Das Graf-Zeppelin-Haus bezeichnet sich selbst als eine der wichtigsten Kulturstätten am Bodensee. So findet hier in Friedrichshafen in diesem Monat auch das Symposium der Fußpfleger und Podologen statt, wenige Tage später tritt Peter Orloff mit dem Schwarzmeer-Kosaken-Chor auf. Zumindest bei Letzterem lässt sich noch ein maritimes Element erkennen. Das soll aber nicht der Grund sein, weshalb noch vor Orloff in der Mehrzweckhalle die elfte Nationale Maritime Konferenz stattfindet – und damit zum ersten Mal weit ab der deutschen Küste.
Dass das so ist, begründet Norbert Brackmann (CDU) als Maritimer Koordinator der Bundesregierung so: 21 Prozent des Umsatzes machen Zulieferbetriebe im Schiffbau in Baden-Württemberg, 21 Prozent kommen aus Bayern. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass diejenigen, die die restlichen 58 Prozent Umsatz erwirtschaften, sich auf den Weg in den Süden machen müssen. Auf der Konferenz werden unter dem Motto "Deutschland maritim – global, smart, green" 800 Gäste über Häfen, Schifffahrt, Schiffbauindustrie, Meerestechnik und Offshore diskutieren. Zumindest BLG-Chef Frank Dreeke, der auch gleichzeitig Präsident vom Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) ist, sieht im Veranstaltungsort einen positiven Aspekt: „Das ist eine gute Gelegenheit, den süddeutschen Verladern an die Haustür zu klopfen, um sie daran zu erinnern, dass sie ihre Güter über die deutschen Seehäfen verladen sollen."
Ähnlich sieht es Tim Cordßen, Sprecher des Wirtschaftsressorts. Er hält es ebenfalls für eine gute Gelegenheit, für die deutschen Häfen zu werben, anstatt dass Waren über Italien verschifft werden. Eine thematische Überschneidung mit der Fachmesse Breakbulk, die zur gleichen Zeit in Bremen stattfindet, gebe es nur zum Teil. So wird sich Staatsrat Jörg Schulz (SPD) mit Mitarbeitern auf den Weg nach Friedrichshafen machen, während Häfensenator Martin Günthner (SPD) Bremen auf der Breakbulk vertreten wird.
Trotz manch Unmuts in der Branche über den Veranstaltungsort der Maritimen Konferenz, versuchen sich die verschiedenen Interessengruppen in Position zu bringen. So wollen die deutschen Seehäfen auf dauerhaft hohe Investitionen in die Infrastruktur drängen. Zudem werden sie die Abschaffung von Wettbewerbsnachteilen gegenüber den Konkurrenzhäfen im Ausland auf die Tagesordnung setzen, teilte der ZDS mit. Das geltende Erhebungsverfahren zur Einfuhr-Umsatzsteuer schade gerade auch Importeuren in Baden-Württemberg und Bayern.
Dreeke sagte als ZDS-Präsident: „Wir investieren jährlich Hunderte Millionen Euro in die Zukunft für unsere Unternehmen und für den Wirtschafts- und Logistikstandort Deutschland.“ Jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hänge vom Export ab und damit auch vom Seeverkehr. „Die deutsche Hafenwirtschaft ist systemrelevant und extrem leistungsstark“, erklärte er. „Wir wollen unsere Wettbewerbsvorteile und hohe Leistungskompetenz noch besser nutzen können.“ Die 22 deutschen Seehäfen schlagen jährlich ungefähr 300 Millionen Tonnen Güter um, darunter etwa 15 Millionen Standardcontainer (TEU) und 3,5 Millionen Autos. Dreeke wird am Donnerstag auf der Konferenz die Ergebnisse aus dem Häfen-Forum vortragen.
Genauso wie der ZDS legen auch die deutschen Reeder ihre Probleme dar. „Wir sind weiter im Krisenmodus“, sagte Alfred Hartmann, Präsident des Verbandes Deutscher Reeder (VDR). „Der Standort Deutschland insgesamt hat ein wenig den Anschluss verloren.“ Die Schifffahrt sei jedoch immer noch eine globale Wachstumsbranche; der Warenverkehr nehme im Schnitt um drei Prozent jährlich zu.
