Klassische unabhängige Marken-Autohäuser von Tesla gibt es nicht. Der US-amerikanische Autohersteller setzt auf den Online-Vertriebsweg – aber er verlässt sich nicht allein darauf: In mehr und mehr Städten wurden in den vergangenen Jahren sogenannte Stores oder Center eröffnet. Das größte deutsche Zentrum gibt es seit Ende 2020 in Hamburg. Dort können Kunden ihr Fahrzeug konfigurieren und bestellen. Wer keine Beratung benötigt, der ordert sein Fahrzeug über die Tesla-Homepage. Was Tesla vorgemacht hat, haben sich die anderen Hersteller genau angeschaut und einige von ihnen beschäftigen sich nun ebenfalls mit virtuellen Einkaufsportalen. Doch wird diese Entwicklung die klassischen Autohäuser verdrängen? Der Kfz-Landesverband Niedersachsen-Bremen sieht auf jeden Fall eine Zukunft für den stationären Autohandel – auch wenn dieser vor großen Herausforderungen stehe.
Daran ändert auch die Studie des Instituts für Automobilwirtschaft (Ifa) nichts. Danach werden von derzeit 6800 Autohäusern bis zum Jahr 2030 noch 3900 in Deutschland übrig bleiben, schreibt das "Handelsblatt": Der Autohandel stehe vor einem Konzentrationsprozess. Kleinere Betriebe müssten aufgeben und würden von größeren Autohändlern aufgekauft.
„Es kommt vor, dass große Betriebe und Gruppen andere Autohäuser übernehmen – aus den unterschiedlichsten Gründen“, sagt Joachim Czychy, Sprecher des Kfz-Landesverbands Niedersachsen-Bremen. Gerade bei Familienunternehmen fehlten oft die geeigneten Nachfolger. Außerdem würden sich Unternehmer manchmal von ihren mittelgroßen Autohäusern trennen, weil sie keine Zukunftsperspektiven mehr im Automobilhandel sehen. "Und die großen Marktplayer übernehmen Autohäuser, um zu wachsen und sich dadurch strategisch gegenüber den Herstellern besser platzieren zu können und eine gewisse Marktmacht zu erreichen", sagt der Sprecher weiter.
Wenige Handelsstandorte
Ähnliches ist auch von Harm Fischer zu hören. "Sicherlich werden die Autohausunternehmen in den nächsten Jahren nicht mehr werden", sagt der Vertriebsvorstand des Autohändlers Schmidt + Koch in Bremen. Das Potenzial werde sich auf wenige Handelsstandorte konzentrieren, "die dann wiederum gute Zukunftsperspektiven haben." Er persönlich sei davon überzeugt, dass es ohne Handel auch in Zukunft nicht funktionieren werde: Trotz aller Digitalisierung, Bestrebungen zu Direktvertrieb und Krisen der Hersteller – der Automobilhändler ist und bleibt nach Ansicht Fischers der Ansprechpartner für den Kunden vor Ort. "Die von den Herstellern geforderten Investitionen erfordern pro Handelsstandort schon ein gewisses Volumen, was zwangsläufig zu einer Konzentration der Handelsstandorte führt."
Der Trend zu großen Autohäusern und Autohausgruppen scheine aus Herstellersicht forciert zu werden, da dies auch für den Hersteller weniger Ansprechpartner und damit weniger Aufwand bedeute. Ifa-Direktor Stefan Reindl beschreibt die Entwicklung als „Zentralisierung im Autohandel“. Für die Mehrheit der Automarken gehöre die Straffung des Vertriebsnetzes zum Alltag.
Diese Entwicklung bedeute aber nicht automatisch, dass die Anzahl der Autohäuser weniger werde – nur die Anzahl der Eigentümer verringere sich, so Czychy. Diese Situation dürfte sowohl für Gesamtdeutschland als auch für Niedersachsen und Bremen gelten. "Es gab auch schon frühere Prognosen, danach sollte die Anzahl von 7800 auf 4500 Autohäuser bis 2020 zurückgehen. Heute sind wir immer noch bei über 6800 Autohäusern."
Transformationsphase steht an
Tatsache sei aber, dass die Automobilwirtschaft sich in einer Transformationsphase befinde, die sich auch auf die Autohäuser auswirken könne, ist der Sprecher des Kfz-Landesverbands Niedersachsen-Bremen überzeugt. Die Elektrofahrzeuge werden von fast allen Herstellern im Agentursystem vertrieben. Dabei fungiere der Händler nicht mehr als Verkäufer des Fahrzeugs, sondern nehme gegen eine Provision die Rolle des Vermittlers zwischen Kunden und Hersteller ein. "Und eine Gefahr sehe ich in einer möglichen Konkurrenz im Online-Handel zwischen Herstellern und Autohandel", sagt Czychy weiter. Trotz aller Beteuerungen der Hersteller, auf den Handel nicht verzichten zu können, sehe er die Gefahr, dass die Hersteller sich immer mehr Anteile am Online-Handel sichern könnten. Dies treffe auf Neuwagen aber auch auf den Bereich der Jahreswagen zu.
Was alle Hersteller gemeinsam haben: Für sie gibt es offenbar nicht nur den einen Vertriebsweg. So wie Tesla sein physikalisches Store- und Center-Netz ausgebaut hat, weiten die anderen Autohersteller ihre digitalen Angebote aus. So habe sich die Zahl der Online-Shops in den den Märkten USA, China und Europa im Vergleich zu 2021 insgesamt von 31 auf 60 fast verdoppelt, zitiert die Zeitschrift "Autohaus" eine Studie der Management- und Unternehmensberatung "Bearing Point" über die Aktivitäten von Automobilherstellern im Bereich Online-Direktvertrieb. Geht es um die Funktionalität der Online-Shops, stellen die Studienautoren aber noch große Unterschiede fest. Vielen Shops würden nach wie vor wichtige Eigenschaften fehlen, die einen wesentlich einfacheren Übergang vom Erstkontakt des Kunden hin zum Kauf des Produkts ermöglichen würden. Da hätten Tesla und auch die Volvo-Tochter Polestar die Nase noch vorn.
Die deutschen Automobilbauer haben das offenbar erkannt. So will BMW beispielsweise nach eigenen Angaben einen dreistelligen Millionenbetrag in eine neue Organisationsstruktur und IT-Infrastruktur investieren. Ziel sei es, bis 2025 etwa ein Viertel der Verkäufe online abzuwickeln.