Ein Erfolg für die Stadt, gewiss, sie hat beim Verkauf der Getreideverkehrsanlage am Eingang zum Bremer Holz- und Fabrikenhafen deutlich mehr eingenommen, als sie gefordert hatte. Ein Erfolg sicherlich auch für den Käufer, die J. Müller AG. Das Unternehmen aus Brake hat dringend benötigte Lagerfläche hinzugewonnen und die Kunden dafür gleich mit.
Der bisherige Pächter fühlt sich dagegen übervorteilt. Er wirft Bremen vor, seine Rechte verletzt zu haben. Die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB), die das Geschäft abgewickelt hat, weist die Anschuldigungen entschieden zurück.
Als die Getreideverkehrsanlage, diese 100 Jahre alte Burg aus Backstein mit einem Lagervolumen von mehr als 100 000 Tonnen, im vergangenen Jahr von der WFB zum Verkauf ausgeschrieben wurde, gab es mehrere Bewerber, darunter auch Dieter Wandel.
Er hatte die Anlage vor knapp 20 Jahren als Pächter von der Bremer Lagerhausgesellschaft übernommen und machte sein Geschäft damals unter anderem mit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, die in Bremen einen Teil ihres Interventionsgetreides und der Bundesreserven einlagerte. Später buchten diverse andere Kunden die Silos, 52 waren es zuletzt.
Wegen dieser Kunden entbrennt nun der Streit. Die WFB hat sie aus Sicht von Wandel quasi mitverkauft, wie ein Arzt es mit seiner Patientenkartei tut. "Nach meinen Informationen hat J. Müller für die Getreideverkehrsanlage mehr als neun Millionen Euro bezahlt", sagt Wandel. Laut Wertgutachten eines von der WFB beauftragten Silosachverständigen habe der Gebäudekomplex jedoch nur einen Verkehrswert von 3,5 Millionen Euro gehabt.
"Für die Konsequenzen dürfte die WFB haftbar sein"
Die WFB hatte als Mindestpreis einen Betrag von 2,5 Millionen Euro aufgerufen. "Der darüber hinausgehende Betrag ist deshalb dem Ertragswert der Firma D. Wandel GmbH & Co. KG zuzuschreiben", argumentiert der ehemalige Pächter. Einem Ertragswert, der sich nach dem Volumen des Umschlags und der Zahl der Kunden bemisst.
Juliane Scholz, Sprecherin bei der WFB, erklärt, dass der Verkaufspreis keineswegs auf Basis von Wandels Kunden, sondern durch das Ausschreibungsverfahren entstanden ist. „Die Getreideverkehrsanlage wurde zum Höchstpreis ausgeschrieben“, erklärt sie.
Das höchste Angebot gewinnt, so einfach ist das, und Wandel war es offensichtlich nicht, der es abgegeben hat – denn das wäre Voraussetzung für den Zuschlag gewesen. Wie allerdings der Käufer, also J. Müller, bei seinem Angebot kalkuliert habe, das sei nicht Sache der Wirtschaftsförderer.
Wandels Vorwürfe gehen aber noch weiter. Verkauft worden sei die Anlage, weil die WFB als Eigentümerin vor einem gewaltigen Reparaturstau gestanden habe. Wandel schätzt den Aufwand auf sechs Millionen Euro. Die WFB hätte ihm gegenüber die Pflicht gehabt, sich an die Sanierung des Gebäudes zu machen. Stattdessen der Verkauf.
„Grund für die Verkaufsentscheidung und die Kündigung des Pachtvertrages dürfte die diesbezügliche Pachtvertragsverletzung der WFB sein“, folgert der Unternehmer, der im Holzhafen noch ein großes Lager besitzt – als Pächter des Geländes, Eigentümerin ist auch hier die WFB.
"Das ist eine völlig falsche Behauptung"
Die WFB streitet den Reparaturbedarf nicht ab, dies hat sie auch damals beim Verkauf nicht getan. Nach Angaben der Sprecherin hätte die Stadt sogar sieben Millionen Euro in den Bau investieren müssen. Eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung habe am Ende ergeben, dass ein Verkauf der Anlage der Stadt mehr Vorteile bringt, als diese zu sanieren und weiter zu verpachten.
Mit dem Verkauf der Getreideverkehrsanlage an die J. Müller AG habe die WFB ihre Schutzverpflichtung als Vermieterin gegenüber dem Mieter verletzt, meint Wandel dagegen. „Für die Konsequenzen daraus dürfte die WFB haftbar sein“, sagt er.
Seine Firma sei gegen Zahlung einer Entschädigung, die weniger als der durchschnittliche Monatsumsatz in der Anlage betragen haben, geradezu genötigt worden, der Übereinkunft zuzustimmen. Andernfalls habe eine Konventionalstrafe in Höhe der einmaligen Entschädigung gedroht – und zwar für jeden Monat, in dem er als Pächter weitergemacht hätte.
„Wir haben den Pachtvertrag von Herrn Wandel ordnungsgemäß gekündigt“, hält Juliane Scholz dagegen. Es sei eine Aufhebungsvereinbarung mit dem früheren Pächter geschlossen worden, damit dieser den Betrieb bis zuletzt fortführen und damit das Gebäude reibungslos an den neuen Besitzer übergeben werden konnte. „Wir haben auf die Belange von Herrn Wandel über das erforderliche Maß hinaus Rücksicht genommen und sind ihm in vielen Punkten entgegengekommen“, sagt die Sprecherin der Wirtschaftsförderung.
Hinzu komme, dass Wandel die Vereinbarung mit mehreren Rechtsanwälten abgesprochen und ihr im Beisein seines Bruders zugestimmt habe. Jetzt von Nötigung zu sprechen sei „eine falsche Behauptung“. Die Vereinbarung sei im Übrigen auch getroffen worden, um das „ohnehin sehr kleine Prozessrisiko“ auszuschließen und beim Verkauf keine Verzögerungen zu riskieren.
Unklar ist, wie es nun weitergeht in diesem Zwist zwischen Wandel und der Stadt. Die Wirtschaftsförderung ist sich jedenfalls sicher, dass beim Verkauf der Getreideverkehrsanlage alles nach Recht und Gesetz abgelaufen ist. „Wir glauben nicht, dass Herr Wandel auf dem Rechtsweg Erfolg haben wird“, sagt Scholz. Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit Wandel werden dessen Vorwürfe jedenfalls nicht haben, verspricht sie.