Die Schifffahrt war im Zusammenhang mit der Lehman-Pleite 2008 und der anschließenden Wirtschaftskrise in schwere Wasser geraten. Hohe Überkapazitäten verlängerten die Krise. Die deutsche Handelsflotte schrumpfte von ihrem Höchststand mit mehr als 3500 Schiffen auf heute knapp 2300 Schiffe, die Zahl der Reedereien reduzierte sich von mehr als 400 auf rund 330 Unternehmen. Noch immer sei Deutschland führend in der Containerschifffahrt und stark in anderen Marktsegmenten wie der Tankerschifffahrt. Doch Länder wie Griechenland, aber auch die Niederlande, Dänemark und die anderen skandinavischen Staaten hätten dank besserer Rahmenbedingungen ihre Positionen ausgebaut.
„Wir vergleichen uns nicht mit Standorten in Asien oder Afrika“, sagte Hartmann. „Aber die gleichen Rahmenbedingungen wie unsere europäischen Nachbarn brauchen wir schlicht, um konkurrenzfähig zu sein.“ Das betreffe insbesondere den Zugang zu Krediten, nachdem sich die deutschen Schiffsbanken weitgehend vom Markt zurückgezogen hätten und Reedereien kaum noch Eigenmittel mobilisieren könnten. Der Staat könne etwa mit KfW-Mitteln, Bürgschaften und Garantien den Kauf neuer Schiffe unterstützen.
Versicherungssteuer soll weg
Entscheidend wären aber auch wettbewerbsfähige steuerliche Rahmenbedingungen, etwa der Verzicht auf eine 19-prozentige Versicherungssteuer für Schiffe, die nicht in deutschen Registern eingetragen, sondern nur von deutschen Reedern gemanagt würden. „Diese neue Praxis der Steuerverwaltung gibt es so in keinem anderen Land“, sagte Hartmann. „Ich höre immer wieder, dass die Politik sagt, die maritime Wirtschaft sei eine Schlüsselindustrie für Deutschland. Aber den Worten müssen auch Taten folgen.“
„Wir müssen auch technisch auf dem aktuellen Stand bleiben“, sagte Hartmann. „Das geht nur mit neuen Schiffen.“ Die ständige Modernisierung der Flotte sei auch notwendig, um die höheren Umweltanforderungen zu bewältigen. Die Umstellung der Schiffe auf Dieselkraftstoff mit einem Schwefelgehalt von 0,5 statt 3,5 Prozent ab 2020 – entsprechend der IMO2020-Verordnung – werde im Markt einige Turbulenzen auslösen, aber letztlich erfolgreich verlaufen. „Wir unterstützen das und wir setzen das um“, sagte der Reederpräsident. Gerade der Punkt der alternativen Schiffsantriebe habe für Brackmann Bedeutung, weil Deutschland dafür die Technik habe. Mittelfristig wage VDR-Präsident Hartmann die Prognose, dass sich verflüssigtes Erdgas (LNG) als umweltfreundlichster fossiler Brennstoff auf Frachtschiffen erheblich stärker als bisher durchsetzen werde.
Durch die Konferenz will Brackmann die deutsche Strategie in die richtige Richtung lenken. Gleichzeitig fordert er, in Brüssel die Position eines Maritimen EU-Koordinators einzuführen, wie er vor einer Woche auf der Versammlung vom Verein Bremer Spediteure kundtat. Den Bremer Spediteuren reicht das nicht. Einer von ihnen appellierte an Brackmann: „Vertreten Sie in Berlin endlich stärker unsere Interessen. Denn davon spüren wir bisher nicht viel.“ Gleichzeitig machten die Spediteure Brackmann klar, dass sie variabel dabei sind, ob sie ihre Container und Waren über Rotterdam, Antwerpen oder einen deutschen Hafen verschiffen – wobei sie auch hier eher weniger Friedrichshafen gemeint haben.