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Nach Rentenerhöhung Mehr Rentner steuerpflichtig

Ab Juli erhalten 21 Millionen Rentner in Deutschland höhere Renten. In den alten Bundesländern steigen die Bezüge um 3,18 Prozent. Und mit jeder Erhöhung auch die Gefahr, steuerpflichtig zu werden.
26.05.2019, 19:28 Uhr
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Von Olaf Grahl

An Steuern dachte Helga G. nicht, als sie das Finanzamt aufsuchte. Sie wollte ihre Nichtveranlagungsbescheinigung für Zinseinkünfte verlängern. Die brauche sie jetzt nicht mehr, habe die Finanzbeamtin nach Durchsicht der Unterlagen gesagt. Helga G. müsse eine Steuererklärung abgeben. Immer mehr Rentner sind davon betroffen. Ab Juli erhalten 21 Millionen Rentner in Deutschland höhere Renten. In den alten Bundesländern steigen die Bezüge um 3,18 Prozent. Und mit jeder Erhöhung auch die Gefahr, steuerpflichtig zu werden. Auf fünf Millionen Rentner trifft das inzwischen zu.

Bereits seit 2005 wird ein immer größerer Anteil der Renten besteuert. Abhängig ist das vom Jahr, in dem der Bezug beginnt. War vor 13 Jahren noch die Hälfte der Rente steuerfrei, müssen in diesem Jahr bereits 78 Prozent der staatlichen Altersbezüge versteuert werden. Jahr für Jahr steigt der Prozentsatz des steuerpflichtigen Teils der Rente für die jeweiligen Neurentner um zwei Prozentpunkte. Bei einem Rentenbeginn im Jahr 2020 liegt er bei 80 Prozent der Jahresbruttorente. Danach erhöht er sich für Neurentner jeweils nur noch um einen Prozentpunkt. Der Rentenfreibetrag bleibt lebenslang unverändert.

Nur ein Teil der Rente wird besteuert

„Allerdings bezieht sich der steuerfreie Anteil nicht auf die jeweils aktuelle Rente, sondern wird anhand der Rente im ersten vollen Bezugsjahr ermittelt“, sagt Uwe Rauhöft, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Lohnsteuerhilfevereine. Ein Beispiel: Olaf M. ist im September 2018 in Rente gegangen. In diesem Jahr bezieht er monatlich 1250 Euro Rente. Macht 15 000 Euro. Davon sind 3600 Euro (24 Prozent) steuerfrei. Bei Renten, die vor 2005 gezahlt wurden, wird der Rentenfreibetrag auf Basis der gesetzlichen Altersbezüge im Jahr 2005 ermittelt.

Die Hälfte ist steuerfrei. Am Ende muss Steuern zahlen, wessen steuerpflichtige Einkünfte über dem Grundfreibetrag von 9000 Euro (2018) liegen. Da es aber eine Reihe von Abzugsmöglichkeiten gibt und nur ein Teil der Rente besteuert wird, kann die Rente auch deutlich darüber liegen, ohne dass Steuern fällig werden. Zusammen veranlagte Ehepaare haben einen Grundfreibetrag von 18 000 Euro. Ein Single, der 2018 in Rente gegangen ist, kann eine Jahresrente von 14 273 Euro haben, ohne Steuern zahlen zu müssen.

Viele Senioren beziehen auch Betriebsrenten oder Pensionen, haben Einnahmen aus privaten Rentenversicherungen, Vermietung oder Kapitaleinkünfte. Dann wird die Steuererklärung komplex. Die Rentenversicherung stellt Rentnern auf Wunsch kostenlose Bescheinigungen aus, die beim Ausfüllen der Steuervordrucke helfen. Diese Papiere enthalten alle relevanten Beträge mit Hinweisen, in welchen Zeilen der Vordrucke die Werte einzutragen sind. Dennoch ist es zumindest für die erste Steuererklärung ratsam, einen Lohnsteuerhilfeverein oder einen Steuerberater aufzusuchen.

Die Abgabe einer Steuererklärung bedeutet nicht, dass Steuern fällig werden. Es können eine Reihe von Ausgaben vom Einkommen abgezogen werden. Dazu zählen vor allem die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung. Auch Sonderausgaben wie Kirchensteuern oder Spenden können die Steuerlast senken. „Wenn sie Haushaltshilfen oder Pflegedienste beschäftigen, können sie diese Kosten ebenfalls absetzen“, sagt Rauhöft. Einen großen Posten können Gesundheitsausgaben bilden, allerdings müssen auch Rentner eine zumutbare Eigenbelastung tragen. Alle Belege für Brille, Zahnersatz, Medikamente, Kuren oder Gehhilfen sollten das Jahr über gesammelt werden.

Jeder Rentenjahrgang hat einen eigenen Altersentlastungsbetrag

Richtig kompliziert wird es, wenn noch andere Renten bezogen werden, denn sie werden unterschiedlich besteuert. Eine Riester-Rente ist voll steuerpflichtig. Bei der Rürup-Rente gelten dagegen die Regeln der gesetzlichen Rente. Eine Betriebsrente wird als nachträglicher Arbeitslohn betrachtet und voll besteuert. Dafür gibt es aber eine Entlastung in Form eines Versorgungsfreibetrags. Die Höhe richtet sich nach dem Renteneintrittsjahr. Steuerlich am günstigsten sind Renten von privaten Versicherungen.

Die Bezüge werden mit dem sogenannten Ertragsanteil besteuert, der vom Alter bei Rentenbeginn abhängt. Wer mit 65 Jahren in Ruhestand geht, muss 18 Prozent der Privatrente versteuern. „Einkünfte wie Zinsen, Mieten oder Bruttolöhne können um den Altersentlastungsbetrag gemindert werden“, sagt Rauhöft. Das heißt, Rentner können einen Teil der zusätzlichen Einnahmen behalten, ohne dafür Steuern zahlen zu müssen. Auch für den Altersentlastungsbetrag gilt: Jeder Rentenjahrgang hat einen eigenen.

Neben haushaltsnahen Dienstleistungen wie Gartenpflege oder Fensterputzen kann auch der Arbeitslohn von Handwerkerrechnungen von der Steuerschuld abgezogen werden – pro Jahr 20 Prozent und maximal 1200 Euro. Rentner haben viele Möglichkeiten, die Steuerlast zu senken. Für Helga G. war die Steuer überschaubar: 68 Euro – und damit unter dem Durchschnitt. Wer wie sie nur Renteneinkünfte hat, zahlt im Schnitt 136 Euro Steuern im Jahr.

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