Die Arbeitnehmerkammer Bremen hat sich mit dem Gastgewerbe im Bundesland beschäftigt. In einer Branchenanalyse hat sich die Wirtschaftsreferentin Marion Salot die Arbeitsbedingungen angesehen. Ihr Fazit ist eindeutig: "Sie sind problematisch." Dabei wächst die Zahl der Menschen, die in Bremer Hotels, Restaurants und Cafés im Einsatz sind. Im Jahr 2016 waren es mehr als 23.000. Doch die Beschäftigungsstrukturen sind Salot zufolge ungünstig: Vor allem sei der Anteil an Minijobs und Teilzeit gestiegen. Fast die Hälfte der Mitarbeiter ist geringfügig angestellt. Die Zahl der Vollzeitstellen ist rückläufig – vor allem in der Gastronomie, wo mehr als jeder Zweite Minijobber ist. Selbst wer Vollzeit arbeite, bekomme oft einen Niedriglohn.
Die Arbeitszeiten seien ebenfalls schwierig. „Wenn die Leute bei uns aus dem Service sich freinehmen, dann müssen sie selbst an ihrem freien Tag noch anrufen und fragen, ob sie auch wirklich frei haben. Die haben immer nur auf Abruf frei“, berichtete eine Küchenhilfe eines gehobenen Restaurants in Bremen Salot. Insgesamt zwölf Beschäftigte der Branche interviewte die Referentin für Wirtschaftspolitik. Grundlage für die Analyse ist zudem eine repräsentative Umfrage. Viele könnten sich demnach nicht vorstellen, sagt Salot, bis zur Rente im Job zu bleiben. "Altersarmut ist in der Branche programmiert."
Schlechte Bedingungen trotz Entgelttarifvertrag
Dabei hat sich für viele Beschäftigte im Gastgewerbe in Bremen gerade etwas verbessert. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband haben sich darauf geeinigt, dass der Entgelttarifvertrag für Mitarbeiter der gesamten Branchen gelten soll. Das bedeutet mehr Lohn. Salot konstatiert: "Das ist ein Riesengewinn für die Branche." Dennoch sieht sie in der Branche weiterhin schlechte Arbeitsbedingungen. Das spiegle sich auch in der Ausbildung wider. Denn außergewöhnlich oft werde eine Lehre in der Branche abgebrochen. 47 von 200 Köchen setzten nach Angaben der Handelskammer im vergangenen Jahr ihre Lehre in Bremen nicht fort und 15 von 50 Auszubildenden zur Fachkraft Gastronomie. In der Systemgastronomie brach sogar die Hälfte der 60 Azubis die Lehre ab.
Die Zahlen seien schon auffällig, sagt Karlheinz Heidemeyer, Geschäftsführer für den Bereich Aus- und Weiterbildung bei der Handelskammer. Nicht umsonst blicke die Arbeitnehmerkammer auf die Branche. "Ich will das nicht relativieren. Doch auf das Gastgewerbe muss auch mit Augenmaß geblickt werden." Die Handelskammer überwache dabei, dass etwa das Berufsausbildungsgesetz eingehalten werde.
Fast täglich seien Auszubildende aller Branchen mit seinen Kollegen im Gespräch, weil es Probleme im Betrieb gebe. Zunächst suche man den Kontakt zum Arbeitgeber, viele Dinge lösten sich dann bereits. "Jedoch schrecken die Auszubildenden davor auch zurück." Sie hätten Angst vor der Konfrontation. Rechtliche Schritte für eine Aberkennung der Ausbildungserlaubnis seien für die Handelskammer nur bei sehr guten Argumenten möglich. "Das Verfahren ist die Ultima Ratio."
Die Arbeitnehmerkammer bezweifelt dagegen, dass Handelskammer und Bildungsbehörde Verstöße der Betriebe gut dokumentieren. "Unseres Wissens nach nicht. Wir haben schwarze Schafe identifizieren können." Besonders schwierig sei es, dass der Nachwuchs oft regulär als Arbeitskraft eingesetzt werde. Salot weiß von einer Auszubildenden, die zwei Wochen vor der Prüfung die Lehre abbrach – "wegen Burn-out". Hier gelte es, genau hinzuschauen, und die Spreu vom Weizen zu trennen. Denn klar sei: Gute Betriebe gebe es natürlich. "Es gibt auch positive Beispiele. Beschäftigte sind dort mit der Bezahlung und Schichtenplanung zufrieden, weil auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird."
"Der Arbeitsschutz ist ein wichtiger Bereich"
Das Fehlverhalten der schwarzen Schafe wolle man an die entsprechenden Stellen herantragen, sagt Elke Heyduck. Die Geschäftsführerin der Arbeitnehmerkammer bemängelt, dass es insgesamt nicht genügend Tests gebe, ob der Arbeitsschutz eingehalten werde. Die Gewerbeaufsicht in Bremen sei nicht entsprechend aufgestellt: "Die Kontrollen passieren so sporadisch, dass die Betriebe nicht fürchten müssen, erwischt zu werden." Diese Aussagen könne sie nicht bestätigen, sagt dagegen Christina Selzer, Sprecherin der Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz. In Bremen gebe es im Verhältnis nicht weniger Personal als in anderen Bundesländern. "Der Arbeitsschutz ist ein wichtiger Bereich." Die Gewerbeaufsicht werde immer anlassbezogen aktiv. 2017 habe es in Gaststätten 58 Besichtigungen gegeben. "Dabei wurden 73 Beanstandungen festgestellt."
Schwierige Arbeitsbedingungen, die gibt es laut Salot in der ganzen Branche: "Das zieht sich durch alle Bereiche, Betriebsgrößen und Preisstufen." Oft fänden unzufriedene Mitarbeiter schnell einen neuen Job. Denn die Nachfrage ist da. Im Land Bremen nahm der Tourismus besonders zu. Die Zahl der Übernachtungen verdoppelte sich binnen zehn Jahren bis 2016 beinahe auf mehr als 2,1 Millionen. Doch das ist nicht immer ein Vorteil: Durch viele Arbeitsplatzwechsel in der Branche ändert sich dort, wo es Missstände gibt, weniger an den Verhältnissen. Gerade in Franchisebetrieben sei der Kostendruck groß.
In der Vergangenheit habe es zumindest noch eine Unterweisung für Gastronomen gegeben. Salot sieht die Entwicklung kritisch: "Heute ist die Hürde, eine Gastronomie zu eröffnen, super niedrig. Menschen wagen den Schritt, ohne zu wissen, wie das abläuft. Das führt zur hohen Fluktuation: Ein Laden eröffnet und schließt schon wieder." Das Sorgenkind der Wirtschaft lässt in Salot und Heyduck Hoffnung keimen. Letztlich könnte der Fachkräftemangel auch das Gastgewerbe zur Besserung zwingen.