friedrich Gerdes. Eigentlich ist es ganz einfach: „Gutes Design sind Dinge, die ein ganzes Leben lang begleiten und wie ein schönes altes Erbstück weitergegeben werden.“