Einige Menschen sehnen sich gelegentlich nach einem Tapetenwechsel. Dabei spielt es nicht unbedingt eine Rolle, wo sich die anderen Tapeten befinden. Auf dieser Idee gründet das Portal "Hometowny – dein Urlaub im Alltag". Der Name – abgeleitet von der englischen Vokabel für Heimatstadt – ist Programm: Auf dem Portal werden Hotelzimmer in Bremen und Umgebung für Bremerinnen und Bremer sowie Bewohner der Region vermittelt – zu besonderen Bedingungen. Auf der Homepage heißt es: "Na klar, es gibt mittlerweile etliche Hotelvermittlungsplattformen, dennoch sind wir die erste, die ein exklusives Angebot für regionale Gäste bietet, und das immer dann, wenn du mal wieder 'ne Auszeit brauchst."
Hinter dem Buchungsportal steckt Philipp Kleiner, 33, Ingenieur und hauptberuflich in der Energiewirtschaft tätig. Auf die Idee sei er im heißen Sommer 2019 gekommen, als er und seine Frau von ihrem Schlaf- in das kühlere Gästezimmer umgezogen seien. Selbst diese kleine Veränderung "hat sich angefühlt wie eine ganz kleine Auszeit". Allerdings sei diese Erfahrung nur von kurzer Dauer, wenn man, sobald man das Zimmer verlasse, "wieder den Alltag vor Augen hat mit dem Haushalt und dem Papierkram, den man noch erledigen muss".
Daraus folgte der Gedanke eines Hotelaufenthalts "gleich um die Ecke oder auf dem Land vor der eigenen Haustür", als "Kurzurlaub im Alltag" mit kleinstmöglichem Aufwand bei der Anreise. In Philipp Kleiners Worten: "möglichst spontan, kurzfristig und flexibel", möglicherweise mit dem Fahrrad oder der Straßenbahn. Damit sei diese Form des Kurzurlaubs obendrein nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern sie sei auch nachhaltig: Wie man Geschäfte im eigenen Viertel bewusst durch seinen Einkauf unterstütze, könne man die Hotels in der eigenen Stadt ebenfalls stärken – nicht nur, aber auch vor dem Hintergrund der vergangenen Monate.
Viele Menschen "hetzen täglich von A nach B und funktionieren nur noch. Sich um sich selbst zu kümmern, bleibt da oft auf der Strecke", sagt Philipp Kleiner. Er sei davon überzeugt, dass man sich häufiger eine Auszeit nehmen solle. "Das gelingt am besten mit einem Perspektiv- oder Tapetenwechsel".
Hotels hätten Interesse an der Vermittlung von Zimmern zu bestimmten Zeiten, weil sie meist nur an wenigen Tagen im Jahr vollends ausgelastet seien. "Diese freien Zimmer kann man nutzen, um Menschen aus der Umgebung damit Urlaub im Alltag zu ermöglichen." Das Portal sei "ein zusätzlicher Vermarktungsweg, um freie Zimmer an den Mann zu bringen". Es verschaffe Hoteliers "einen Zugang zu einer unerschlossenen Kundengruppe".
Detlef Pauls, Vorsitzender des Dehoga-Landesverbandes Bremen und mit seinem Bruder Jan Inhaber zweier Hotels, ist mit dem Hotel zur Munte bei Hometowny registriert. "Auf diese Weise bekommen wir Gäste, die wir sonst nicht bekommen würden", sagt Pauls. Das Portal biete Bremern die Möglichkeit, ihre Stadt von einer neuen Seite, neue Quartiere kennenzulernen. Ihm sei wichtig, sagt Pauls, "dass wir nicht den billigen Jakob machen. Wir möchten Qualität verkaufen".
Kleiner nahm Kontakt mit Hotels auf, begegnete hier und da auch Skepsis, leistete Überzeugungsarbeit – am 1. November 2020 sollte eine Pilotphase folgen. Es kam anders, wie vielen anderen durchkreuzten die Entwicklungen der vergangenen Monate Kleiners Pläne. Kurz bevor das Portal erreichbar sein sollte, wuchs die Zahl der Infizierten. Das Gastgewerbe musste Ende Oktober wieder schließen, zumindest für alle, die keine triftigen Gründe für eine Hotelübernachtung hatten. Ein Tapetenwechsel gehörte nicht dazu.
Der Starttermin wurde verschoben. Seit rund vier Wochen können Bürger aus Bremen und dem Umland Hotelzimmer in ihrer vertrauten Umgebung buchen, sagt Philipp Kleiner. Vier Hotels in Bremen, eines in Bremerhaven und fünf im Umland sind derzeit buchbar. "Mein Ziel war, die Pilotphase mit fünf Hotels zu starten. Das reicht, um zu gucken, ob das Angebot überhaupt angenommen wird" und wie man es bekannt machen könne. "Außerdem kann ich das Nachfrage-Angebot-Verhältnis noch nicht einschätzen." Mit der bisherigen Resonanz ist Kleiner zufrieden. Leicht sei die Lage momentan nicht; viele ziehe es in die Ferne, andere sorgten sich wegen der Delta-Variante.
Die Preisgestaltung überlässt Kleiner den Hotels, die Zusammenarbeit funktioniert finanziell auf Provisionsbasis. Angeboten wird ein überschaubares Zimmer-Kontingent, zu besonderen Konditionen oder durch Extras aufgewertet. Der Radius, aus dem die Gäste kommen können, um in den Genuss der Vorteile zu kommen, wird laut Kleiner ebenfalls von den Hotels selbst bestimmt. Wer das Portal besucht, wird gebeten, seine Heimatadresse anzugeben und bekommt nur die Hotels angezeigt, die für ihn regionale Konditionen bieten.
Ist es nicht unnötiger Luxus, da Geld für eine Übernachtung auszugeben, wo es gar nicht nötig ist? Philipp Kleiner zieht eine Parallele zum Frühstücken- oder Essengehen. Auch das sei jederzeit ohne Weiteres zu Hause möglich. Ob im Restaurant oder im Hotel, es gehe um entspannten Genuss. Man lege sich quasi ins gemachte Bett wie man sich an den gedeckten Tisch setze.
Kleiner will, sofern dem Portal Erfolg beschieden ist, sein Angebot nach und nach auf andere Städte und Regionen ausweiten. Gefördert wird die "One-Man-Show", wie Kleiner sein Unternehmen bezeichnet, durch das Starthaus-Coachingprogramm der Bremer Aufbaubank für Existenzgründer.