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Urteil verschärft Informationspflicht Mehr Rechte für Aktionäre

UND JÖRN BENDER
29.06.2012, 05:00 Uhr
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Von Marion Trimborn

UND JÖRN BENDER

Luxemburg. Gute Nachricht für Aktionäre: Börsennotierte Konzerne müssen nach einem EU-Urteil wichtige Entscheidungen früher öffentlich machen – und zwar schon dann, wenn die Weichen dafür gestellt werden. Mit diesem Urteil im jahrelangen Rechtsstreit über den spektakulären Abgang von Daimler-Chef Jürgen Schrempp im Jahr 2005 stärkte der Europäische Gerichtshof gestern die Rechte von Anlegern.

Nach Ansicht der Luxemburger Richter muss eine Aktiengesellschaft Informationen, die den Börsenkurs beeinflussen können, nicht erst beim förmlichen Beschluss, sondern schon vorher bei Zwischenschritten mitteilen (Ad-hoc-Mitteilung). "Ein Zwischenschritt, der einer Entscheidung eines börsennotierten Unternehmens vorausgeht, kann eine Insider-Information darstellen, über die die Finanzmärkte informiert werden müssen", erklärten die Richter. Dies betreffe "auch Schritte, bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft eintreten werden".

Geklagt hatte ein Aktionär, der sich 2005 vom Autokonzern Daimler zu spät über Schrempps Abtritt informiert fühlte. Der Anleger hatte seine Aktien vor Schrempps Ausscheiden im Juli verkauft – dabei stieg der Kurs nach dem Abschied des Managers stark an. Da Schrempp seine Rücktrittsabsicht bereits am 17. Mai mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden besprochen hatte und nach und nach weitere Personen bei Daimler davon erfuhren, meinte der Kläger, das Unternehmen habe auch die Öffentlichkeit früher informieren müssen. Die Richter gaben dem Aktionär im Grundsatz recht. Den konkreten Fall muss nun der Bundesgerichtshof entscheiden. Die Karlsruher Richter müssen dabei auch die Frage möglichen Schadenersatzes klären.

Eine Daimler-Sprecherin sagte, es sei zu begrüßen, dass der Gerichtshof der Rechtsauffassung des Dax-Konzerns "offenbar teilweise gefolgt" sei. Das Gericht sehe nicht die Kursrelevanz eines künftigen Umstands oder Ereignisses als maßgeblich dafür an, ob bereits gegenwärtig eine Insider-Information vorliege, erklärte sie. "Entscheidend ist die Frage, ob tatsächlich erwartet werden kann, dass das Ereignis oder der Umstand in Zukunft existieren oder eintreten werden."

Die Folgen des Daimler-Urteils

Luxemburg (wk). Börsennotierte Unternehmen in Europa müssen ihre Anleger früh über neue Zahlen und Ereignisse informieren. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diese Pflicht verschärft, das Daimler-Urteil könnte weitreichende Folgen haben.

Was ist eine Ad-hoc-Mitteilung?

Das Wertpapierhandelsgesetz verpflichtet einen börsennotierten Konzern, "Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich zu veröffentlichen". Gemeint sind damit Geschäftszahlen wie ein Gewinneinbruch, geplante Übernahmen oder Fusionen oder personelle Veränderungen in Vorstand und Aufsichtsrat. Da solche Tatsachen den Aktienkurs beeinflussen können, sollen sie schnell bekannt werden, als Ad-hoc-, Pflicht- oder Börsenmitteilung.

Was ändert das Urteil?

Die obersten EU-Richter weiten die Informationspflicht aus. Wenn eine Entscheidung in Zwischenschritten fällt, könnte die Pflicht zu einer Ad-hoc-Mitteilung schon vor dem endgültigen Beschluss bestehen.

Was ändert sich für Aktionäre?

Sie können auf mehr Klarheit hoffen. Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), sagt: "Grundsätzlich sollte das Urteil zu mehr Rechtssicherheit führen und so zu weniger Klagen, weil Aktionäre rechtzeitig etwas mitbekommen."

Was befürchten Unternehmen?

Kritiker fürchten gravierende Folgen für Vorstände von börsennotierten Unternehmen. Die Kriterien seien schwer greifbar, es drohten hohe Bußgelder und Haftungsfallen. Verhandlungen, die auf Diskretion angewiesen sind, seien in Gefahr.

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